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KRIEG/1738: Rüstungszuwachs - ein kriegsbedrohlicher Reigen ... (SB)



Der Zuwachs in den US-Militärausgaben geht auf die 2017 unter der Trump-Regierung beschlossene Beschaffung neuer Waffen zurück.
Dr. Aude Fleurant (Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI) [1]

Auch nach dem Ende des sogenannten Kalten Krieges, in dem die militärische Konfrontation in Weltregionen wie Südostasien, Afrika und Lateinamerika ausgetragen wurde, haben die Waffen nie geschwiegen. Ihr Potential blieb das Fundament einer Machtpolitik, andere Staaten und deren Bevölkerung mit ökonomischen Mitteln zu unterwerfen und auszubeuten. Reichte die Friedensordnung als eine Seite der janusköpfigen Herrschaftssicherung nicht hin, kam deren andere Seite als Fratze des Angriffskriegs zum Vorschein. Hatte die Existenz der Sowjetunion und ihrer Verbündeten dem Vormarsch der USA samt der NATO Grenzen gesetzt, so nahm nach Wegfall die Blockkonfrontation die Einkreisung Rußlands und Chinas Fahrt auf. Unter der Doktrin des Antiterrorkampfs frißt sich der expansionistische Hegemonialanspruch der westlichen Mächte Land für Land auf die Grenzen der beiden ultimativen Widersacher zu, die der letztendlich angestrebten globalen Einverleibung im Wege stehen.

Das gilt um so mehr, als die Logik des Raubes als Motor menschheitsgeschichtlicher Entwicklung die Lebensvoraussetzungen auf dem Planeten zu zerstören droht und in beispielloser Geschwindigkeit das nächste große Massensterben eingeleitet hat. Um das Ruder herumzureißen bedürfte es gemeinsamer Anstrengungen, die Durchdringung nahezu aller Gesellschaften mit der profitgetriebenen und wachstumsgestützten Ratio des Kapitals in die Schranken zu weisen. Das Gegenteil ist der Fall, hat doch das endzeitlich anmutende Szenario dramatisch schwindender Sourcen aller Art und des einsetzenden Klimawandels das Wettrennen um die dominierende Position zu Lasten aller anderen noch verschärft.

Der gewaltige Kraftakt der westlichen Mächte, die Sowjetunion durch Wettrüsten niederzuwerfen, erzwang in den folgenden Jahren eine befristete Atempause, was die weltweiten Rüstungsausgaben betraf. Sie sanken bis 1998 auf den tiefsten Stand seit Ende des Kalten Krieges, um dann von 1999 bis 2011 kontinuierlich zu steigen. Zwischen 2012 und 2016 blieben sie einigermaßen konstant, ehe die Zahlen 2017 wieder leicht zunahmen. Im Falle der USA sanken sie seit 2010 sogar jahrelang, doch dieser Abwärtstrend endete 2017. Die globalen Militärausgaben sind im vergangenen Jahr zum zweiten Mal in Folge gestiegen, auf 1,822 Billionen Dollar oder real um 2,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Sie haben damit den höchsten Stand seit 1988 erreicht, als erstmals einheitliche globale Vergleichsdaten zur Verfügung standen, und waren 76 Prozent höher als 1998. [2]

Das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI hat für seinen jährlichen Bericht Daten von 155 Ländern ausgewertet. Das Institut stützt sich dabei nicht nur auf offizielle Regierungsangaben zum Verteidigungsetat, sondern berücksichtigt auch weitere Quellen wie Statistiken von Zentralbanken und der NATO sowie Regierungsantworten auf Umfragen etwa der Vereinten Nationen. Für die meisten westlichen Staaten gelten die Zahlen als zuverlässig, da sie aus öffentlich zugänglichen Quellen stammen. Anders verhält es sich bei Ländern, deren Berichtswesen nicht durch Transparenz gekennzeichnet ist. So beruhen die Angaben für China und Saudi-Arabien auf Schätzungen, wie die SIPRI-Forscher warnen. [3]

Die im geostrategischen Kontext drohender großer Kriege relevantesten Pole, nämlich die USA, China und Rußland, weisen laut dem aktuellen Bericht des Stockholmer Friedensforschungsinstitutes die markantesten Entwicklungstendenzen auf. Während die Vereinigten Staaten ihre absolute Vormachtstellung massiv ausgebaut und China seinen jahrzehntelang ununterbrochenen Zuwachs der Rüstungsausgaben fortgesetzt hat, ist Rußland deutlich zurückgefallen. Diese Tendenzen lassen Folgerungen zu, wenn sie im Lichte der jeweiligen Wirtschaftskraft ausgewertet werden. Washington rüstet im Zuge der Trump-Administration trotz niedrigen Wirtschaftswachstums auf und verfolgt damit einen Kurs forcierter Konfrontation. Beijing setzt seine Aufholjagd fort und kann sich dabei auf eine nach wie vor kräftige Ökonomie stützen. Moskau muß dem Einbruch der russischen Wirtschaft Tribut zollen und seine militärischen Anstrengungen zurückfahren. Damit droht Rußland angesichts des westlichen Sanktionsregimes eine ähnliche Situation wie seinerzeit der Sowjetunion, nur daß der Verlust diesmal seine gesamte Existenz als unabhängiger Nationalstaat beträfe. China hat zwar den Abstand zu den USA verkürzt, liegt aber noch deutlich im Hintertreffen. Diese Dreierkonstellation zeugt angesichts des Sanktionsregimes und des von den USA losgetretenen Wirtschaftskriegs von der dramatisch wachsenden Gefahr einer militärischen Auseinandersetzung großen Ausmaßes bis hin zum Einsatz von Atomwaffen.

Unangefochtener Spitzenreiter bleiben die USA, die 2018 knapp 649 Milliarden Dollar für ihre Rüstung ausgegeben haben. Das entspricht 36 Prozent der weltweiten Militärausgaben und damit beinahe den Investitionen der acht darauffolgenden Länder zusammen. Als einen Hauptgrund für den Anstieg um 4,6 Prozent nennt SIPRI, daß von der Trump-Regierung beschlossene Waffenbeschaffungsprogramme umgesetzt worden seien. In Anbetracht ihres geringen Wirtschaftswachstums müssen die USA 3,2 Prozent ihres BIP für die Rüstung aufwenden.

China ist mit 14 Prozent der globalen Ausgaben die weltweit zweitgrößte Militärmacht und gibt mit 250 Milliarden Dollar 5 Prozent mehr für seine Streitkräfte als im Vorjahr und zehnmal soviel wie noch 1994 aus. Das hohe Niveau für das Jahr 2018 ist hauptsächlich dem bemerkenswert hohen Anstieg der Militärausgaben in den USA und in China geschuldet, die allein für die Hälfte dieser Ausgaben stehen. Der chinesische Zuwachs folgt indessen dem gesamtwirtschaftlichen Wachstum des Landes, und so hat China seit 2013 alljährlich 1,9 Prozent seines Bruttoinlandprodukts für das Militär aufgewendet. Die Sipri-Forscher ermittelten für China das 24. Jahr in Folge steigende Militärausgaben. Da die Konjunktur in der Volksrepublik jetzt allerdings nicht mehr so schnell wächst, zeigt sich das auch bei der Rüstung. So ist der aktuelle Anstieg des Militärbudgets der geringste Zuwachs seit gut zwei Jahrzehnten. [4]

Die Militärausgaben Rußlands sind auch im vergangenen Jahr erneut um 3,5 Prozent zurückgegangen. Mit 61,4 Milliarden Dollar entsprachen diese Ausgaben weniger als einem Zehntel der US-amerikanischen oder 88 Prozent der osteuropäischen Staaten. In der globalen Rangliste der Militärmächte hatte Rußland vor zwei Jahren noch auf dem dritten Platz gelegen, nun ist es hinter Saudi-Arabien, Indien und Frankreich auf den sechsten Platz zurückgefallen, obgleich es 3,9 Prozent des BIP für Rüstungszwecke aufwendet.

Nach Rußland rangiert Großbritannien, gefolgt von Deutschland auf dem siebten Platz, das Japan überholt und seine Rüstungsausgaben um 1,8 Prozent auf 49,5 Milliarden Dollar erhöht hat. Wahrscheinlich wird Berlin Großbritannien in den nächsten Jahren überholen, weil der Anteil der Militärausgaben von 1,2 Prozent des BIP hierzulande steigen soll. Das NATO-Ziel zur Erhöhung der Verteidigungsausgaben auf zwei Prozent verfehlt Deutschland damit deutlich, doch ist ein weiterer Zuwachs fest eingeplant.

Obgleich Rußland bei der Aufrüstung zurückgefallen ist, sprechen die westlichen Mächte unvermindert von einer Bedrohung seitens Moskaus. Vor allem die osteuropäischen Länder haben ihre Rüstungsausgaben gegenüber 2017 massiv erhöht. So legten Polen um 8,9 Prozent, die Ukraine um 21 Prozent und Lettland, Litauen, Rumänien und Bulgarien zwischen 18 und 24 Prozent zu. Gemeinsam könnten die EU-Staaten eine bedeutende militärische Stärke repräsentieren, da sie zusammen auf 20 Prozent der weltweiten Rüstungsausgaben kommen. Nach Untersuchungen der Münchner Sicherheitskonferenz geben sie dieses Geld allerdings wenig zielgerichtet für viele unterschiedliche Waffensysteme in kleinen Stückzahlen aus. Würde die EU ihre Verteidigungsunion vorantreiben und gemeinsam Rüstungsgüter bestellen, könnte sie als Mittelmacht zwischen den USA und China eine ernstzunehmenden Größe erlangen, so die Ambitionen der Protagonisten europäischer Machtpolitik.

Nach SIPRI-Angaben sind die Militärausgaben Asiens und Ozeaniens seit 1988 jährlich gestiegen und machen inzwischen 28 Prozent der weltweiten Rüstungsinvestitionen aus, während es vor 30 Jahren lediglich neun Prozent waren. Neben China sei dies vor allem dem Anstieg dieser Ausgaben in Indien, Pakistan und Südkorea geschuldet, konstatiert der Sipri-Forscher Siemon Wezeman: "Die Spannungen zwischen den asiatischen Ländern und zwischen China und den USA haben diese Ausgaben nach oben getrieben." [5] In Afrika sanken die Ausgaben fürs Militär 2018 dagegen deutlich, im Nahen Osten zumindest leicht. Allerdings verschlingen die Militärausgaben in den Ländern des Nahen Ostens und Nordafrikas, die an Kriegen oder anderen bewaffneten Konflikten beteiligt sind, einen extrem hohen Anteil an der Wirtschaftsleistung. So gibt Saudi-Arabien 8,8 Prozent, Oman 8,2 Prozent, Algerien 5,3 Prozent und Kuwait 5,1 Prozent des BIP für militärische Zwecke aus.

Daß die absoluten Zahlen der Rüstungsausgaben in Relation zur Wirtschaftskraft eines Landes aussagekräftiger sind, zeigen folgende nur auf den ersten Blick überraschenden Werte. So sanken 2018 die weltweiten Militärausgaben im Verhältnis zur Wirtschaftskraft sogar minimal von 2,2 Prozent (2017) auf 2,1 Prozent (2018) des weltweiten Bruttosozialproduktes. Etwa zwei Drittel aller Staaten gaben weniger als zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für ihr Militär aus.


Fußnoten:

[1] www.sueddeutsche.de/politik/ruestungsausgaben-sipri-militaer-1.4425853

[2] www.t-online.de/nachrichten/deutschland/militaer-verteidigung/id_85658796/friedensforschungsinstitut-sipri-die-welt-ruestet-auf-wie-seit-jahrzehnten-nicht-mehr.html

[3] www.handelsblatt.com/politik/international/verteidigung-49-5-milliarden-dollar-deutschland-gibt-vergleichsweise-wenig-fuers-militaer-aus/24265056.html

[4] www.welt.de/wirtschaft/article192600565/Sipri-Frankreich-uebertrumpft-Russland-bei-den-Ruestungsausgaben.html

[5] www.taz.de/!5588094/

29. April 2019


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