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KRIEG/1502: Panzerdeal mit Saudi-Arabien ... deutsche Staatsräson triumphiert (SB)



Jene Kritiker des Panzerdeals mit Saudi-Arabien, die keine prinzipiellen Einwände gegen deutsche Rüstungsexporte in alle Welt haben, doch zum schönen Schein auf die Einhaltung der Rüstungsexportrichtlinien pochen, laufen Gefahr, auf diesem moralischen Feigenblatt auszurutschen. Ob sie ihren Einwand gegen die bislang noch nicht dementierte oder bestätigte Entscheidung der Bundesregierung, 200 Leopard 2-Panzer an das arabische Königreich zu liefern, mit den dort verübten Menschenrechtsverletzungen, der Herkunft mutmaßlicher Attentäter des 11. September 2001 aus diesem Land, der Unterstützung salafistischer Organisationen in der Bundesrepublik oder der repressiven Rolle, die Riad bei der Niederschlagung des Aufstands in Bahrain eingenommen hat, begründen, all diese Bedenken wurde vom geheim tagenden Bundessicherheitsrat gewogen und für zu leicht befunden.

Zweifellos mehr Gewicht hat die geostrategische Bedeutung Saudi-Arabiens und das Streben der Bundesregierung nach mehr Einfluß auf die Hegemonialpolitik der NATO-Staaten im Nahen und Mittleren Osten. Wie der Parlamentarische Wirtschaftsstaatssekretär, Hans-Joachim Otto, in der zu diesem Thema im Bundestag anberaumten Fragestunde durchblicken ließ, ist das Land ein unverzichtbarer Aktivposten zur Einschränkung der regionalen Bedeutung des Irans. Auch der Staatsminister im Bundeskanzleramt, Eckart von Klaeden, machte geltend, welch eine positive Rolle Saudi-Arabien für deutsche und europäische Sicherheitsinteressen in der Region spiele [1].

Angesichts der von Bundeskanzlerin Angela Merkel 2008 vor der Knesset in Jerusalem abgegebenen Erklärung, die Sicherheit Israels sei Teil der Staatsräson Deutschlands, ist die Akzeptanz dieses Waffendeals durch die Regierung Netanjahu von elementarer Bedeutung. Saudi-Arabien ist seit langem trotz aller Drangsal, die die Palästinenser unter israelischer Besatzung zu erleiden haben, eine sichere Bank für Israels Hegemonialpolitik in der Region. In der innerarabischen Staatenkonkurrenz hat das Haus Saud stets die Position eines reaktionären Sachwalters westlicher Interessen eingenommen und sozialistische wie panarabische Bestrebungen bekämpft. Die historische Dimension dieser Form feudaler Herrschaftsicherung wurzelt in der Entstehung des Königreiches als genuines Produkt des britischen Empire und der Übernahme der imperialen Kontrolle über das Land durch die US-Ölindustrie in den 1930er Jahren. Der zu dieser Zeit am Hofe in Riad hochangesehene britische Kolonialbeamte und Orientalist Harry St. John Philby erklärte in seinem 1957 erschienenen Buch "40 Years in the Wilderness" :

"Eine der Grundlagen der Übereinkunft, die saudische Entität zu schaffen, bestand darin, daß die Politik Al Sauds auf dem Prinzip basieren sollte, daß weder König Abdul Aziz noch einer seiner Nachfolger auf irgendeine Weise gegen die britischen, amerikanischen und jüdischen Interessen in den Ländern intervenieren sollte, die von Britannien beherrscht werden oder, inklusive Palästina, unter seinem Mandat oder seiner Kontrolle stehen."

Daran hat sich bis heute nichts geändert, was der insbesondere von den USA betriebenen Aufrüstung des Landes einen vergleichbaren Stellenwert gibt zu der auch mit deutscher Beteiligung erfolgten Bewaffnung antikommunistischer Militärdiktaturen zur Sicherung westlicher Interessen während des Kalten Krieges. Keine Panzer nach Saudi-Arabien zu liefern entspräche mithin nicht nur einem Affront gegenüber den NATO-Verbündeten, die dies seit eh und je tun, sondern schwächte auch die strategische Sicherheitsarchitektur Israels. Ein Bundessicherheitsrat, der die Lieferung nach Umbau durch die Empfänger atomwaffentauglicher U-Boote an Israel beschließt, lieferte keine hochmodernen Landwaffen an Saudi-Arabien, wenn dies israelischen Sicherheitsinteressen widerspräche.

Gegen den Export der militärstrategisch überaus bedeutsamen U-Boote der Dolphin-Klasse erhoben diejenigen Politiker, die Waffenexporte nur gutheißen wollen, wenn sie das Siegel "menschenrechtlich verträglich" tragen, was ihren Einsatz etwa gegen ein Land wie Libyen keineswegs ausschließt, sondern geradewegs geboten erscheinen läßt, keinen Einwand. Dabei handelt es sich bei diesen U-Booten um das gefährlichste Gut, was die Waffenschmieden der Bundesrepublik anzubieten haben. Aufgrund ihres Hybridantriebs aus Dieselmotor und Brennstoffzellen können sie wochenlang unter Wasser manövrieren, aufgrund ihrer extrem geringen Lautstärke sind sie für die meisten potentiellen Gegner nicht zu orten, und aufgrund ihrer Lenkwaffentauglichkeite können sie Städte eines verfeindeten Landes über eine Distanz von weit über hundert Kilometer aus küstennahen Gewässern mit atomwaffentauglichen Trägersystemen angreifen.

Es kommt mithin einer Verharmlosung gleich, wenn der Berliner Tagesspiegel die Frage aufwirft: "Gibt es einen geheimen deutsch-israelischen Deal: Panzer für Saudi-Arabien und U-Boote für Israel als Gegenleistung für das Schweigen Jerusalems?" [2] Die israelische Regierung schweigt, um im Bilde zu bleiben, mit der Genugtuung des Genießers und nicht aus dem notgedrungenen Stattgeben deutscher Wünsche. Eine relevante Frage zum Verhalten deutscher Politiker in Regierung wie Opposition in dieser Sache könnte beispielsweise lauten: Wie sieht die Gegenleistung für das Schweigen deutscher Parlamentarier bei der Aufrüstung Israels mit einer Waffe aus, die dem über Atomwaffen verfügenden Land die atomare Zweitschlagkapazität beschert und es damit nicht nur unangreifbar macht, sondern es mit einem erheblichen strategischen Druckmittel und Aggressionspotential ausstattet? Wer bei Leopard 2 nach Saudi-Arabien krakeelt, während er bei Dolphin nach Israel schweigt, setzt sich zwischen die Stühle der Staatsräson und eines rüstungspolitischen Legitimationskonstrukts, das Antimilitaristen seit jeher nichts als ein Feigenblatt zum angestrengten Verbergen geostrategischer und wirtschaftlicher Motive ist.

Fußnoten:

[1] http://www.faz.net/artikel/C30923/fragestunde-zu-panzergeschaeft-saudi-arabien-ist-wichtiger-partner-30457640.html

[2] http://www.tagesspiegel.de/politik/geheimer-deal/4365874.html