Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

KRIEG/1427: Zu dick zum sterben ... US-Generäle verlangen leistungsfähigeren Nachwuchs (SB)



"Too Fat to Fight" - unter diesem Titel hat die US-amerikanische Organisation Mission: Readiness - Military Leaders for Kids eine Studie veröffentlicht, laut der 27 Prozent der Altersgruppe zwischen 18 und 24 Jahren aufgrund ihres Übergewichts ungeeignet für die Rekrutierung durch die US-Streitkräfte sind. Die in Washington ansässige steuerbefreite Organisation, deren Beirat aus rund hundert Generälen im Ruhestand, darunter mehrere Generalstabschefs, besteht, verlangen eine grundlegende Veränderung der Ernährung von Kindern und Jugendlichen insbesondere an den Schulen und Universitäten des Landes.

Der erklärte Zweck der Organisation Mission: Readiness besteht darin, die Einsatzfähigkeit der US-Streitkräfte durch die optimierte Leistungsfähigkeit künftiger Rekruten sicherzustellen. "Ein Weltklassemilitär braucht Weltklasse-Gesundheit und -Erziehung" - das "langfristige Investment" in den Gesundheitszustand und Ausbildungstand der US-Bürger soll sich im Ertrag verbesserter Kriegsbereitschaft rechnen. Nur durch die Investition in die nächste Generation ließen sich "Sicherheit, Freiheit und Chancen unserer Nation bewahren", heißt es in der Selbstdarstellung der Organisation. Tatsächlich liest sich die Studie "Too Fat to Fight" in einigen Passagen wie ein Sozialprogramm für Kinder und Jugendliche, verschweigt sie doch nicht die Koexistenz von Hunger und Übergewicht an US-amerikanischen Schulen.

Allein die ausschließliche Ausrichtung der Kritik an unzweckmäßiger Ernährung an den Schulen auf körperliche Fitness im Kampfeinsatz zeigt, daß sich das Militär nach wie vor als eigentliche Schule der Nation versteht. Es geht den Generälen nicht um die allgemeine Beseitigung des weitverbreiteten Hungers in den USA oder gar der Not in den Ländern, in denen ihre Garnisonen mit exorbitantem Aufwand in Miniaturausgaben US-amerikanischer Konsumkultur verwandelt werden. Die hochdekorierten Offiziere, unter deren Kommando die Kriege der letzten Jahrzehnte geführt wurden, propagieren die schwarze Pädagogik gewalttätiger Selbstbehauptung, kann doch nur derjenige im Feld überleben, der die spezifische Maßgabe des Body-Mass-Index zur Leitlinie seiner Ernährung und Ertüchtigung macht.

Mit dem Alarmruf der Generäle, die Fettleibigkeit der Jugend gefährde die nationale Sicherheit, koppelt die ohnehin von strikten Normen bestimmte körperliche Zurichtung der US-Bürger übergangslos an den Ethos des Soldaten an, der die ihm abverlangte Leistungsfähigkeit mit der militärischen Macht der Nation in eins setzt. Wird das erwünschte physische Erscheinungsbild im zivilen Leben mit Gesundheitsargumenten zu einem Standard physischer Verwertbarkeit verallgemeinert, der die Produktivität der US-amerikanischen Volkswirtschaft sichert, erheben die Streitkräfte den Prototyp des durchtrainierten und muskulösen Kämpfertypus zum Ideal einer Überlebensdoktrin, dergegenüber alle davon abweichende Leiblichkeit vom Stigma des untüchtigen Losers gezeichnet wird. Wer dick ist, wird nicht nur des Verstoßes gegen die protestantische Leistungsmoral geziehen, er wird zum Gegenentwurf des Freiheitskämpfers, als die sich US-amerikanische Angriffstruppen gemeinhin verstehen. Das damit vermittelte Menschenbild unterscheidet sich im Anspruch auf seine Eignung für den Krieg nicht von dem rassebiologischen Ideal des deutschen Diktators, dem der Soldatennachwuchs der Hitler-Jugend "flink wie ein Windhund, zäh wie Leder und hart wie Kruppstahl" sein sollte.

Die große Zahl von Veteranen, die, in überproportionaler Zahl aus sozial unterprivilegierten Schichten und ethnischen Minderheiten rekrutiert, für die Globalhegemonie US-amerikanischer Kapitalmacht ihr körperliches und seelisches Wohlbefinden opfern, taucht im Appell der Generäle für die Optimierung des Kanonenfutters nicht auf. Den immer noch jungen US-Bürger, die den Rest ihres Lebens mit Bein- und Armprothesen, im Rollstuhl oder im Bett, von Alpträumen verfolgt und mit seelischer Pein geschlagen, in relativer Armut fristen, den vielen Kriegsheimkehrern, die keinen Anschluß mehr an das zivile Leben finden, die obdachlos werden, im Knast landen und in den Suizid fliehen, ist mit der Rezeptur der Generäle für ein besseres Leben in den Streitkräften nicht mehr zu helfen. Military Leaders for Kids - was immer diese fast ausschließlich männlichen Generäle meinen, an sinnvoller Pädagogik zu betreiben, mündet in einen Fleischwolf, dem es völlig gleichgültig ist, ob ihm eher magere Opfer US-amerikanischer Feldzüge oder Angreifer mit ein paar Kilo mehr auf den Rippen eingespeist werden.

3. Mai 2010