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KRIEG/1538: Spionageattacke der USA gegen Iran - Spiegel Online verdreht die Verhältnisse (SB)



Die iranische Luftabwehr hat in östlichen Landesteilen eine US-amerikanische Drohne vom Typ RQ-170 Sentinel abgeschossen. Das berichtete der iranische Fernsehsender Press TV [1] unter Berufung auf ein namentlich nicht genanntes Mitglied des iranischen Militärs. Des weiteren sagte der Informant, die operativen und elektronischen Maßnahmen der Streitkräfte der Islamischen Republik Iran gegen eindringende Fluggeräte beschränkten sich nicht auf die Grenzen des Landes.

Aus dieser Meldung, die keinen Zweifel daran läßt, daß der Iran einen Spionageangriff der USA abgewehrt hat, konstruiert Spiegel Online in grober Verkehrung des Täter-Opfer-Verhältnisses eine Drohkulisse, die angeblich vom Iran ausgeht. Zunächst einmal wird konstatiert, daß sich der Konflikt zwischen dem Land und dem Westen "massiv" zuspitze. Dann, mit Blick auf Iran: "Das Regime droht mit weiteren Schlägen außerhalb der Landesgrenzen." [2]

Wieso "weitere" Schläge? Wurde die US-amerikanische Drohne nicht über iranischem Territorium abgeschossen? Doch, eindeutig. Hier werden mit einem Handstreich die Rollen von Aggressor und Verteidiger vertauscht. Es ist bezeichnend, daß das Magazin kein Wort über die reale Bedrohung durch die US-Drohne verliert, sondern sich über die mutmaßliche Drohung einer Person aus iranischen Militärkreisen, die nicht einmal offiziell als Sprecher auftritt und somit nicht zwingend die Absichten der Regierung Irans wiedergibt, ausläßt.

Einige Absätze weiter geht Spiegel Online auf die Erstürmung iranischer Studenten der britischen Botschaft in Teheran und als Antwort darauf die angekündigte Verschärfung der Sanktionen gegen das Land ein. Ein Sprecher des Außenministeriums in Teheran habe den Westen davor gewarnt, "auch Öl-Importe seines Landes zu stoppen". Sobald eine solche Sache ernsthaft vorangetrieben werde, "werde der Ölpreis auf mehr als 250 Dollar hochschnellen", wird der Sprecher zitiert.

Diese Prognose, die im übrigen in ähnlicher Form auch von Analysten in Europa und den USA für den Fall eines Kriegs gegen Iran erstellt wird, wird aber von Spiegel Online in einer Zwischenüberschrift als gezielte Drohung interpretiert. Darin heißt es: "Iran droht dem Westen mit Ölpreis von 250 Dollar".

Wenn innerhalb eines relativ kurzen Berichts zweimal Inhalte aufs gröbste verdreht und in beiden Fällen ein Land ins schlechte Licht gerückt wird, das sich umgekehrt seit Jahren einem drohenden Angriff seitens des Westens ausgesetzt sieht, dann erweckt das den Eindruck, als wolle sich das deutsche Nachrichtenmagazin an der allgemeinen Feindbildproduktion beteiligen. Die mediale Kriegshetze folgt der militärischen, die militärische der medialen. So werden vermeintliche Zwangsfolgen geschaffen - anscheinend wünscht sich Spiegel Online einen Krieg gegen Iran.

Nicht allein der Konflikt zwischen Iran und dem Westen spitzt sich zu, wie das Magazin schreibt, sondern der zwischen dem Westen und einer Reihe anderer Länder wie China, Rußland und natürlich auch Iran. Die Vorstellung, das Land angreifen zu können und mit heiler Haut davonzukommen, ist naiv. Längst wird von politischen Beobachtern in Washington und anderen westlichen Metropolen gewarnt, daß ein Irankrieg Auftakt zum Dritten Weltkrieg werden könnte. Die globale Finanz- und Wirtschaftskrise dürfte in der Hinsicht sogar noch katalytisch wirken.

Mit seinen Verdrehungen der Aussagen iranischer Positionen setzt das Magazin den bisherigen Tiefpunkt der Medienhetze gegen ein Land, das von westlichen Politikern verbal bereits mehr als einmal mit Krieg überzogen wurde. Bleibt zu wünschen, daß sich der Bericht nicht als vorläufiger Tiefpunkt erweist ...



Anmerkungen:

[1] http://www.presstv.ir/detail/213765.html

[2] http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,801619,00.html

4. Dezember 2011