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KRIEG/1320: US-Militärs bei der Planung neuer Kriege uneins (SB)



Fast drei Jahre nach dem Zweiten Libanonkrieg erfährt die militärische Leistung der libanesischen Hisbollah auf ungewöhnliche Weise Anerkennung. Laut der Washington Post (06.04.2009) ist im Pentagon eine erbitterte Debatte über die taktische Ausrichtung der US-Streitkräfte für Kampfeinsätze ausgebrochen. Nach dem 34-Tage-Krieg im Sommer 2006, der für die israelischen Streitkräfte trotz der Tatsache, daß sie über die vollständige Kontrolle des Luftraums verfügten, am Boden relativ verlustreich verlief, so daß das operative Ziel einer Vertreibung der Hisbollah-Milizen aus dem Südlibanon nicht erreicht wurde, hat das UN-Verteidigungsministerium gut ein Dutzend Teams nach Israel entsandt, um mehr über die Erkenntnisse, die israelische Offiziere im Kampf mit diesem Gegner erlangt haben, in Erfahrung zu bringen.

Zudem haben Heer und Marineinfanterie der US-Streitkräfte mehrere Manöver abgehalten, in denen der Gegner nach Art der Hisbollah vorging. Hintergrund dieser Aktivitäten sind laut Washington Post Meinungsverschiedenheiten über die Art und Weise, wie die US-Streitkräfte auf die Kriege der Zukunft vorbereitet werden sollen. Während eine Fraktion die für Besatzungsaktivitäten typische Aufstandsbekämpfung in den Mittelpunkt ihrer Überlegungen stellt, drängen andere Planer darauf, sich auf Kriege mit Gegnern von der Kampfstärke und dem Organisationsgrad der Hisbollah vorzubereiten.

Einig ist man sich darüber, daß die schiitische Miliz sich im Unterschied zu Kämpfern im Irak und Afghanistan, die kurze, gezielte Angriffe mit schneller Absetzbewegung oder Anschläge auf Fahrzeuge mit im Boden vergrabenen Minen durchführen, mit dem Einsatz von panzerbrechender Munition, dem koordinierten Vorgehen in unübersichtlichem Gelände, mit bis zu zwölf Stunden währenden Gefechten mit den Invasoren, mit dem Anzapfen des israelischen Funkverkehrs und dem Raketenangriff auf ein israelisches Kriegsschiff von einer klassischen Guerillaarmee zu einer eher konventionellen Streitmacht entwickelt.

Diejenige Fraktion im Pentagon, die die Ausbildung und Ausrüstung der US-Streitkräfte eher an konventioneller Kriegführung orientieren will, verweist auf das Beispiel der Hisbollah, um ihren Argumenten Schlagkraft zu verleihen. Die dabei geäußerte Kritik, die israelischen Streitkräfte hätten aufgrund ihres Dauereinsatzes als Besatzungsmacht in den Palästinensergebieten das Kämpfen verlernt, ist jedoch insofern fragwürdig, als die Hisbollah ihre Methoden während der israelischen Besetzung des Südlibanons entwickelt hat und auch mit fortschrittlicher Bewaffnung, Logistik und Kommunikation nach wie vor starke Züge einer Guerilla aufweist.

Die schiitische Miliz gehört zu den wichtigsten Gegnern der israelischen Streitkräfte, so daß die Behauptung, deren Führung habe diese Entwicklung verschlafen, wenig glaubhaft ist. Eher plausibel erscheint, daß die israelischen Soldaten schlichtweg nicht genügend motiviert waren, um mit der gleichen Intensität zu kämpfen, wie es die Hisbollah tat, die im Südlibanon ihr eigenes Land und ihre eigenen Familien verteidigte. Während die israelische Führung bei verlustreichen Angriffen auf ein Nachbarland an objektive Grenzen der Belastbarkeit stößt, da sie Gefahr läuft, an einer starken inneren Opposition zu scheitern, kann die Hisbollah weit größere Verluste hinnehmen, ohne wesentlich an Kampffähigkeit zu verlieren.

Das Problem des US-Militärs besteht zudem darin, zu sehr auf die technische Überlegenheit ihrer Mittel zu setzen und zu wenig danach zu fragen, wieso sich überhaupt Menschen in Ländern gegen sie erheben, die von ihnen eingenommen wurden. Die laut Washington Post vom Pentagon entwickelten Future Combat Systems - datenelektronisch eng vernetzte motorisierte Bodenkampftruppen und automatisierte Waffensysteme - sollen angeblich weit erfolgreicher als die israelischen Streitkräfte gegen einen Gegner vorgehen können, der wie die Hisbollah auf geringe Sichtbarkeit im Gelände und weit im Voraus eventueller Kriege eingerichtete Stellungen setzt. Derartige Hoffnungen haben sich schon im Vietnamkrieg als illusionär erwiesen, trotzte der Gegner doch der technologischen Überlegenheit der US-Truppen durch ungewöhnliche Zähigkeit und erfinderische Guerillataktiken, mit denen die Strategien der US-Generäle immer wieder gekontert wurden.

Ohnehin sollen die Befürworter des Primats der Aufstandsbekämpfung mehr Einfluß auf die Gewichtung des nächsten US-Militärbudgets besitzen. Im Fokus der Überlegungen stehen nach wie vor Irak und Afghanistan, wo die "vernetzte Kriegführung" im Sinne eines erweiterten Zusammenwirkens militärischer, polizeilicher und ziviler Kräfte verstärkt zum Einsatz gelangen soll. Nicht zu vergessen sind allerdings auch zivile Unruhen, die aufgrund der verschärften Versorgungslage selbst in westlichen Staaten ausbrechen können. Diese Möglichkeit wird sich zweifellos in der Bemittelung und den Planungen der US-Militärs niederschlagen.

Die Frage, wie man mit einem Gegner wie der Hisbollah umgehen kann, müssen die Planer des Pentagons dennoch beantworten, hat der Erfolg der schiitischen Miliz vor drei Jahren doch potentiellen Kriegsgegnern wie dem Iran zweifellos zu denken gegeben. Was an diesen Debatten allemal deutlich wird, ist die hochgradige Bereitschaft der politischen wie militärischen Führung in Washington, weitere Kriege gegen neue Gegner zu führen.

10. April 2009