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KRIEG/1581: Wenn Schweine schreien, sind Menschen zu hören (SB)




Zwar ist das Vorhaben des US-amerikanischen Unternehmens Deployment Medicine International (DMI) vorerst gescheitert, auch in der Bundesrepublik Sanitäter an betäubten Schweinen medizinische Notfallbehandlung auf dem Gefechtsfeld üben zu lassen [1]. Die von der Firma in aller Welt angebotene Dienstleistung, betäubte Tiere schwer zu verletzen, um die Versorgung verletzter Soldaten unter möglichst realistischen Bedingungen simulieren zu können, soll der Tierschutzorganisation PETA zufolge zwischen 2001 und 2010 allein in den USA fast 15.000 Schweinen zum Verhängnis geworden sein.

Schweine bieten sich für diese Zwecke insbesondere deshalb an, weil sie dem Menschen physiologisch sehr ähnlich sind. Indem sie verstümmelt werden, um versorgt zu werden, um anschließend dennoch getötet zu werden, fallen sie einer fast noch kälteren instrumentellen Logik zum Opfer als ihre Verwandten an den Haken der Schlachthofketten. Zweifellos wäre es in einer Zukunft, in der die universalen Menschenrechte vollends auf eine utilitaristische Weise ausgelegt würden, die bereits heute bei der medizinischen Forschung an nichteinwilligungsfähigen Menschen unter bioethischem Mandat zur Anwendung gelangt, für die Ausbildung von Militärärzten und Sanitätern noch zuträglicher, selbiges mit Menschen zu machen. So wäre etwa an Hirntote, vulgo Verstorbene zu denken, die angeblich ebensowenig von den ihnen dabei zugefügten Grausamkeiten mitbekämen wie das betäubte Schwein, das einmal nicht zum Kotelett degradiert, sondern zum Kriegsversehrten befördert wird.

Wie aussichtslos der systematische Verbrauch von Tieren für ausgemachte Grausamkeiten auch für den Menschen ist, belegt nicht zuletzt die von Tierschützern geltend gemachte Logik, man könne "auch ohne archaische und grausame Tierversuche Soldaten und Sanitäter" ausbilden, was die Bundeswehr anhand des Einsatzes "moderner Simulationsmethoden in der Ausbildung" [2] demonstriere. Indem sich dieses Argument dem angeblichen Sachzwang beugt, Kriege führen zu müssen, und dabei das deutsche Tierschutzgesetz geltend macht, "das den Einsatz tierfreier Methoden vorschreibt, sobald diese vorhanden sind" [2], bleibt es eine Frage des Nachweises, daß für bestimmte militärische Ausbildungszwecke keine tierfreien Methoden vorhanden seien, um legal auf nichtmenschliche Tiere zurückgreifen zu können. Was in Tierversuchslabors Millionen Probanden nach Maßgabe dieser Bedingung angetan wird, ist in letzter Konsequenz auf dem Schlachtfeld nicht minder ethisch vertretbar als im Schlachthof.

Tiere nicht unnötig zu quälen heißt sie quälen zu können, wenn es für nötig erachtet wird. Die "sinnlose Gewalt", über die häufig lamentiert wird, wenn auf parlamentarisch nicht mandatierte Weise gemordet wird, gebiert sinnvolle Gewalt. Soldaten auf möglichst effiziente Weise vor dem Tod im Kampfeinsatz zu retten wird gerne als humanistische Pflicht dargestellt, ist aber im wesentlichen Voraussetzung dafür, moderne Berufsarmeen durch ein geringeres Todesrisiko attraktiver, die in leichter verletzte Soldaten investierten Ausbildungskosten durch ihre vollständige Rehabilitation rentabel zu machen und Kriege aufgrund geringer Gefallenenzahlen auf der eigenen Seite zu verbessern. Die Ausbildung am lebenden Tier kann zudem Spaß machen, wie in einer Videoaufnahme [3] eines entsprechenden Ausbildungsganges in den USA zu sehen ist. Das sollte nicht weiter erstaunen, denkt man nur an jenen lachenden US-Soldaten, der sich dabei fotografieren ließ, wie er sein Knie auf den Kopf eines unter ihm liegenden und offensichtlich verletzten arabischen Jugendlichen drückt. Indem sich an Schweinen vergangen wird, um die Voraussetzungen für imperialistische Kriegführung zu verbessern, kann das zukünftig angerichtete Leid schon jetzt goutiert werden und eine Logik der Unterwerfung begründen, die für die Schreie der Schweine genauso taub ist wie für die der Menschen.

Fußnoten:

[1] http://www.jungewelt.de/2012/10-04/044.php

[2] http://www.peta.de/web/home.cfm?p=6468

[3] http://www.peta.de/traumatrainingsvirginia

4. Oktober 2012