Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → MEINUNGEN

STANDPUNKT/017: Es geht um weltweite Expansionsziele (Gerhard Feldbauer)


Es geht um weltweite Expansionsziele

Von Gerhard Feldbauer, 1. Juni 2010


Bundespräsident Hort Köhler drückte sehr verhalten aus, was Äußerungen aus Kreisen von Wirtschaft und Politik schon seit langem zu entnehmen ist: Dass deutsche Soldaten wieder weltweit Krieg führen, um den Anteil des deutschen Kapitals an der Weltherrschaft, um Einflusssphären und Rohstoffressourcen. Zuletzt hatte Kriegsminister von und zu Guttenberg im Interview für "Die Zeit" (28. Jan. 2010) erklärte, es handele sich dort "in der Gesamtregion um ein Kerngebiet, bei dem deutsche Sicherheitsinteressen aber auch Wirtschaftsinteressen berührt sind". Protest wurde nicht bekannt. Wie sieht diese Berührung aus?

Dieses "Kerngebiet" bildet im geostrategischen Raum Eurasiens mit dem Balkan, dem Nahen und Mittleren Osten einen Knotenpunkt weltweiter Expansionsstrategien der konkurrierenden imperialistischen Mächte. Afghanistan grenzt an Iran, zentralasiatische Nachfolger-Staaten der UdSSR, an China, Indien und Pakistan, ist Zentrum der Kontrolle und Beherrschung der Energieversorgung. Die Lagerstätten des kaspischen Raumes werden ohne Iran auf 18 Milliarden Tonnen Erdöl und 24 Billionen Kubikmeter Gas geschätzt. Hinzu kommen zahlreiche bis heute kaum ausgebeutete Bodenschätze wie Steinkohle, Erdgas, Eisenerz, Chrom, Kupfer, Blei, Zinn, Schwefel, Bauxit, Mangan und Gold.

Im Nahen Osten geht es um den Zugriff auf 137 Milliarden Tonnen Erdöl und 78 Billionen Kubikmeter Gas. In Kosovo, wo 2.600 Kosevo Force der Bundeswehr stationiert sind, hat die Bundesrepublik sich federführend an der Abspaltung dieses Gebietes von Restjugoslawien (seinem Kernland Serbien) beteiligt, um Zugriff auf die dortigen Erzvorkommen zu erhalten. Sie werden allein in der Trepca-Mine im Norden auf 25 Milliarden Euro veranschlagt. Hinzu kommen auf rund 8,7 Millionen geschätzte Braunkohlevorkommen. Zu den Bewerbern dieser Rohstoffressourcen gehören, wie die "Financial Times Deutschland" bereits am 6. Dezember 2007 schrieb, die deutschen Energiemonopole RWE und EnBW.

2005 nahmen 75 Bundeswehrsoldaten in Sudan an der UN-Mission UNMIS teil, die angeblich der Sicherung des Friedensvertrages zwischen der Regierung in Khartum und der südsudanesischen Volksbefreiungsfront SPLM dienen sollte. Tatsächlich ging und geht es um den Zugang zum erdölreichen Süden, von wo deutsche Konzerne (Siemens, Thyssen/Krupp, Strabac und Thormählen) neben einer Bahnlinie auch eine Pipeline für den Öltransport in Richtung Indischer Ozean bauen.

Die Pläne für die heutige Durchsetzung deutscher Expansionsziele wurden schon kurz nach dem Zusammenbruch des Ostblocks und des folgenden Anschlusses der DDR entworfen. Dazu trafen sich im September 1991 auf einem von der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeberverbände, der Führung der Hardthöhe zusammen mit der rechtsaußen angesiedelten Clausewitz-Gesellschaft veranstalteten sogenannten "Fürstenfeldbrucker Symposium" führende Vertreter der Industrie- und Bankenwelt mit hochrangigen Generälen der Bundeswehr mit Ex-Verteidigungsminister Ruppert Scholz an der Spitze. Das konzipierte Expansionsprogramm verkündete die Rückkehr zu weltweiter Aggressionspolitik als Wiederherstellung der "Normalität" Deutschlands und umschrieb die Teilnahme am Kampf um den Weltherrschaftsanspruch als "Partner in Leadership" mit den USA. Unmissverständlich war von Militäreinsätzen der Bundeswehr out of Area die Rede, von ihrer Umstrukturierung zur Herstellung der Einsatzfähigkeit entlang einer 4.000 km langen EU-Außengrenze, der Bildung eigener Eingreifkräfte, die das "Selbstbestimmungsrecht" von Minderheiten und "unterdrückten" Völkern durchsetzen, sich der Gefährdung von Rohstoffzufuhr, der Begegnung von Immigrationswellen und diversen ähnlichen Problemen zuwenden sollten. Dazu wurde ein neues Geschichtsbild gefordert, mit Auschwitz und Holcaust Schluss zu machen und statt dessen "Nation und Vaterland" als Inhalt zu gestalten. In diesen Debatten wie verabschiedeten Denkschriften und ähnlichen derartigen Deklarationen wurde übrigens Klartext gesprochen, war von keinem Kampf gegen den Terrorismus die Rede. Dieser Vorwand wurde erst später mit dem 11. September 2001 geschaffen.

Im Rahmen der Revidierung der Nachkriegsordnung ging es in Fürstenfeldbruck auch bereits um die Zerschlagung Jugoslawiens. Ruppert Scholz erinnerte daran, dass "der Jugoslawienkonflikt unbestreitbar fundamentale gesamtdeutsche Bedeutung" habe, da mit ihm "die wichtigsten Folgen des zweiten Weltkrieges überwunden und bewältigt" werden, weshalb "Kroatien und Slowenien völkerrechtlich unmittelbar anerkannt werden" müssten. Die so bezweckte Internationalisierung des Konflikts ermögliche, so der deutsche Ex-Verteidigungsminister, international in Jugoslawien zu intervenieren, wozu die BRD dann, gefolgt von Österreich und dem Vatikan, den Weg frei machte.

Dem Berliner Auslandsjournal German Foreign Policy vom 1. Juni 2010 zufolge hat Köhler nur ausgesprochen was zentrale handlungsleitende Dokumenten der Bundesrepublik längst "als Kriegsgrund" nennen. "Tatsächlich ist die Berliner Kriegsdebatte schon längst fortgeschritten und nennt geostrategische Vorteile in der Rivalität gegenüber China ebenso als Motiv für Militäreinsätze wie die Stärkung staatlicher Kooperation innerhalb der EU. Die Berliner Publizistik kündigt neuen Imperialismus und eine Wiederkehr des Kolonialismus an, fragt, ob 'gescheiterte, verlorene oder schlichtweg lebensunfähige Staaten nicht mit einem Dasein als Protektorat besser bedient' seien, und denkt ausdrücklich über künftige 'Energiekriege' nach." Das Journals vermerkt, dass das weltpolitische Ausgreifen Berlins in Teilen der Regierungsapparate mit einer deutlichen Verschiebung nach rechts einhergeht. So habe sich der ranghöchste Militärberater der Kanzlerin schon vor Jahren als ein Anhänger Carl Schmitts zu erkennen gegeben. Schmitt werde von Kritikern als "geistiger Wegbereiter des Nationalsozialismus eingestuft."


Von unserem Autor erschien gerade in der Schriftenreihe "Konsequent" der DKP Berlin Nr. 2/2010 die Monografie "Krieg - das deutsche Kapital führt ihn wieder - weltweit. Die Bundeswehr wurde seit ihrer Geburtsstunde darauf vorbereitet.


*


Quelle:
© 2010 Gerhard Feldbauer
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 2. Juni 2010