Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → KOMMENTAR


KRIEG/1654: Kernkompetenz Kriegsbereitschaft (SB)



Sage noch einer, The Donald sei unberechenbar! Er ist nicht minder als andere Präsidentschaftskandidaten der beiden großen Parteien bereit, die prinzipielle Bereitschaft zu militärischer Aggression als Kernkompetenz zu Markte zu tragen. Wenn es darauf ankommt, den harten Mann zu markieren, ist auf Trump allemal Verlaß. Nichts Schlimmeres könnte geschehen, als daß ein anderer Eindruck entstände. Gerade für einen politischen Newcomer wie ihn gilt, bei jeder sich bietenden Gelegenheit die Befähigung zum Commander-in-Chief unter Beweis zu stellen. Hillary Clinton hat das nicht so nötig wie er, dennoch scheint ihr Unterstützer Barack Obama es für die Imagepflege unverzichtbar zu halten, das unter Beteiligung seiner Ex-Außenministerin in Libyen angerichtete Desaster durch ein paar Bomben mehr zu vergrößern.

So etwas nennt sich in der Sprache imperialistischer Überflieger "Stabilisierung". Luftangriffe auf die vom IS gehaltene Stadt Sirte sind die Forderung der Stunde auch deutscher Frontjournalisten, wenn sie, wie im NDR, zackig anmahnen: "Höchste Zeit: US-Luftangriffe auf IS in Libyen" [1]. In Zeiten allgemeiner Mobilmachung hat die Weigerung, in den Krieg zu ziehen, nicht nur in den USA schlechteste Umfragewerte zur Folge. Also hält Trump dem amtierenden US-Präsidenten Wankelmütigkeit und Entscheidungsschwäche vor, hat dieser doch auf die Einwilligung der von den NATO-Staaten quasi eingesetzten "Einheitsregierung" in Libyen gewartet, bevor er den Angriffsbefehl gab. Nachdem man sich so viel Mühe mit dem Zustandekommen einer neokolonialistischen Stellvertreterregierung gegeben hat, soll sich ihr Nutzen doch zumindest beim Polieren der legalistischen Fassade erweisen.

Indem Trump versucht, sich als der militärisch aggressivere Kandidat zu profilieren, räumt er wirksam mit dem Gerücht auf, seine Präsidentschaft könnte vielleicht weniger kriegslustig sein als die einer Präsidentin Clinton. Daß er, wie behauptet, eher zusammen mit Putin Krieg führen will als gegen Rußland, macht die Sache nicht besser. Wie der Eklat um den von ihm geschmähten Gefallenen der US-Streitkräfte im Irak belegt, ist das Führen von Kriegen gegen das Böse in der Welt eben nicht nur eine Scharade neokonservativer Globalstrategen, sondern zentrales Anliegen eines weitverbreiteten Patriotismus, der das erfolgreiche Bestehen der "unverzichtbaren Nation" in der globalen Krisenkonkurrenz mit nationalistischer Emphase staatstheologisch überhöht.

Beleidigt Trump Schwule, Lesben, Behinderte oder Frauen, wird das als läßliche Sünde hingenommen. Vergreift er sich im Ton an einem Kriegshelden, stürzen die Sympathiewerte in den Keller. Dieser Soldat soll für die Freiheit, für Amerika, für das Gute gestorben sein, auch wenn die Bilanz der Eroberung des Iraks 2003 nicht verheerender ausfallen könnte. Die mehrfache Einnahme der Stadt Fallujah durch US-Streitkräfte oder, wie zuletzt, mit ihrer Beteiligung hat ein arabisches "Guernica" geschaffen, wie Joachim Guilliard [1] treffend schreibt, doch in den USA wie der Bundesrepublik sind die Leiden der Bevölkerung dieser Stadt kaum bekannt. Das liegt nicht zuletzt am geostrategischen Profil einer Berichterstattung, die einen Assad tagtäglich als brutalen Aggressor vorführt, die vernichtende Gewalt der Kriegführung von NATO-Staaten jedoch ignoriert oder als notwendige Maßnahme legitimiert.

So kommt Barack Obamas Krisenmanagement in Libyen auch hierzulande gut an, schließlich ist dieses Land wie der Irak und Syrien Ausgangspunkt von Fluchtbewegungen, die in die Millionen gehen. Bomben gegen einen IS, der als genuines Produkt der Neuordnung des Nahen und Mittleren Ostens durch die NATO-Staaten zu autonomer Handlungsfähigkeit gelangt ist, sollen richten, was frühere Bomben aus gleicher Quelle angerichtet haben. Hinter der Strategie einer Zerstörung, der selbst das Feigenblatt, eine im neoliberalen Sinne "schöpferische" zu sein, längst abhanden gekommen ist, tritt immer unverhüllter die bloße Mangelregulation hervor. Ein kleineres Übel ist nicht im Angebot, um so bereitwilliger wird das größere [3] der Preisgabe letzter Anwandlungen von Humanität und Demokratie in Kauf genommen. Draußen vor der Tür sollen sie bleiben, darin sind sich Clinton, Trump, Obama, Merkel, Hollande und wie sie alle heißen so einig, daß keine ihrer Differenzen das bescheidene Maß opportunistischer Legitimitätsproduktion überschreitet.


Fußnoten:

[1] http://www.ndr.de/info/sendungen/kommentare/Hoechste-Zeit-US-Luftangriffe-auf-IS-in-Libyen,libyen216.html

[2] https://www.jungewelt.de/2016/06-01/047.php

[3] HEGEMONIE/1800: Die Logik des größeren Übels im Präsidentschaftswahlkampf der USA (SB)
http://www.schattenblick.de/infopool/politik/kommen/hege1800.html

3. August 2016


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang