Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → KRIEG

INTERVENTION/019: Südsudan - Menschenrechtsexperten fordern mehr Transparenz von UN-Friedensmission (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
IPS-Tagesdienst vom 3. Januar 2014

Südsudan: Menschenrechtsexperten fordern mehr Transparenz von UN-Friedensmission

Von Samuel Oakford


Bild: © UN/Martine Perret

UNMISS-Soldaten mit UN-Flagge am UN-Tag
Bild: © UN/Martine Perret

New York, 3. Februar (IPS) - Menschenrechtsorganisationen haben die UN-Friedensmission im Südsudan (UNMISS) im Interesse der nationalen Versöhnung zu mehr Transparenz aufgefordert. Es sei zwingend erforderlich, das ganze Ausmaß der Gewalt zu kennen, um präventiv und nachhaltig auf Konflikte eingehen zu können.

Auch wenn die UNMISS dem UN-Sicherheitsrat alle vier Monate Rede und Antwort steht und in regelmäßigen Abständen Pressemitteilungen über die Lage vor Ort herausgibt, ist sie nicht explizit dazu verpflichtet, die von ihr zusammengetragenen Informationen über Verbrechen zu veröffentlichen. Zwar publiziert sie hin und wieder Menschenrechtsberichte - zwei an der Zahl seit der Einrichtung der UNMISS im Jahre 2011. Doch Beobachtern und UN-Mitarbeitern zufolge werden die Informationen häufig gefiltert, was eine realistische Beurteilung der Lage und jede Selbstreflexion schwierig macht.

"Uns beunruhigt der Mangel an öffentlich zugänglichen Informationen der UNMISS", bestätigte Philippe Bolopion, UN-Experte der Menschenrechtsorganisation 'Human Rights Watch'. Die UN müssten gerade in Ländern mit einer Kultur der Straffreiheit sämtliche Übergriffe publik machen.

In einer UNMISS-Stellungnahme für IPS heißt es, dass man der Öffentlichkeit keine Informationen vorenthalte, jedoch nicht ins Detail gehe. Das gelte insbesondere dann, "wenn wir dabei sind, Beweise zu sammeln". Doch dieser Prozess könne erst in Gang gesetzt werden, wenn das jeweilige Konfliktgebiet komplett zugänglich sei. UNMISS werde auch weiterhin Berichte veröffentlichen und Menschenrechtsverbrechen unparteiisch dokumentieren. Man werde Zeugenaussagen sammeln und Vertreter aller Seiten in allen Konfliktregionen zu Wort kommen lassen, versicherte ein Sprecher der Mission.


Warnsignale übersehen

Beobachter räumen zwar ein, dass es angesichts der derzeitigen Sicherheitslage schwierig ist, zuverlässige Angaben über die Menschenrechtssituation vor Ort zu machen. Doch habe es schon vor der jüngsten Eskalation der Gewalt Warnungen gegeben, wie Michelle Kisenkoetter von der Internationalen Menschenrechtsliga (FIDH) betonte.

"Wir setzen uns schon lange dafür ein, dass die Menschenrechtsberichte der UN-Friedensmissionen frei zugänglich gemacht werden. Die Situation im Südsudan ist ein Beispiel dafür, wie wichtig das wäre", fügte Kiesenkoetter hinzu. "Die UNMISS-Mitarbeiter sind in dem von ihnen gesicherten Gebiet oft die einzigen, die Zugang zu den dort lebenden Menschen haben. Deshalb sind öffentlich zugängliche Berichte wichtig, um zu erfahren, was sich dort abspielt."

Der letzte UNMISS-Menschenrechtsbericht wurde im April 2013 vorgelegt, also Monate vor der Gewalteskalation im Bundesstaat Jonglei, die den derzeitigen Konflikt quasi ankündigt hatte. Wie der Mitarbeiter einer internationalen Denkfabrik gegenüber IPS erklärte, wurden schon die Übergriffe in Jonglei "systematisch" verharmlost. "Meiner Meinung nach hätte die ethnische Dimension und das Fehlen einer angemessenen Reaktion von Seiten der südsudanesischen Regierung der Öffentlichkeit schon damals bekannt gemacht werden müssen", sagte der Beobachter.

Die seit langem existierenden Spannungen innerhalb der Regierungspartei SPLM brachen sich am 15. Dezember Bahn. Damals beschuldigte Staatspräsident Salva Kiir, ein Dinka, seinen im Juli von ihm entlassenen Vizepräsidenten Riek Machar, einen Putsch gegen ihn vorzubereiten. Machar, ein Nuer, wies die Vorwürfe zurück, trat aber dann die Flucht an und übernahm das Kommando über Rebellen und SPLA-Deserteure. Kurz darauf kam es zu den brutalen ethnischen Zusammenstößen.

Am 24. Dezember gab die UN-Menschenrechtshochkommissarin Navi Pillay bekannt, dass Teams über die Existenz von Massengräbern in Juba und Bentiu und über "außergerichtliche Hinrichtungen" berichtet hätten. Ausschlaggebend für Menschenrechtsverletzungen sei die ethnische Zugehörigkeit. Nach Angaben der Vereinten Nationen wird die UNMISS einem von der Afrikanischen Union (AU) angekündigten Untersuchungsausschuss Informationen über die Situation vor Ort bereitstellen.

Obwohl die UN-Missionen dem UN-Hauptquartier unterstehen, verfügen ihre Sonderbeauftragten über einen gewissen Spielraum bei der Gestaltung ihrer Aufgabe. Sie kommunizieren auch mit Akteuren, die oftmals selbst Gegenstand von Ermittlungen sein müssten. Hilde Johnson, die 2011 dank der Unterstützung der US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen, Susan Rice, mit der Führung der UNMISS betraut wurde, zeichnet sich durch einen auf Abschottung bedachten Führungsstil aus.

Die Präsenz zahlreicher Nichtregierungsorganisationen und die hohen Zuwendungen der westlichen Welt haben den Eindruck erweckt, dass die Probleme im Südsudan vor allem humanitärer Art seien. Die fortgesetzten politischen Missstände wurden ignoriert, die Gefahr eines Bürgerkriegs verharmlost.

Kiir hatte im November 2012 einen hochrangigen UNMISS-Menschenrechtsberichterstatter wegen dessen "unethischer" Arbeit des Landes verwiesen. Und kurz vor dem in Januar erzielten Waffenstillstand warf er der UNMISS vor, Rebellen Unterschlupf zu gewähren und eine "Parallelregierung" zu bilden. Der Waffenstillstand wird jedoch ständig unterlaufen, und im Südsudan droht ein Völkermord.

"Die Menschenrechtsberichterstattung der UN-Missionen ist immer ein strittiges Thema", meinte ein UN-Mitarbeiter, der sich Anonymität ausbat. "Die UN-Missions-Mitarbeiter, die vom Rauswurf aus dem Land bedroht sind, sind die Menschenrechtsberichterstatter. Ihre Arbeit spielt aber für die Glaubwürdigkeit der UN eine große Rolle."


"Regierung Teil des Problems"

Laut Jehanne Henry, Afrika-Expertin bei Human Rights Watch, lässt der derzeitige Konflikt im Südsudan keinen Zweifel daran, dass die Regierung Teil des Problems ist. "Man kann schon argumentieren, dass die in Jonglei verübten Gräuel in dieser Form gar nicht erst geschehen wären, hätte die Regierung den Eindruck gewonnen, unter Beobachtung zu stehen und für ihr Tun zur Rechenschaft gezogen zu werden."

Kisenkoetter zufolge sind öffentlich zugängliche Berichte und Transparenz gerade mit Blick auf die Tatsache, dass das Friedensabkommen zwischen dem Nord- und dem Südsudan von 2005 keine Mechanismen zur Ahndung von Menschenrechtsverbrechen der Süd-Süd-Gewalt beinhalt, extrem wichtig. "Das ist genau der Grund, warum die UN und die internationale Gemeinde ihre Rolle, für Gerechtigkeit und politische Versöhnung einzutreten, ernst nehmen sollten. Diese Aufgabe dem militärischen Sieger zu überlassen, wäre der größte Fehler." (Ende/IPS/kb/2014)


Link:

http://www.ipsnews.net/2014/02/transparency-urged-u-n-s-south-sudan-mission/

© IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH

*

Quelle:
IPS-Tagesdienst vom 3. Februar 2014
IPS-Inter Press Service Deutschland GmbH
Marienstr. 19/20, 10117 Berlin
Telefon: 030 / 54 81 45 31, Fax: 030 / 54 82 26 25
E-Mail: contact@ipsnews.de
Internet: www.ipsnews.de


veröffentlicht im Schattenblick zum 5. Februar 2014