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KRIEG/1332: Armageddon wirft seinen Schatten nach Pakistan voraus (SB)



Zäumt man das Pferd von hinten auf, erschließt sich die Logik des sogenannten Antiterrorkriegs, dessen Vernichtungsgewalt sich gegenwärtig auf Afghanistan und Pakistan konzentriert. Hat man die Frage beantwortet, wen die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten im Kampf um die schwindenden Ressourcen menschlichen Überlebens in letzter Konsequenz ins Visier nehmen werden, könnte man durchaus davon sprechen, daß Armageddon seinen Schatten vorauswirft, der nicht von ungefähr die aktuell umkämpfte Region verdüstert. Wer sich dieser Voraussicht verweigert, muß sich zwangsläufig in der Sackgasse verrennen, Washington führe einen sinnlosen oder zum Scheitern verurteilten Krieg. Warum sollte ausgerechnet jene Weltmacht, welche den Zusammenbruch der Sowjetunion nicht zuletzt mit dem aufgezwungenen militärischen Engagement in Afghanistan herbeigeführt hat, aus nicht nachvollziehbaren Gründen in dieselbe Falle tappen, wo doch inzwischen auch der letzte Amateurstratege weiß, daß bislang alle Besatzungsmächte am Hindukusch gescheitert sind?

Wie aus einer jüngst veröffentlichten Studie der UNO hervorgeht, ist im vergangenen Jahr die Opferzahl in der Zivilbevölkerung Afghanistans um 40 Prozent gestiegen. Seit Amtsantritt Präsident Obamas werden die Luftangriffe hier wie im benachbarten Pakistan mit deutlich gesteigerter Wucht vorgetragen, wobei die pakistanischen Zwangsverbündeten die Hauptlast des Kriegs im eigenen Land tragen, während Ende des Jahres 60.000 US-Soldaten auf afghanischem Boden stehen werden. Das Regime Präsident Asif Ali Zardaris löst mit dem Einsatz von Truppenkontingenten im Grenzgebiet eine millionenfache Fluchtbewegung aus, und was die eigene Luftwaffe nicht niedermacht, erledigen die Drohnen der Amerikaner.

Obamas nationaler Sicherheitsberater, General James Jones, ist persönlich nach Islamabad gereist, um den Machthabern Pakistans die neue umfassende Strategie der US-Administration für die militärische Eskalation in den Nachbarländern einzubleuen. Da Angriffe der Amerikaner auf pakistanischem Territorium am allerwenigsten geeignet sind, die dort lebenden Menschen gegen einheimische Insurgenten aufzuwiegeln, muß das pakistanische Militär den Löwenanteil des Gemetzels übernehmen. Unterdessen treibt die CIA von ihrem sicheren Platz an der Konsole aus die ferngesteuerten Einsätze ihrer Drohnen voran, deren perfide Strategien längst jeder Beschreibung spotten. Soweit bekannt, haben US-amerikanische Drohnen seit Januar 2008 insgesamt 43 derartige Angriffe ausgeführt, allein die Hälfte davon seit Amtsantritt Obamas, und dabei mehr als 700 Menschen getötet. (World Socialist Web Site 25.06.09)

Beim bislang blutigsten Angriff dieser Art in Pakistan brachten die Raketen eines Predators im südlichen Waziristan mindestens 80 Menschen um, die an einer Begräbnisfeier teilnahmen. Einem morgendlichen Drohnenangriff waren an einem nahegelegen Ort bereits sieben Menschen zum Opfer gefallen, worauf man die später am Tag abgehaltene Trauerzeremonie bei der zweiten Attacke gezielt unter Beschuß nahm. Da es für die ansässige Bevölkerung unabdingbare Glaubenspflicht ist, an einer solchen Totenehrung teilzunehmen, zielte das taktische Kalkül der Angreifer vermutlich darauf ab, hochrangige Talibanführer zu liquidieren. Zugleich liegt es auf der Hand, daß unter diesen Umständen überwiegend und unterschiedslos Zivilisten sterben mußten.

Wie die Berichterstattung über dieses Massaker in führenden westlichen Medien wie der New York Times auf abstoßende Weise vor Augen führt, ereifern sich journalistische Schreibtischtäter in einer unverhohlen kriegslüsternen Debatte, welche Talibanführer man abgeschossen habe und welche entkommen seien. "Taliban" wird längst als Synonym einer Unperson ohne menschliche Werte und Würde aufgefaßt und verwendet, um das Morden zu rechtfertigen, wobei der Kommentator die Konsole seines Schreibprogramms wie ein Killerspiel bedient. Baitulla Mehsud, der zum Staatsfeind Nummer eins und Erzfeind der Alliierten in Pakistan hochstilisiert und überzeichnet wird, soll dem Anschlag entgangen sein, sofern er sich überhaupt am Ort des Geschehens aufgehalten hat. Ähnlich wie im Falle Osama bin Ladens und der Al Kaida verselbständigt sich auch diesbezüglich die Propaganda in der Weise, daß derzeit angeblich jeder Drohnenangriff Mehsud selbst oder mindestens seinen engsten Vertrauten gilt. (New York Times 25.06.09)

Der in seiner Bedeutung und Pauschalisierung weithin unreflektierte Sammelbegriff "Taliban" preßt den Gegner in ein klischeehaftes Feindbild, gleich um welche Fraktion der teils verbündeten, teils verfehdeten Clans in Nordpakistan es sich handelt. Diesen Brei entmenschtlichter Gegner garniert man mit Baitulla Mehsud als Oberschurken, worauf man die toten Pakistaner abfeiern kann und in der Aufregung sogar vergißt, sich die obligatorischen Krokodilstränen über bedauerliche, aber unvermeidliche Opfer in der Zivilbevölkerung abzuquetschen.

25. Juni 2009