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OFFENER BRIEF/061: Sanders, Omar rufen zum Schutz der Entwicklungsländer vor dem wirtschaftlichen Ruin auf (Pressenza)


Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin, 28. Mai 2020

Sanders, Omar und über 300 Politiker aus aller Welt rufen zum Schutz der Entwicklungsländer vor dem wirtschaftlichen Ruin auf

Nachricht aus der Redaktion New York


Senator Bernie Sanders (I-Vt.) und die Abgeordnete Ilhan Omar (D-Minn.) wendeten sich am 13. Mai 2020 zusammen mit mehr als 300 Parlamentariern aus zwei Dutzend Ländern in einem Brief an die Führung der Weltbank und des Internationalen Währungsfonds (IWF). Sie forderten die internationalen Finanzinstitutionen auf, angesichts der COVID-19-Krise den einkommensschwachen Ländern ihre Schulden zu erlassen und eine umfangreiche finanzielle Unterstützung bereitzustellen, um einen globalen wirtschaftlichen Zusammenbruch abzuwenden.

"Diese Krise führt uns vor Augen, dass wir als globale Gemeinschaft handeln müssen - wir stecken da wirklich alle gemeinsam drin. Das bedeutet, dass wir die Schwächsten unter uns schützen müssen", sagte Sanders. "Angesichts einer schrecklichen Pandemie und einer weltweiten Rezession können wir nicht zulassen, dass arme Länder Gelder, die für den Schutz der Gesundheit und Sicherheit ihrer Bevölkerung eingesetzt werden sollten, zur Tilgung der erdrückenden Schuldenlast verwenden. Wir können nicht zulassen, dass diesen Ländern die Mittel vorenthalten werden, die sie zum Kauf von Nahrungsmitteln, Medikamenten, Schutzausrüstungen und medizinischer Ausrüstung benötigen. Die Schritte, die unsere internationale Koalition von Gesetzgebern vorschlägt, sind nicht drastisch. Es ist das Mindeste, was diese Finanzinstitutionen tun sollten, um eine unfassbare Zunahme von Armut, Hunger und Krankheit zu verhindern, die Hunderte Millionen von Menschen bedroht".

"Dies ist eine globale Wirtschafts- und Gesundheitskrise, wie wir sie noch nie in unserem Leben erlebt haben", sagte Rep. Omar. "Wir als globale Gemeinschaft müssen diese Gelegenheit ergreifen, um denen, die leiden, Erleichterung zu verschaffen, indem wir den Nationen, die sich das nicht leisten können, ihre Schulden erlassen. Als größter Beitragszahler zum IWF und als führende Kraft hinter der Gründung der Weltbank sollten die Vereinigten Staaten bei diesen Bemühungen die Führung übernehmen. Die breite Unterstützung für diese Maßnahme auf allen sechs Kontinenten - einschließlich ehemaliger Staatschefs - erfüllt mich mit Demut. Wir sind alle global vernetzt und müssen als Gemeinschaft handeln, um aus dieser Krise herauszukommen".

Die UNO sagt voraus [1], dass die Coronavirus-Krise die weltweite Armut um bis zu einer halben Milliarde Menschen erhöhen könnte. Das sind 8 % der Weltbevölkerung. Das Welternährungsprogramm schätzt, dass sich die Zahl der Menschen, die durch die Weltwirtschaftskrise an den Rand des Verhungerns gedrängt wurden, infolge der Pandemie von 135 Millionen auf 265 Millionen verdoppeln [2] könnte. Aktuell liegt die Auslandsverschuldung der Entwicklungsländer [3] bei 11 Billionen Dollar, von denen in diesem Jahr 3,9 Billionen Dollar zur Tilgung fällig werden. Vierundsechzig [4] Länder geben derzeit mehr Geld für die Schuldentilgung aus, als für die Gesundheitsversorgung.

"Die vorübergehende Aussetzung und Stundung der Schulden wird nicht ausreichen, um diesen Ländern dabei zu helfen, der raschen und nachhaltigen Bewältigung der aktuellen Krise voll und ganz Vorrang einzuräumen", schrieb die Koalition der Gesetzgeber und forderte die Leiter der Weltbank und des IWF auf, stattdessen "eine starke Führung zu übernehmen, um einen umfassenden Schuldenerlass und finanzielle Hilfe für alle verarmten Nationen zu gewähren, die am stärksten von den verheerenden menschlichen Kosten und den lang anhaltenden wirtschaftlichen Schäden von COVID-19 bedroht sind". Dazu gehört auch der Einsatz von "Billionen von Dollar" an globaler Liquidität - die als Sonderziehungsrechte bekannt sind und keine Kosten verursachen -, um "eine größere Zunahme von Armut, Hunger und Krankheit zu verhindern".

Die an der Initiative beteiligten Politiker decken das gesamte ideologische Spektrum ab - vom progressiven britischen Parlamentsabgeordneten Jeremy Corbyn bis zum argentinischen Rechtsanwalt Carlos Menem, der als Präsident Argentiniens in den 1980er und 1990er Jahren Sparmaßnahmen erließ.

Zu den namhaften Unterzeichnern gehören Ricardo Monreal, Mehrheitsführer des Senats in Mexiko, Golriz Ghahraman, Abgeordneter der Grünen Partei in Neuseeland, der französische Abgeordnete Jean-Luc Mélenchon, Adam Bandt, Vorsitzender der Grünen in Australien, die israelischen Knesset-Mitglieder Ofer Cassif, Aida Touma-Sliman und Ayman Odeh, Maya Fernandez Allende, Enkelin von Salvador Allende, und der kolumbianische Senator Gustavo Petro. Zu Sanders und Omar gesellten sich auch der US-Senator Dick Durbin (D-Ill.) und die Abgeordneten Chuy García (D-Ill.), Grijalva (D-Ariz.), Jayapal (D-Wash.), Lee (D-Calif.), Norton (D-D.C.), Ocasio-Cortez (D-N.Y.), Pocan (D-Wis.), Pressley (D-Mass.), Rush (D-Ill.) und Tlaib (D-Mich.).


Gesamter Text:

David Malpass, Weltbank
Kristalina Georgieva, Internationaler Währungsfonds

CC:
Präsident Alberto Fernández, Argentinien
Premierminister Scott Morrison, Australien
Präsident Jair Bolsonaro, Brasilien
Premierminister Justin Trudeau, Kanada
Präsident Xi Jinping, China
Bundeskanzlerin Angela Merkel, Deutschland
Präsident Emmanuel Macron, Frankreich
Präsident Narendra Modi, Indien
Präsident Joko Widodo, Indonesien
Präsident Sergio Mattarella, Italien
Premierminister Shinz Abe, Japan
Präsident Andrés Manuel López Obrador, Mexiko
Präsident Wladimir Putin, Russland
König Salman bin Abdulaziz Al Saud, Saudi-Arabien
Präsident Cyril Ramaphosa, Südafrika
Präsident Moon Jae-in, Südkorea
Präsident Recep Tayyip Erdogan, Türkei
Premierminister Boris Johnson, Vereinigtes Königreich
Präsident Donald Trump, Vereinigte Staaten
Präsidentin Ursula von der Leyen, Europäische Kommission

Sehr geehrter Präsident Malpass und sehr geehrte Direktorin Georgieva,

Parlamentsmitglieder aus aller Welt schreiben Ihnen, um einen umfassenden Schuldenerlass für die Länder der Internationalen Entwicklungsorganisation (IDA) durch alle wichtigen internationalen Finanzinstitutionen (IFI) während dieser globalen COVID-19-Krise zu beantragen.

Wir freuen uns, dass die Weltbankgruppe (WBG) und der Internationale Währungsfonds (IWF) bereits Schritte unternommen haben, um den ärmsten Ländern der Welt Schuldenerlass und -aussetzung zu gewähren. Die jüngste Ankündigung des IWF, 25 Mitgliedsländern vorübergehend einen Schuldenerlass zu gewähren, ist eine ermutigende Entwicklung, aber es sind noch viel umfassendere und langfristigere Unterstützungsmaßnahmen erforderlich.

Deshalb rufen wir alle führenden Politiker der G-20 Länder und die Finanzinstitute (IFIs) dazu auf, allen IDA-Ländern während dieser beispiellosen Pandemie die Schuldverschreibungen zu erlassen. Die vorübergehende Aussetzung und Stundung der Schulden werden nicht ausreichen, um diesen Ländern dabei zu helfen, der raschen und nachhaltigen Bewältigung der aktuellen Krise in vollem Umfang Vorrang einzuräumen. Die gefährdeten Gemeinschaften, die nicht über die Ressourcen und Möglichkeiten verfügen angemessene Maßnahmen im Bereich der öffentlichen Gesundheit zu ergreifen, werden letztlich der unverhältnismäßig hohen Belastung durch das Coronavirus ausgesetzt sein. Infolgedessen werden globale Versorgungsketten, Finanzmärkte und andere vernetzte Börsen weiter gestört und destabilisiert.

Wir rufen Sie außerdem dringend dazu auf, eine größere Emission von Sonderziehungsrechten (SZR) zu unterstützen, um den Entwicklungsländern dringend benötigte finanzielle Unterstützung zukommen zu lassen. Es ist davon auszugehen, dass die von der Pandemie ausgelöste Wirtschaftskrise weitaus verheerender sein wird, als die globale Finanzkrise von 2009, als die SZR zuletzt eingesetzt wurden. Wir stimmen mit der Schätzung der geschäftsführenden Direktorin Georgieva überein, dass aktuell ein Finanzbedarf von mindestens 2,5 Billionen USD für Entwicklungsländer besteht. Eine Emission von SZRs im Wert von mehreren Billionen von Dollar wird erforderlich sein, um eine größere Ausbreitung von Armut, Hunger und Krankheit zu verhindern.

Aus diesem Grund haben wir nicht nur die humanitäre Verpflichtung, den Ländern dieser Petition in ihrer äußersten Not zu helfen, sondern es liegt im Interesse der Gemeinschaft umfassende Hilfe für einen Wiederaufbau und den wirtschaftlichen Aufschwung zu leisten. Als internationale Gemeinschaft können wir diese Pandemie nur überwinden, wenn sie für alle beendet ist.

Aus diesen Gründen fordern wir die Weltbank und den Internationalen Währungsfonds nachdrücklich auf, eine starke Führungsrolle zu übernehmen, um allen verarmten Nationen, die am meisten von den verheerenden menschlichen Verlusten und den andauernden wirtschaftlichen Schäden von COVID-19 bedroht sind, umfangreiche Schuldenerleichterungen und finanzielle Unterstützung zu gewähren. Wir bitten Sie, mit den entsprechenden bilateralen und multilateralen Partnern zusammenzuarbeiten, und spätestens 15 Tage nach Erhalt dieses Schreibens eine Antwort zu übermitteln.

Es liegt in unserem gemeinsamen öffentlichen Gesundheits-, Sicherheits- und Wirtschaftsinteresse, dass wir uns zusammenschließen und mutig handeln, um den schwächsten Nationen unter uns zu helfen. Wir sind bereit, mit Ihnen zusammenzuarbeiten und sofortige und langfristige Lösungen zu unterstützen, um zu gewährleisten, dass fragile, mittellose Länder die Flexibilität und Führung erhalten, die sie brauchen, um humanitäre Krisen zu verhindern, die öffentliche Gesundheit zu schützen und die globale Stabilität während dieser Krise und weit über ihr Ende hinaus für wohlhabende Nationen zu fördern.

Ilhan Omar, Member of Congress, United States
Bernard Sanders, Senator, United States

Liste der zusätzlichen Unterzeichnenden [5]


Die Übersetzung aus dem Englischen wurde von Hilde Montgomery vom ehrenamtlichen Pressenza-Übersetzungsteam erstellt.


Anmerkungen:
[1] https://www.wider.unu.edu/news/press-release-covid-19-fallout-could-push-half-billion-people-poverty-developing-countries
[2] https://www.nytimes.com/2020/04/22/world/africa/coronavirus-hunger-crisis.html
[3] https://www.brookings.edu/blog/future-development/2020/04/13/what-to-do-about-the-coming-debt-crisis-in-developing-countries/
[4] https://jubileedebt.org.uk/press-release/sixty-four-countries-spend-more-on-debt-payments-than-health
[5] https://www.sanders.senate.gov/newsroom/press-releases/sanders-omar-lead-300-global-lawmakers-in-call-to-protect-developing-countries-from-economic-ruin


Der Text steht unter der Lizenz Creative Commons 4.0
http://creativecommons.org/licenses/by/4.0/

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Quelle:
Internationale Presseagentur Pressenza - Büro Berlin
Reto Thumiger
E-Mail: redaktion.berlin@pressenza.com
Internet: www.pressenza.com/de


veröffentlicht im Schattenblick zum 30. Mai 2020

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