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KRIEG/1544: Gefährliches Spiel mit verschärften Sanktionen gegen Iran (SB)



Kein Tropfen Öl werde mehr durch die Straße von Hormus gelassen, falls der Westen Sanktionen gegen iranisches Öl verhänge, wird der iranische Vizepräsident Resa Rahimi von den hiesigen Medien zitiert. Die lassen in ihren Überschriften und Schlagzeilen den zweiten Teil der Aussage schon mal weg, so daß der erste und damit bleibende Eindruck entsteht, Iran sei der Aggressor [1]. Entscheidend ist aber, daß es zu keiner Schließung der Meerenge, über die bis zu 40 Prozent des weltweiten Erdöltransports per Schiff laufen, kommen würde, sollten die USA und EU keine weiteren Sanktionen gegen Iran verhängen. Der Westen hat es also mindestens zum gleichen Anteil in der Hand, ob die Lage über das bereits hohe Maß hinaus weiter angespannt wird oder nicht.

Iran hingegen, der sich bereits Sanktionen ausgesetzt sieht, weil er angeblich ein geheimes Atomwaffenprogramm betreibt, besitzt wenig Spielraum, um mit dem auf ihn ausgeübten Druck anders umzugehen, als ihn zu erwidern, will er nicht untergehen wie beispielsweise Libyen. Die Sperrung der Straße von Hormus wäre ein Akt der Verzweiflung, weil der Seeweg nicht nur eine wichtige Ader für den Welthandel, sondern eben auch für den Iran bildet.

Die USA haben auf das Teheraner Säbelrasseln mit einem noch lauteren Getöse reagiert: Eine iranische Blockade der Straße von Hormus werde "nicht toleriert", sagte eine Sprecherin der 5. Flotte der US-Marine am Mittwoch. Die Marine sei "immer bereit, böswillige Aktionen zu kontern, um die Freiheit der Schifffahrt zu gewährleisten". [2] Die Flotte unterhalte eine robuste Präsenz in der Region.

Was kommt dabei heraus, wenn Säbelrasseln dazu übergeht, daß Säbel gegeneinander rasseln? Sollten die Sanktionen gegen Iran verschärft werden, wonach es weiterhin aussieht, könnte Iran die wichtige Seeverbindung schließen. Daraufhin würden die USA sie mittels ihrer militärischen Überlegenheit wieder freimachen, was Iran nicht hinnehmen könnte. Das Ergebnis: Krieg. Der ließe sich womöglich nicht regional eindämmen, da der Konflikt die Interessen vieler Länder in wichtigen Punkten berührt. Ein Weltkrieg wäre die Folge.

Das mag übertrieben klingen, zumal hierbei viele Unsicherheitsfaktoren eine Rolle spielen, die kaum zu berechnen sind, doch hat nicht auch der Erste Weltkrieg mit einem für die Betroffenen zweifellos tragischen, für die Globalpolitik jedoch durchaus kompensierbaren Verlust des österreichischen Thronfolgers begonnen? Die Ermordung Erzherzogs Franz Ferdinand am 28. Juni 1914 wirkte allerdings wie ein Auslöser von aufgestauter Spannungen. Das Ergebnis ist hinlänglich bekannt.

Eine militärische Auseinandersetzung um die Durchfahrt der Straße von Hormus kann so ein Auslöser sein. Denn wie in der Vergangenheit haben sich reichlich Spannungen in der Welt aufgebaut: Die Finanz- und Wirtschaftskrise, die Erderwärmung mit all ihren klimatischen Folgen und die Verknappung von Ressourcen, insbesondere des Erdöls, sorgen für einen gehörigen Druck auf die meisten Staaten. Iran könnte diese Entwicklung verhindern, wenn er wie schon in der Vergangenheit darauf verzichtet, trotz weiterer Sanktionen die Straße von Hormus zu schließen. Zumal Vizepräsident Rahimis Aussage keine offizielle Stellungnahme der Regierung war. Als deutlich weniger wahrscheinlich gilt ein Einlenken seitens des Westens, der im nächsten Jahr wohl weitere Sanktionen gegen Iran verhängen wird. Die EU erwägt ein Importstopp für iranisches Erdöl.

Teheran sieht sich einem ebenso unlösbaren Problem ausgesetzt wie einst der irakische Präsident Saddam Hussein, der von der US-Regierung beschuldigt wurde, er besäße Raketen mit biologischen Waffen. Der Irak habe solche Waffen nicht und könne sie deshalb auch nicht zerstören, erklärte Saddam, man möge ihm welche geben, damit er sie zerstören könne. Iran wiederum beteuert, kein geheimes Atomwaffenprogramm zu betreiben, die Urananreicherung diene allein der Herstellung von Brennelementen für zivile Zwecke. Bislang liegen nur Verdachtsmomente vor, daß Iran in der Vergangenheit an der Atombombe gebastelt hat - wenngleich diese Absicht aus Gründen der Stärkung der eigenen Verteidigungsfähigkeit naheläge.

Ein dritter Weltkrieg als Folge eines Eskalationsszenarios mit der Straße von Hormus als Auslöser ist zwar nicht ausgeschlossen, doch spricht einiges dagegen: Krieg paßt nicht in die heutige Zeit, in der beispielsweise Regime-changes vor allem durch Destabilisierung der inneren Verhältnisse bewirkt werden. Zudem wissen sich die vorherrschenden Kräfte anderer, nicht minder wirkungsvoller Mittel als Krieg, um ihre Interessen durchzusetzen. Ein Beispiel dafür ist die sogenannte Finanz- und Wirtschaftskrise. Durch sie werden in vielen Staaten die Lebensverhältnisse der Menschen deutlich verschlechtert. Das ist keine Begleiterscheinung jener Krisen, sondern deren Funktion. Was beispielsweise über Jahrzehnte in Arbeitskämpfen erstritten worden ist, wird derzeit in einigen Ländern mit einem Federstrich wieder abgeschafft - in einer krisenfreien Zeit wäre so etwas kaum gegen Arbeitnehmerinteressen durchsetzbar gewesen.

Ungeachtet dessen besteht immer die Möglichkeit, daß sich auch die Strategen in Washington, London, Paris, Berlin und anderen Metropolen verrechnen. Dann verhielte sich eine Sperrung der Straße von Hormus durch den Iran als Antwort auf den vielfältigen Druck, der auf ihn ausgeübt wird, tatsächlich wie ein Trigger, und es würden geopolitische Wuchten greifen, die von niemandem mehr zu kontrollieren sind.



Anmerkungen:

[1] "IRAN DROHT MIT SEEWEGBLOCKADE - USA: Wir sind bereit, böswillige Aktionen zu kontern", Hamburger Abendblatt, 29. Dezember 2011
http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article2141484/USA-Wir-sind-bereit-boeswillige-Aktionen-zu-kontern.html

"Öltransporte gefährdet - Iran droht mit Blockade des Persischen Golfs", Süddeutsche Zeitung, 28. Dezember 2011
http://www.sueddeutsche.de/politik/oeltransporte-gefaehrdet-iran-droht-mit-blockade-des-persischen-golfs-1.1245049

"Iran will Öltransport blockieren", Deutsche Welle, 28. Dezember 2011
http://www.dw-world.de/dw/article/0,,15631602,00.html

"Iran droht mit Schließung von wichtiger Meeresstraße", AFP, 28. Dezember 2011
http://www.google.com/hostednews/afp/article/ALeqM5hknI7sufFl0Sv1UTulgMqFnCjEqA?docId=CNG.737be4e626f572f5c32f58f55e3ef1b8.101

[2] http://www.abendblatt.de/politik/ausland/article2141512/Iran-droht -mit-Blockade-USA-ruesten-Partner-in-Nahost-auf.html

29. Dezember 2011