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KRIEG/1760: Bundeswehr und rechte Gesinnung - das passende Geschirr ... (SB)



Rechtsradikalismus bei der Bundeswehr - wo sonst? Der nationale Wettbewerbsstaat braucht SoldatInnen, die für seinen Geschäftsbetrieb zu sterben wissen. Die Identifikation mit Staat und Nation ist für die mentale Bereitschaft, im Krieg nicht nur alles zu geben, sondern ihn auch mit Begeisterung zu führen, unerläßlich. Auf diesem Weg sind chauvinistische und rassistische Einstellungen nicht zu vermeiden, wenn sie durch Korpsgeist und Manneszucht nicht ohnehin initiiert werden. Zwar gibt sich die Bundeswehr heute geschlechtertolerant und ist nicht nur Frauen, sondern auch queeren Menschen offen. Der patriarchale Charakter der hierarchischen Struktur und des von Auftrag wie Ausrüstung gewaltbereiten Auftretens wird dadurch jedoch nicht beseitigt, sondern erhält zusätzliche Legitimation durch die Anpassung der Bundeswehr an die zivilgesellschaftliche Entwicklung.

In Teilen der Truppe verhaßt und verachtet, wie immer wieder aus Kreisen altgedienter Angehöriger der Bundeswehr zu vernehmen war, hat die ehemalige Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen mit der stärkeren Betonung ziviler Elemente im Alltagsbetrieb der Bundeswehr keineswegs dazu beigetragen, dem nationalchauvinistischen und maskulinen Selbstverständnis vieler Soldaten das Wasser abzugraben. Wie Antifeminismus zu den zentralen Positionen der Neuen Rechten gehört, ist er auch im traditionellen Männerbetrieb des Militärs allen Gleichstellungsansprüchen zum Trotz stark verankert. Schließlich geht es bei der Forderung, Soldatinnen in jeder Funktion, also auch im Kampfeinsatz, willkommen zu heißen, nicht um feministische Emanzipation, sondern staatstragende Gewaltanwendung.

In der Konsequenz militärischen Denkens ist die aggressive Durchsetzung der Staatsräson zentral, während das vielzitierte Brunnenbauen und andere humanitäre Maßnahmen PolitikerInnen und DiplomatInnen mit argumentativer Munition versorgen, was nicht heißen soll, daß Legitimationsstrategien keine mörderischen Ergebnisse zeitigen. So preist die Bundesregierung bei den sogenannten Flüchtlingskosten von 22,9 Milliarden Euro Auslandseinsätze der Bundeswehr ein, etwa in einem mit 8,3 Milliarden Euro bezifferten Posten namens "Fluchtursachenbekämpfung" [1]. Winkeladvokatentum und Buchhaltertricks auf jeder Ebene, vom Abschmettern der Klagen gegen die Beteiligung der Bundeswehr am völkerrechtswidrigen Überfall der NATO auf Jugoslawien durch die Bundesanwaltschaft über die von einem grünen Außenminister ausgesprochene Rechtfertigung dieses Angriffskriegs gegen ein von NS-Aggression schwer gezeichnetes Land unter Vereinnahmung des Gedenkens an den Holocaust bis zur Orwellschen Sprachverdrehung in Sachen sogenannter Friedenseinsätze. Auch damit wird einer Rechten, die sich auf Meinungsfreiheit beruft, um Unsägliches wieder sagbar zu machen, Vorschub geleistet.

Wie das Scheitern von der Leyens an dem Versuch gezeigt hat, gegen eine die Wehrmacht - und damit auch ihre Mordtaten - würdigende, Kriegsverbrecher nicht ausschließende Traditionspflege vorzugehen, ändern Gender Mainstreaming und jugendaffine You Tube-Auftritte nichts daran, daß die Bundeswehr eine im Kern auf Staat und Nation bezogene Einrichtung ist. Die damit verknüpften Interessen fördern die Verbreitung rechter Inhalte in der Truppe weit mehr als die Praxis verhindern könnte, sich mit der Simulation demokratischer Strukturen der Inneren Führung, dem grundrechtlichen Postulat einer möglichen Verweigerung als gesetzeswidrig erachteter Befehle oder der Observation rechter Strukturen durch den MAD den Anstrich zu geben, eine normale Verfassungsinstitution wie andere auch zu sein.

Zweck der Streitkräfte eines auf kapitalistischer Basis wirtschaftenden Staates ist im Zweifelsfall die Durchführung imperialistischer Kriege. Dies wird im Falle der Bundeswehr schon dadurch unterstrichen, daß der Verteidigungsauftrag des Grundgesetzes mit richterlicher Definionshoheit in den Auftrag umgewidmet wurde, außerhalb des NATO-Bündnisgebietes Waffengewalt anzuwenden und nach Maßgabe des humanitären Interventionismus veritable Angriffskriege zu führen. Die damit zu gewährleistende Sicherung des Einflusses deutscher Kapitalinteressen in aller Welt wie der Transportwege für Rohstoffe dementiert angebliche humanitäre Sachzwänge wie die Verteidigung von Menschenrechten in autoritär regierten Staaten so wirksam, daß derartige Vorwände auch immer weniger herangezogen werden. Gleiches gilt für die im Jahr 1999 noch hitzig diskutierte Verfassungskonformität des Jugoslawienkrieges - der normative Werteuniversalismus wird zusehends abgelöst durch die Selbstevidenz nationaler Partikularinteressen, die vor sich selbst zu begründen beim Blick auf den eigenen Teller nicht schwer fällt.

Was gesellschaftlich heute noch mißfallen mag, wird in Zeiten klima- und produktionsbedingter Ressourcennot auch außerhalb der Truppe in wachsendem Maße auf Zustimmung stoßen. Die zwischen den hochindustrialisierten Ländern des Westeuropas, Nordamerikas und auch Ostasiens zum Globalen Süden steil abfallende Produktivität wird nicht nur durch die intensive Ausbeutung von Rohstoffen und Arbeit bewirtschaftet, sondern gibt auch Anlaß zu einer von neokolonialistischer Reichstumsproduktion gespeisten weißen Suprematie, die in Rassenhaß und Flüchtlingsabwehr ihren aggressiven Ausdruck findet. Das in der Arena zwischenstaatlicher Konkurrenzkämpfe besonders hervorgehobene Beispiel eines neuen Protektionismus, mit dem US-Präsident Donald Trump die nationale Geschäftsbilanz zu sanieren versucht, stärkt imperialistische Ambitionen überall dort, wo die militärische Stärke zu ihrer Durchsetzung ausreicht oder aufgebaut wird. Letzteres ist in Deutsch-Europa der Fall, weshalb nicht erstaunen kann, daß die StaatschützerInnen bei der Verfolgung mit Bürgerkriegfantasien kokettierender und xenophobe Feindbilder produzierender Netzwerke unter SoldatInnen zum Jagen getragen werden müssen.

So sehr sich der vielzitierte Verfassungsstaat von rechter Gesinnung distanzieren mag, so sehr nährt er sie durch die Materialität seiner Wirtschafts- und Gesellschaftsform. Der Spreizschritt zwischen Verbot und Legalität rechtsradikaler Aktivitäten wird solange zugunsten letzterem tendieren, als die politökonomischen Grundlagen rechtsextremer Restauration, die kapitalistische Vergesellschaftung und ihre agressive Legitimierung in Kriegen gegen konkurrierende Staatssubjekte, von maßgeblichen Akteuren wie den sogenannten Volksparteien aufrechterhalten werden.


Fußnote:

[1] https://www.jungewelt.de/artikel/370821.lügen-mit-zahlen.html

28. Januar 2020


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