Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

KRIEG/1589: Kein Leitwolf, wer bei Angriffskriegen zaudert? (SB)




Überlegene Waffengewalt als Fundament des Potentials, aller Welt die kapitalistische Verwertung aufzuzwingen, bleibt die Ultima ratio der Hegemonialmächte imperialistischer Expansion. Deutschland, das auf Grundlage von Hochtechnologie, verschärfter Ausbeutung und Entsorgung des Sozialstaats mit seiner aggressiven Exportoffensive die europäischen Nachbarländer in die Knie zwingt, hat sich zur Führungsmacht in Europa aufgeschwungen, welche die ökonomischen Maßgaben diktiert. Um diese Vormachtstellung zu behaupten bedarf es einer zunehmendem Militarisierung der Außenpolitik, die den weltweit drittgrößten Waffenexporteur um die Fähigkeit und Bereitschaft zur Intervention komplettiert.

Der historische deutsche Sonderweg vorgeblich gezügelter bellizistischer Ambitionen brachte eine ideologische Umdeutung des Angriffskriegs zur Blüte, der im Namen von Menschenrechten, Fortschritt und Aufbauhilfe den Widersinn einer Bundeswehr als Friedensarmee auf die Spitze trieb. Ein "guter" Krieg darf, ja er muß sogar geführt, heißt heute das Leitmotiv einer Gesellschaft, welche die Suprematie ihrer Errungenschaften mit Zähnen und Klauen gegen jene durchsetzt, denen sie abgepreßt sind. Ob Terroristen, Piraten, Diktatoren oder Islamisten, nie fehlt es an zweckdienlichen Feindbildern, die jegliche Hindernisse ökonomischer Expansion und politischer Einflußnahme axiomatisch zu Ausgeburten der Bösartigkeit und Rückständigkeit erklären, die niederzumachen keiner weiteren Begründung bedarf.

Mit jeder deutschen Kriegsbeteiligung wuchs die Kühnheit ihrer ideologischen Wegbereiter und medialen Propagandisten, deren wütende Meute über einen deutschen Außenminister herfällt, der in Libyen bremste und die Beteiligung in Mali dosiert. Obgleich die Bundesregierung den französischen Angriff politisch, logistisch, medizinisch und humanitär unterstützen will, straft man Westerwelle dafür ab, militärische Zurückhaltung als Kern seiner Außenpolitik vorzuhalten. Kanzlerin und Außenminister setzen auf die Strategie, Regionalmächte wie Saudi-Arabien im Nahen Osten oder Angola in Westafrika mit Rüstungslieferungen und Ausbildung der Sicherheitskräfte zu ertüchtigen, Konflikte in ihrer Nachbarschaft eigenständig zu bewältigen. Das steht keineswegs in Widerspruch zur Doktrin der NATO, wie sie in Lissabon neu formuliert wurde, und liegt deutschen Wirtschaftsinteressen im Grunde weit näher als Bombardements.

Daß deutsche Kriegsbeteiligung zu letzterem fähig ist, hat das Massaker nahe Kundus gezeigt. Es konterkarierte zwar die langgenährte Propaganda deutscher Aufbauhilfe am Hindukusch, doch entsprang es der Zwangsläufigkeit, im Kampf um die Rangfolge der Rudelführer Zähne zu zeigen. Zu den Leitwölfen zu gehören wünscht sich offenbar auch Jürgen Trittin, wenn er den französischen Angriff im Norden Malis ausdrücklich begrüßt, ein entschiedenes deutsches Engagement fordert und Westerwelle als Zauderer verhöhnt, der immer nur erkläre, was alles nicht gehe. Josef Fischer, Stammvater grüner Kriegführung, läßt grüßen, hat doch sein bellizistischer Schulterschluß mit der Sozialdemokratie insbesondere in der eigenen Partei stolze Früchte getragen.

Längst streitet man sich nicht mehr um den Krieg als solchen, den zu fordern und fördern von den im Bundestag vertretenen Parteien nur Die Linke ablehnt. Mit jedem Waffengang bricht auch und gerade in jenen Kreisen, die sich als emanzipatorisch oder explizit Linke verstehen, Fraktion um Fraktion weg, um sich der Exekution deutscher Stärke mit allen zu Gebote stehenden Mitteln anzudienen. Was die Rohre der Bundeswehr nicht hergeben, feuern die bundesdeutschen Konzernmedien ab, als gelte es Defätisten an die Wand zu stellen, welche die Franzosen allein im Regen stehen lassen. Wie könne man sie für den Kampfeinsatz in Mali loben, aber selber nicht helfen, kanzelt man Westerwelle ab, der sich schon wieder heraushalten wolle. Wo soll das hinführen? Sich bei der Abstimmung zu Libyen im Weltsicherheitsrat zu enthalten, die Alliierten zu brüskieren und sich jetzt schon wieder Einsätze deutscher Kampftruppen nur für den absoluten Notfall vorzubehalten ist einer Nation unwürdig, die sich zu Höherem berufen fühlt. Deutschland sei das größte Land in der Europäischen Union, Deutschland wolle eine gemeinsame europäische Sicherheits- und Verteidigungspolitik, Deutschland sollte daher auch eine gestaltende Rolle übernehmen und nicht eine abwartende, faßt der SPD-Verteidigungsexperte Hans-Peter Bartels im Deutschlandfunk [1] zusammen, was es aus seiner Sicht dazu zu sagen gibt.


Fußnote

[1] http://www.dradio.de/dlf/sendungen/interview_dlf/1978623/

15. Januar 2013