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KRIEG/1478: Drei Engel für Obama ... Gender Mainstreaming im Kampfeinsatz (SB)



Nicht nur die republikanische Opposition wirft US-Präsident Barack Obama eine zu zögerliche Haltung im Falle Libyens vor. Wenn die sogenannte internationale Gemeinschaft zum Halali bläst, rettet kein noch so willkürliches Abschießen pakistanischer Zivilisten das Gesicht des ersten US-Bürgers im Angesichte des Feindes. Der Führer der größten Militärmacht der Welt soll vorangehen, wenn Diktatoren wie Muammar al-Gaddafi sich nicht den Forderungen der NATO-Staaten unterwerfen. Unter dem Anspruch globalhegemonialer Ordnung begründet die US-amerikanische Hochrüstung nicht nur das Privileg souveräner Handlungsgewalt, sondern nachgerade die Verpflichtung, Recht und Ordnung überall dort durchzusetzen, wo Wertekonsens und Interessensicherung der führenden Industriestaaten der Welt in eins fallen.

Wie die New York Times vermeldet [1], mußte Obama regelrecht zum Jagen getragen werden, und zwar von einem Trio, das nicht erst mit diesem Krieg die interessenpolitische Qualität des humanitären Interventionismus zu schätzen gelernt hat. US-Außenministerin Hillary Clinton, Sicherheitsberaterin Samantha Power und die UN-Botschafterin Susan Rice sollen maßgeblichen Druck auf den US-Präsidenten ausgeübt sowie den ebenfalls zögerlichen Verteidigungsminister Robert Gates überzeugt haben, endlich zur Tat zu schreiten. Insbesondere Rice soll Anteil daran gehabt haben, Obama die Vorteile dieses Krieges plausibel zu machen. Sie sorgte im UN-Sicherheitsrat dafür, daß eine im Wortlaut schärfere Resolution verabschiedet wurde, die die militärischen Handlungsmöglichkeiten der US-Luftwaffe erweitert.

Diese legalistische Fassade zur aggressiven Einmischung in einen inneren Konflikt ist um so unverzichtbarer, als die US-Regierung mit der jahrelangen Unterstützung der Despoten in all den arabischen Ländern, deren Bevölkerungen sich nun aufmachen, das von der US-Regierung George W. Bushs initiierte Konzept der militärischen Neuordnung und Demokratisierung des Nahen und Mittleren Ostens in die eigenen Hände zu nehmen, längst Farbe bekannt hat. Der schwärende Widerspruch zwischen dem Hegemonialstreben der NATO-Staaten und dem Aufbegehren der arabischen Bevölkerungen läßt sich mit diesem Krieg zumindest vorerst entschärfen. Mit Oberst Gaddafi verfügt man über einen verzichtbaren Despoten, dessen Regime basisdemokratischen Widerstand provoziert, so daß die ehemaligen Kolonialmächte sich in den Sattel eines neuen Feldzugs für freedom & democracy schwingen können. Dieses "Engagement" bietet neue Möglichkeiten der Verwandlung sozialer Revolten in bunte Revolutionen, die den Kräften des Kapitals einen neuen Schub freiheitlicher Verwertung bescheren.

Anhand des Mandats des UN-Sicherheitsrats eröffnen sich Chancen zur Sicherung eigener Interessen, die Clinton, Rice und Power nicht nur zu nutzen, sondern auch zu verkaufen verstehen. So kann der humanitäre Interventionismus, der in Jugoslawien, Afghanistan und im Irak eher Schaden genommen denn Legitimation produziert hat, auf den Schwingen einer Demokratiebewegung neues Ansehen erringen. Sein zentrales Sakrament lautet Responsibility to Protect (R2P). Die sogenannte Schutzverantwortung ist dazu gedacht, die Souveränität der UN-Mitgliedstaaten unter die Kuratel einer politischen Normierung zu stellen, die angebliches Staatsversagen mit Militärinterventionen, Wirtschaftssanktionen, Zwangsdiplomatie oder Strukturanpassungsprogrammen behebt.

R2P soll staatliche Souveränität für die erweiterte Zugriffsmöglichkeit der militärisch und ökonomisch stärksten Staaten öffnen. Es handelt sich um ein Präventions-, Interventions- und Restitutionsphasen umfassendes Konzept globaler Verfügungsgewalt, das den Regierungen und Bevölkerungen schwächerer Staaten letztlich vorschreibt, welche konstitutionelle und ökonomische Gestalt ihr Gemeinwesen aufzuweisen hat. Unter dem Anspruch auf "gute Regierungsführung" wird eine Global Governance betrieben, deren Parameter nicht von ungefähr der Logik betriebswirtschaftlicher Optimierung entspringen, um der Freiheit des Kapitals alle anderen Aufgaben staatlichen Handelns nachzuordnen. Clinton, Rice und Power haben sich als Exponenten dieser Doktrin, die das völkerrechtlich egalitäre System der UN-Charta mit einer hierarchisch organisierten Weltordnung unter Vorherrschaft marktwirtschaftlich ausgerichteter Demokratien beerben soll, besonders hervorgetan.

Samantha Power hat ihren Aufstieg ins Weiße Haus als Professor of Practice of Global Leadership and Public Policy an der Universität Harvard begonnen. 2003 erhielt sie für ihr Buch "A Problem from Hell. America and the Age of Genocide" den Pulitzer Preis. In diesem Plädoyer für den humanitären Interventionismus fordert Power anhand der Beispiele der jugoslawischen Sezessionskriege und des Genozids in Ruanda, daß die USA bei keiner derartigen Entwicklung tatenlos bleiben dürften, sondern sich mit allen, vor allem auch militärischen Mitteln, als Kraft des Guten einmischen sollten. So verklärte sie die Bombardierung Belgrads zur Rettungsaktion für zahlreiche Kosovo-Albaner, die, wie sich schon damals gezeigt hatte, keinesfalls in dem von der US-Regierung unterstellten Ausmaß bedroht waren. Power gehört zu den vehementen Fürsprechern eines militärischen Eingreifens im Darfur-Konflikt und unterstützt den Afghanistankrieg der NATO allen Widersprüchen zum Trotz.

Schon zu Beginn ihres Amtes als UN-Botschafterin wies Susan Rice die von der UN-Generalversammlung geübte Kritik am Überfall Israels auf Gaza zurück. In Obamas Kabinett gehört sie zu den Falken, die einen sogenannten präventiven Militärschlag gegen den Iran gutheißen. Zudem propagiert die Afroamerikanerin ganz im Sinne des paternalistischen Tonfalls, mit dem Obama die Afrikaner über ihre Pflichten belehrt, die Bevölkerungen dieses geschundenen Erdteils mit härteren Mitteln als bloßen Blauhelmmissionen zur Räson des westlichen Vormachtsanspruchs zu bringen. Anläßlich des Beitritts der USA zum UN-Menschenrechtsrat kündigte Rice an, nicht erst auf die Überprüfung dieser Institution warten zu wollen, sondern von Anfang an mit Nachdruck auf ihre "Verbesserung" zu drängen. Schlecht im Sinne Washingtons sind die Mehrheitsverhältnisse in diesem Gremium, die dazu führen, daß dort häufig Kritik an Israel oder an imperialistischen Praktiken westlicher Staaten geübt wird.

Am 18. September 2009 erklärte US-Außenministerin Clinton, die schon als First Lady maßgeblich für die Beteiligung der USA als Lead Nation am Überfall der NATO auf Jugoslawien gesorgt hat, im Vorfeld der UN-Generalversammlung, daß es ihrer Regierung darum gehe, "durch das Errichten und Stärken von Partnerschaften, Institutionen und internationalen Regimes einen globalen Konsens zu schmieden. Dieser Hebel soll dazu genutzt werden, allen Nationen klare Anreize zu geben, zu kooperieren und ihren Verpflichtungen gerecht zu werden. Und wir können ebenso für diejenigen, die isoliert handeln oder Konflikte provozieren, starke Abschreckungsmöglichkeiten entwickeln."

Wer diesen Hebel bedient, bedarf der Erläuterung nicht. Isoliert ist Libyen allemal, haben die NATO-Staaten doch die Zustimmung Rußlands und Chinas für diesen Krieg. Ob Clinton, Rice und Power dabei die - zumindest im Vergleich zu dem engen US-Verbündeten Saudi-Arabien - relativ freizügige Stellung der Frauen Libyens zerstören, wie es schon im Irak erfolgt ist, spielt keine Rolle, wenn es um die Sicherung der von ihnen favorisierten Ordnung geht. Immerhin wird mit Gaddafi das Sinnbild eines beduinischen Patriarchen bekämpft, so daß die Fackel der Befreiung afghanischer Frauen, denen die Kinder aus mangel- und kriegsbedingten Gründen nun schon im zehnten Jahr unter den Händen wegsterben, nach Nordafrika weitergereicht werden kann.

Fußnote:

[1] http://www.nytimes.com/2011/03/19/world/africa/19policy.html

21. März 2011