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MIO/001: Medienhetze gegen die Bundesverdienstkreuzträgerin Felicia Langer (SB)


Die israelische Menschenrechtsanwältin Felicia Langer erhielt das Bundesverdienstkreuz

Ehrung des jahrzehntelangen Kampfes für die Rechte des palästinensischen Volkes stößt auf heftige Kritik


Selten hat die Würdigung eines Menschen in Deutschland so hohe Wellen geschlagen wie die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Felicia Langer am 16. Juli 2009 in Tübingen.

In einer Stellungnahme [1] äußerte Dieter Graumann, Vizepräsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, in drastischen und beleidigenden Worten sein Unverständnis über die Entscheidung des Bundespräsidenten. Das American Jewish Committee in New York forderte Horst Köhler auf, die Entscheidung noch einmal zu überdenken, und die beiden jüdischen Publizisten Ralph Giordano und Arno Lustiger kündigten dem Staatsoberhaupt schriftlich an, ihre eigenen Bundesverdienstkreuze zurückzugeben, wenn Frau Langer der Orden nicht wieder aberkannt werden würde. [2]

Doch der Versuch, die Ehrung Felicia Langers für ihr Lebenswerk durch lautstarke Polemik und die Diskreditierung ihrer Person zu schmälern, und Druck auf die Entscheidungsträger auszuüben, bleibt schon aufgrund der unsachlichen und leicht zu widerlegenden Argumentation wirkungslos, auch wenn die ewig gleichen Anwürfe auf zahlreichen israelfreundlichen Webseiten wiedergekäut wurden.

Die Friedensaktivistin Felicia Langer, israelische Schriftstellerin und Menschenrechtsanwältin, kämpft seit Jahrzehnten für die Rechte des palästinensischen Volkes. Die 1930 in Polen geborene Tochter eines jüdischen Rechtsanwalts floh 1939 vor den Nazis in die Sowjetunion und wanderte 1950 zusammen mit ihrem Mann, der fünf Konzentrationslager überlebte, nach Israel aus. Dort studierte sie Jura.

Mitte der 1960er Jahre eröffnete Felicia Langer in Tel Aviv eine eigene Anwaltspraxis, in der sie vor allem unterprivilegierte Mandanten verteidigte. Sie wurde Mitglied der Kommunistischen Partei Israels und deren Zentralkomitee, aus der sie Anfang der 90er wieder austrat. Die von den Israelis praktizierte Unterdrückung der Palästinenser nach dem Sechstagekrieg im Juni 1967 sowie die Besetzung des Westjordanlandes und des Gaza-Streifens entsetzten sie. Sie verlegte ihre Anwaltskanzlei nach West-Jerusalem und begann, sich für Frieden und Gerechtigkeit und insbesondere für Menschenrechte zu engagieren. Als erste israelische Rechtsanwältin verteidigte sie palästinensische Opfer israelischer Willkür vor israelischen Militärgerichten. Ihre Klienten berichteten über Folterungen, erzwungene Geständnisse, völkerrechtswidrige Deportationen und sippenhaftähnliche Bestrafungen wie beispielsweise das Niederreißen der Häuser von Verdächtigen. Wegen dieses ungleichen Kampfes wurde sie von den Palästinensern hoch geachtet, von den meisten Israelis hingegen beschimpft und bedroht. 23 Jahre lang setzte Felicia Langer sich auf diese Weise für Gerechtigkeit ein, doch 1990 während der Ersten Intifada schloß sie ihr Anwaltsbüro in Jerusalem aus Protest gegen die Besatzungspolitik, die, wie sie sagt, das Recht zur "Farce" verkommen läßt. Sie verließ Israel und lebt seither in Deutschland.

"Meine Lehre aus dem Holocaust war und ist, angesichts jeglichen Unrechts und Verbrechens nicht zu schweigen, sondern alle Formen von Rassismus und Antisemitismus zu bekämpfen und die Würde und Rechte der Menschen, wer auch immer sie sein mögen, zu verteidigen", faßt Felicia Langer ihr Lebensmotto in ihrem Buch "Quo vadis Israel? Die neue Intifada der Palästinenser" zusammen. [3]

Diesem Engagement ist Felicia Langer auch in Deutschland treu geblieben. Sie hat nicht geschwiegen, sondern unermüdlich über die Verletzung der Menschenrechte und des Völkerrechts durch das israelische Besatzungsregime aufgeklärt. Am 16. Juli 2009 wurde ihr hierfür das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse überreicht.

Felicia Langer ist ein politischer Mensch, dessen Überzeugung stets sein Handeln bestimmt und die Voraussetzung dafür bildet, sich nicht einschüchtern zu lassen, sondern seinem Engagement gegen Ungerechtigkeit und Unmenschlichkeit treu zu bleiben. "Das humanitäre Lebenswerk von Felicia-Amalia Langer ist beeindruckend. Sie hat sich in herausragender Weise für Frieden und Gerechtigkeit sowie für die Wahrung der Menschenrechte eingesetzt. Ihr jahrzehntelanges Wirken für Benachteiligte und Unterdrückte verdient großen Respekt und höchste Anerkennung", sagte Staatssekretär Hubert Wicker bei der Überreichung des Ordens.

Auf die scharfe Kritik von Dr. Dieter Graumann, dem Vizepräsidenten des Zentralrats der Juden in Deutschland, der die Verleihung des Bundesverdienstkreuzes an Felicia Langer als "ein fatales Signal, mit dem die völlig einseitige Hetze gegen Israel belohnt und legitimiert wird" [1] bezeichnet, reagierte das Staatsministerium Baden-Württemberg, das den Antrag für diese Würdigung Langers an das Bundespräsidialamt weitergeleitet hatte, mit folgender Stellungnahme [4]:

Die Auszeichnung von Felicia Langer würdigt ihre humanitären Verdienste unabhängig von politischer, weltanschaulicher oder religiöser Motivation. Im Zentrum steht dabei ihr Einsatz für hilfsbedürftige Personen ohne Ansehen von Nationalität oder Religion vor dem Hintergrund ihrer eigenen Vergangenheit als massiv vom Holocaust Betroffene. Die Entscheidung zur Verleihung des Verdienstordens ist auf Vorschlag des Oberbürgermeisters von Tübingen, wo Frau Langer wohnt, unter einvernehmlicher Einbeziehung aller im üblichen Ordensverfahren beteiligter Stellen einschließlich des Auswärtigen Amtes getroffen worden. Die Auszeichnung wurde von Bundespräsident Köhler verliehen und von Staatssekretär Wicker überreicht.

Seit der Einführung des Bundesverdienstkreuzes 1951 durch den damaligen Bundespräsidenten Theodor Heuss wurde die Auszeichnung bis Anfang 2009 ungefähr 240.000 mal verliehen "für Leistungen, die im Bereich der politischen, der wirtschaftlich-sozialen und der geistigen Arbeit dem Wiederaufbau des Vaterlandes dienten, und soll eine Auszeichnung all derer bedeuten, deren Wirken zum friedlichen Aufstieg der Bundesrepublik Deutschland beiträgt." [5]

Der Versuch, dieser Preisverleihung ihre politische Bedeutung abzusprechen - und sei es nur, um zu beschwichtigen und der scharfen Kritik den Wind aus den Segeln zu nehmen -, muß schon deshalb fehlschlagen, weil nicht nur jedes gesellschaftliche und soziale Engagement auch politischer Natur ist, sondern weil darüber hinaus das Bundesverdienstkreuz per se ein politischer Orden ist, wird er doch im Namen des Bundespräsidenten verliehen.

Wer wie Felicia Langer sein Leben lang gegen alle Widrigkeiten für die Durchsetzung von Menschenrechten gestritten hat, wird diesem medialen Wellenschlag die Bedeutung beizumessen wissen, die ihm gebührt, und in seinem Engagement unbeirrt fortfahren.


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Anmerkungen:

[1] www.honoestly-concerned.org
[2] www.spiegel.de/politik/deutschland/0,1518,637343,00.html
[3] Felicia Langer, "Quo vadis Israel? Die neue Intifada der Palästinenser", Lamuv Verlag, Göttingen 2001.
[4] Staatsministerium Baden-Württemberg, Pressestelle
[5] Wikipedia

Weitere Informationen:
- www.felicia-langer.de
- Das Palästina Portal http://www.arendt-art.de/deutsch/palestina/

22. Juli 2009