Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KOMMENTAR

KRIEG/1602: Bomben gelten dem Iran - Israel interveniert im Syrienkrieg (SB)




Die westlichen Mächte setzen ihren Hegemonialanspruch mit ökonomischen, politischen und nicht zuletzt militärischen Mitteln weltweit durch. In einer Kette von Angriffskriegen, die ideologisch als Verteidigung ihrer Sicherheitsinteressen ausgewiesen werden, treiben sie unter hohem Blutzoll der einheimischen Bevölkerungen den Regimewechsel überall dort voran, wo ihrer Expansion Grenzen gesetzt sind. In diesem Zusammenhang sind auch die jüngsten Luftschläge Israels zu sehen, das erneut massiv im Syrienkrieg interveniert hat. Binnen 48 Stunden bombardierte die israelische Luftwaffe zweimal Ziele in der Nähe von Damaskus, womit die seit langem befürchtete Eskalation zu einem regionalen Flächenbrand einen weiteren Schritt nähergerückt ist.

Schon im Januar hatte die syrische Regierung Israel vorgeworfen, das militärische Forschungszentrum in Dschamraja angegriffen zu haben. Wenngleich es dafür keine offizielle Bestätigung aus Jerusalem gab, hatte Verteidigungsminister Ehud Barak den Angriff indirekt mit den Worten eingeräumt, dies sei ein "weiterer Beweis, dass wir meinen, was wir sagen". In Reaktion auf die aktuellen Bombardierungen sprach der stellvertretende syrische Außenminister Faisal al-Makdad von einer "Kriegserklärung" Israels, für die man zu gegebener Zeit Vergeltung üben werde. Das syrische Kabinett sagte nach einer Sondersitzung, die Luftangriffe hätten "die Tür zu allen Möglichkeiten weit geöffnet". Die Lage in der Region sei nun gefährlicher geworden. Wie es in einem Schreiben des Außenministeriums an den UN-Sicherheitsrat und an UN-Generalsekretär Ban Ki Moon heißt, erhöhten diese Angriffe die Spannungen. Dies könne zu einem Krieg führen, der Frieden und Sicherheit in der Region wie auch auf der ganzen Welt bedrohe. Der Sicherheitsrat müsse nun seiner Verantwortung gerecht werden und die israelischen Angriffe stoppen. [1]

Die Arabische Liga forderte die Vereinten Nationen auf, sich verstärkt in Syrien zu engagieren. Ägypten verurteilte die Luftangriffe als Aggression und Bedrohung der Sicherheit in der Region. Ein Sprecher des iranischen Außenministeriums warf Israel vor, die Region zu destabilisieren. Ein Vertreter der Hisbollah sicherte Syrien Unterstützung zu, um zu verhindern, "dass Syrien unter die Kontrolle von Tel Aviv und Washington" falle.

Israelischen Regierungskreisen zufolge dienten die Luftangriffe dem Zweck, Raketenlieferungen an die Hisbollah zu unterbinden. Die Luftwaffe habe einen Transport mit iranischen Waffen bombardiert, berichtete der israelische Rundfunk unter Berufung auf westliche Geheimdienstkreise. Syrien diene als "Transitland" für iranische Waffenlieferungen. Hingegen sagte ein hoher US-Beamter dem Nachrichtensender NBC, die Kampfflugzeuge hätten eine militärische Forschungseinrichtung nördlich von Damaskus angegriffen. Dies würde sich eher mit einer Meldung des arabischen Nachrichtensenders Al-Dschasira decken, der zufolge die Kasernen einer Eliteeinheit des Militärs und der Republikanischen Garde sowie ein Forschungszentrum angegriffen worden seien. [2]

Fest steht jedenfalls, daß Israel mit voller Rückendeckung Washingtons angegriffen hat. US-Präsident Barack Obama sprach der israelischen Regierung das allgemeine Recht zu, Waffenlieferungen an die Hisbollah zu unterbinden: "Was ich in der Vergangenheit gesagt habe und weiter glaube, ist, dass die Israelis berechtigterweise gegen den Transfer moderner Waffen an terroristische Organisationen wie Hisbollah vorgehen müssen." Die USA arbeiteten eng mit Israel zusammen und seien sich der räumlichen Nähe des Verbündeten zum Kriegsland Syrien bewußt.

Daß auch die Bundesregierung die Krallen wetzt, um in diesem Konflikt ihre Interessen geltend zu machen, unterstreicht eine Initiative des Innenministers Hans-Peter Friedrich. Er zeigt sich offen, dem Drängen Washingtons folgend schärfer gegen die Hisbollah vorzugehen, und hat die Innenminister Bulgariens und Zyperns um belastbare Hinweise gebeten, die zu einer Aufnahme der Hisbollah auf die EU-Liste von Terrorgruppen führen könnten. Wie ein Sprecher Friedrichs mitteilte, befürworte man ein EU-Listing, müsse aber Beweise für die terroristischen Aktivitäten der Hisbollah auf europäischem Boden haben. [3]

Wenngleich sich Syrien formell seit Jahrzehnten mit Israel im Kriegszustand befindet, ist es doch seit 1973 kaum zum Austausch von Feindseligkeiten an der Waffenstillstandslinie zwischen beiden Staaten gekommen. Stürzt die Regierung in Damaskus, ist es mit dieser vergleichsweise stabilen Konstellation vorbei. Ein Kommentator der Zeitung Haaretz sprach denn auch von "einem Drahtseilakt", den Israel vollziehe. "Es versucht, seine roten Linien durchzusetzen, ohne den internen syrischen Krieg in einen bewaffneten Konflikt zwischen sich und dem Assad-Regime zu verwandeln." Israel müsse sich davor hüten, sich in das syrische Durcheinander hineinziehen zu lassen. Die Regierung in Jerusalem hat jedoch wiederholt erklärt, sie werde mit aller Macht verhindern, daß Waffen oder Giftgas aus dem Arsenal des syrischen Militärs in die Hände islamistischer Rebellen oder der Hisbollah gelangten. Zudem befürchtet sie, daß Al-Kaida nahestehende Islamisten nach einem Sieg über die Regierung von Präsident Baschar al-Assad ihre Waffen gegen Israel richten könnten.

Wenngleich man daher annehmen könnte, daß Israel keine Ambitionen hat, sich in den blutigen Syrienkrieg einzumischen, zeugen die massiven Luftangriffe im Herzen des nördlichen Nachbarlands vom Gegenteil. Bereits im April 2012 hatte der israelische Verteidigungsminister Ehud Barak in einem Interview mit dem US-Fernsehsender CNN zusammengefaßt, was aus seiner Sicht in Syrien auf dem Spiel steht. Er erachte einen Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad für "sehr positiv", da dieser seine Legitimität verloren habe und seine Entmachtung den iranischen Einfluß in der Region schwächen würde. Die internationale Gemeinschaft unternehme jedoch nicht genug, um Assad zum Rücktritt zu zwingen. Dessen Sturz werde ein heftiger Schlag für den Iran sein.

Dies erklärt die Entschlossenheit Israels, mit Blick auf einen künftigen Angriffskrieg gegen den Iran eine Zuspitzung der explosiven Lage in der gesamten Region zu riskieren. So sprach ein israelischer Radiokommentator angesichts der jüngsten Bombardierungen nahe Damaskus von der "größten Kriegshandlung zwischen Israel und Syrien seit dem Yom-Kippur-Krieg von 1973" - also seit vier Jahrzehnten. Israel und sein Erzfeind Iran lieferten sich inzwischen einen "offenen Kampf" auf syrischem Gebiet.

Fußnoten:

[1] http://www.zeit.de/politik/ausland/2013-05/israel-syrien-luftangriff

[2] http://www.sueddeutsche.de/politik/explosionen-in-forschungszentrum-syrien-meldet-israelischen-luftangriff-auf-damaskus-1.1665365-2

[3] http://www.faz.net/aktuell/politik/ausland/naher-osten/nach-luftangriffen-syrischer-minister-spricht-von-kriegserklaerung-israels-12172997.html

5. Mai 2013