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KRIEG/1339: Demokratie vor dem Reichstag? Gelöbnisgegner ausgesperrt (SB)



Die Bundesregierung hat guten Grund, Genugtuung über das Verbot der Gelöbnix-Demo in Berlin zu empfinden. Der Ausschluß antimilitaristischen Protestes in Hör- und Sichtweite der Gelöbnisfeierlichkeiten am Reichstag verhindert, daß die Stimme der Mehrheit der Bevölkerung, die nicht mit den Kriegseinsätzen der Bundeswehr einverstanden ist, stumm bleibt. Wenn 413 Rekruten in unmittelbarer Nähe der Volksvertretung geloben, "der Bundesrepublik Deutschland treu zu dienen und das Recht und die Freiheit des deutschen Volkes tapfer zu verteidigen", dann soll man eben nicht so genau hinhören und fragen, ob sich dieses Bekenntnis auf den Krieg in Afghanistan und eine NATO-Doktrin der präventiven, die Bündnisgrenzen weit überschreitenden Kriegführung anwenden läßt.

Was auch immer am Hindukusch verteidigt wird, hat mit einer realen Bedrohung der Bundesbürger nichts zu tun. Es dient viel mehr den Interessen der Menschen, die im System der kapitalistischen Globalisierung als Gewinner leben und dies auch in Zukunft tun möchten. Die Absicherung der handelspolitischen und industriellen Basis der hochproduktiven und exportorientierten Bundesrepublik geht in zunehmendem Maß mit militärischer Gewaltanwendung einher, davon können auch die Offiziere des 20. Juli 1944 nicht ablenken, die mit diesem feierlichen Akt in die Pflicht neuer Herren genommen werden. Ihr Widerstand gegen den Diktator in eine Handlungsanweisung zu übersetzen, nun in aller Welt gewaltsam die Verwertungsinteressen der EU durchzusetzen, findet die größte Gemeinsamkeit in der anfänglichen Zustimmung, mit der viele dieser Offiziere die Kriegserfolge Hitlers begleiteten.

Vor kurzem hat die Bundeswehr mit der Bestellung von 405 Schützenpanzern des Typs Puma im Wert von 3,1 Milliarden Euro eines der teuersten Rüstungsprojekte ihrer Geschichte angeschoben. Schon die Dimension dieses Auftrags läßt ahnen, daß man Großes vorhat. Schützenpanzer gelten gemeinhin als eher defensive Mittel zum geschützten Transport von Infanteristen in ihre Einsatzgebiete. Der größte Vorteil des Puma besteht in der Tauglichkeit für den Lufttransport, also für die schnelle Verlegung in die Krisengebiete der Welt. Allerdings handelt es sich bei diesem Gemeinschaftsprojekt von Rheinmetall und Krauss-Maffei Wegmann um ein im Verhältnis zu Kämpfern, die wie die Taliban bestenfalls über leichte panzerbrechende Waffen verfügen, hocheffizientes Angriffsystem.

So ist er in der höchsten Schutzstufe rundum gegen Panzerfäuste wie die im Irak und in Afghanistan übliche RPG-7 immun und kann zudem Beschuß aus Maschinenwaffen bis zum Kaliber 30 mm standhalten. Sein Hauptbewaffnung besteht aus einer 30-mm-Bordmaschinenkanone, die bis 200 Schuß pro Minute abgeben und gepanzerte Ziele je nach Munitionstyp im Umkreis von zwei bis drei Kilometer Entfernung zerstören kann. Die mit modernster Elektronik ausgestattete Zielerfassung ist in der Lage, schon während des Beschusses eines Objekts bereits das nächste ins Visier zu nehmen, so daß ein solcher Schützenpanzer mehrere Angreifer in Schach halten kann.

Doch es geht eben nicht nur um Verteidigung, wie die Gelöbnisformel suggeriert. So ist die im Puma verwendete AHEAD-Munition von besonders aggressiver Wirkung, können mit ihr doch Bodenziele, die den dort verschanzten Kämpfern Deckung bieten, mit vernichtender Wirkung angegriffen werden. Es handelt sich um Geschosse, die sich elektronisch programmiert kurz vor Auftreffen auf das Ziel in 152 bis 330 Projektile zerlegt, deren gehärtetes Schwermetall Hauswände und Erdwälle mühelos durchschlägt. Da das Geschoß praktisch wie eine Schrotladung funktioniert, entfaltet es insbesondere unter sogenannten weichen Zielen maximale Zerstörungskraft.

Das ist nur ein Beispiel für die waffentechnische Bemittelung, mit der deutsche Soldaten auf Menschen losgehen, die wenig mehr als ihre Kleider am Körper besitzen und für den Fall, daß sie gegen Besatzer wie die Bundeswehr kämpfen, ein Vielfaches an Blutzoll als die fremden Soldaten entrichten müssen. Daß man mit großkalibrigen Maschinenwaffen, die nicht nur punktgenau treffen, sondern regelrechte Wolken von Schrapnell abfeuern können, alles niedermäht, was sich im Zielbereich befindet, läßt die Behauptung des ehemaligen Verteidigungsministers Peter Struck, die Bundeswehr sei die größte Friedensbewegung Deutschlands, als abenteuerlichen Zynismus erscheinen. Um so verständlicher ist, daß man vor dem Reichstag gerne unter sich bleibt.

19. Juli 2009