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OFFENER BRIEF/009: Moratorium für Agrotreibstoffe und Kolumbien-Besuch (ask)


ask Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien

Offener Brief an die Schweizer Bundesrätin Frau Doris Leuthardt


Luzern/Bern, 7. August 2009

Moratorium für Agrotreibstoffe und Kolumbien-Besuch

Sehr geehrte Frau Bundesrätin

Die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien ask hat im letzten Jahr mit Unterstützung namhafter Organisationen eine öffentliche Kampagne unter dem Titel "Mit Vollgas in den Hunger. Brot statt Agrotreibstoffe!" durchgeführt.

Hauptziel der Kampagne war die Sensibilisierung der Schweizer Bevölkerung über die Konkurrenz zwischen Teller und Tank, welche durch die Lancierung von Agrotreibstoffen für grosse Teile der armen Bevölkerung in Ländern des Südens tödliche Konsequenzen hat. In zahlreichen Ländern kam es deshalb bereits zu Hungerrevolten. Jean Ziegler, ehemaliger UNO-Sonderbeauftragter für das Recht auf Nahrung, brachte die Grundproblematik auf den Punkt: "Wenn Nahrungsmittel dazu gebraucht werden, um Treibstoff zu gewinnen, ist das ein Verbrechen an den Hungernden der Welt."

Agrotreibstoffe sind auch keine Lösung des Energie- und Umweltproblem. Die grossflächigen Monokulturen, die intensive Bewässerung, die Verwendung von enormen Mengen von Kunstdüngern und Pestiziden und der Einsatz von genmanipuliertem Saatgut führen nicht nur zur Verdrängung von Kleinbauern, sondern auch zur Zerstörung wertvoller Ökosysteme und zur Abholzung von Regenwald.

Der forcierte Anbau von Energiepflanzen ist in vielen Ländern mit direkter Gewalt verbunden: Gewaltsame Landnahme, Landraub, Ermordung und Vertreibung von Kleinbauern und ihren sozialen Führungspersonen und damit Verletzung elementarster Menschenrechte. Kolumbien ist eines der Länder, in der eine aggressive Anbaupolitik von Ölpalmen und anderen Pflanzen zur Gewinnung von Agrotreibstoff direkt zu Landraub, gewaltsamer Vertreibung von Hunderttausenden von Personen und ganzer Gemeinschaften , zu Morden an Führungspersonen und zur Verletzung internationaler Rechte (z.B. der ILO-Konvention 169) geführt hat. Der am Montag, 15. Juni 09 im SF DRS ausgestrahlte Film "Der Palmölkrieg" des Schweizers Frank Garbely gibt ein eindrückliches Zeugnis dieser für Schwarzen- und Bauerngemeinschaften tödlichen Expansionsstrategie des Anbaus von Pflanzen für die Treibstoffgewinnung. Begleitet werden diese Gemeinschaften u.a. auch von Priestern der Bethlehem Mission Immensee BMI, die damit ein hohes Risiko auf sich nehmen.

Sehr geehrte Frau Bundesrätin, zusammen mit Tausenden von Schweizerinnen und Schweizern fordern wir Sie deshalb auf,

sich für ein internationales Moratorium für Agrotreibstoffe aus industrieller Produktion einzusetzen;
umgehend ein fünfjähriges Moratorium für die Anwendung industriell produzierter Agrotreibstoffe in der Schweiz zu erlassen;
auf die Steuerbefreiung für Agrotreibstoffe zu verzichten.

Mit diesem Brief möchten wir Sie über die unhaltbaren Menschenrechtsverletzungen im Zuge des offensiven und gewaltsamen Ausbaus von Monokulturen für die Gewinnung von Agrotreibstoff in Kolumbien informieren und Ihnen die von Tausenden von SchweizerInnen und einer Parlamentsmehrheit mitgetragenen Forderung nach einem Moratorium für industriell erzeugte Agrotreibstoffe unterbreiten.

Sehr geehrte Frau Bundesrätin, die Produktion von Agrotreibstoffen in Kolumbien und das Freihandelsabkommen mit Kolumbien sind in diesem seit Jahrzehnten von einem blutigen internen Konflikt gezeichneten Land direkt konfliktfördernd und dem Aufbau eines Friedens mit sozialer Gerechtigkeit diametral entgegen gesetzt. Wir begrüssen und unterstützen die Politik des EDA für eine politische Lösung des bewaffneten Konfliktes, zur Förderung der

Menschenrechte und des Friedens in Kolumbien. Wir bitten Sie, im Namen einer kohärenten und glaubwürdigen Aussenpolitik der Schweiz keinerlei Abkommen oder Massnahmen zu schliessen oder zu fördern, welche diesen schwierigen Bemühungen einer Friedenssuche entgegen laufen.

Wir danken Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

Mit freundlichen Grüssen
Für die Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien ask

Bruno Rütsche
Fachstellenleiter Frieden und Menschenrechte

Kopien an:
- Schweizer Botschaft in Kolumbien, Botschafter Didier Pfirter
- Seco
- Thomas Greminger, EDA, PA IV

Caritas Schweiz, Swissaid, Fastenopfer, Brot für alle, Bethlehem Mission Immensee BMI, terre des hommes schweiz, Solifonds, Fachstelle OeME, OeME Kommission Bern, Verkehrsclub der Schweiz VCS, greenpeace und Schweizerische Energiestiftung SES

Nach neuesten Angaben des UNHCR weist Kolumbien die höchste Zahl interner Flüchtlinge auf.

Treibstoffe, welche aus organischen Abfällen, Gülle oder Holzindustrieabfällen für den lokalen Markt produziert werden, können durchaus sinnvoll sein. Unter Agrotreibstoffen verstehen wir agroindustriell und energieintensiv hergestellte Treibstoffe aus Pflanzen.


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Quelle:
Pressemitteilung: 14.08.2009
Herausgeber: ask Arbeitsgruppe Schweiz-Kolumbien
Fachstelle Frieden & Menschenrechte
Postfach 7004
CH-6000 Luzern 7
Telefon/Fax 041 210 64 68
E-Mail: fachstelle.luzern@askonline.ch
Internet: www.askonline.ch


veröffentlicht im Schattenblick zum 18. August 2009