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STANDPUNKT/033: Ergänzung zu "Zum 20. Jahrestag der sogenannten Einheit Deutschlands" (Falkenhagen)


Eine Ergänzung zu den Ausführungen
"Zum 20. Jahrestag der sogenannten Einheit Deutschlands" von Brigitte Queck
(*)

Von Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen, 20. Oktober 2010


Der Artikel von Frau Brigitte Queck ist gut geschrieben, er fokussiert den Untergang der DDR und damit des fortschrittlichen Systems des Sozialismus stark auf die DDR-Führung. Da galt es sicherlich vieles leitungs- und kadermäßig zu verbessern und zu optimieren, aber die Bedingungen eines Zusammenbruchs der DDR bestanden bei Weitem nicht und wurden auch nicht von der SED-Führung bewusst herbeigeführt. Die DDR war ein vorbildlicher Sozialstaat mit einer gut entwickelten Industrie und Landwirtschaft. Es gab keine Versorgungsprobleme bei den Grundbedürfnissen der Menschen. Dass die gemessene Arbeitsproduktivität niedriger als in Westdeutschland war, ist richtig, im Weltmaßstab lag sie aber bis zuletzt nicht schlechter als unter den 20 industriellen Spitzenstaaten der Welt. Die hohen sozialen Aufwendungen, der Fakt, dass eben für DDR-Verhältnisse keine Niedriglöhne gezahlt wurden und man Vollbeschäftigung sicherte, verschlechterten nur rein rechnerisch ihre Arbeitproduktivitätsdaten (Produktionsleistung, gemessen an den Kosten je Kopf der Belegschaften). Zu den Aufgabenbereich der volkseigenen Betriebe und Kombinate gehörte die Bildung beträchtlicher Kultur- und Sozialfonds. Ihnen war die Finanzierung der Betriebskantinen mit sehr billigen Essensangeboten, der Lehrlingsausbildung und Fortbildung bis zum poltechnischen Unterricht für allgemeinbildende Schulen, außer des Arbeitsschutzes auch von Aufgaben des Gesundheitswesens bis zum Unterhalt von Polykliniken, des Urlaubswesens bis zum Unterhalt von Ferien- und Erholungsheimen, Aufgaben der Kulturbetreuung bis zum Unterhalt von Kultur-Ensembles, von Kindergärten und der Rentnerbetreuung und anderes mehr an Sozialaufwendungen übertragen. In kapitalistischen Unternehmen fallen wesentlich weniger soziale Kosten an, als in sozialistischen Betrieben. Das muss man bei der Berechnung von Arbeitsproduktivitätszahlen berücksichtigen.

Die politischen Bedingungen der DDR verschlechterten sich erst radikal zum Negativen, als Gorbatschow im März 1985 in Moskau Generalsekretär des ZK der KPdSU wurde und zusammen mit Spießgesellen wie Jakowlew und Schewardnadse den Großen Verrat einleitete, den er unter den Begriffen Perestroika und Glasnost tarnte. Der Perestroika und Glasnost lag unter dem Etikett der radikalen Verbesserung des Sozialismus, der Effektivitätssteigerung des Wirtschaftssystems und einer schnellen Steigerung des Volkswohlstands die heimtückische Absicht zugrunde (Alexander Jakowlew bekennt es ganz offen in seinem Memoirenwerk, Dämmerung - russ. Sumerki, Verlag Materik, Moskau, 2003 (ISBN 5-85646-097-9-, andere Memoirenschreiber der ehemals sozialistischen Länder bestätigen das Gleiche), den Sozialismus zu demontieren, zu zerschlagen und zu einem bourgeoisen kapitalistischen System überzugehen. Die Strategie von Gorbatschow beinhaltete von Anbeginn an, wie er auch selbst bekannte, die Demontage des Sozialismus und die Auflösung des sozialistischen Weltsystems als Ziel. Das kann man nicht anders als Hochverrat nennen. Gorbatschow konnte seine hochverräterischen Pläne kraft der Machtfülle seines Amtes als Parteiführer und dann noch als Vorsitzender des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR (de jure Staatsoberhaupt) durchsetzen, obwohl seine Politik frühzeitig im Sowjetvolk und in der Partei nicht nur auf Skepsis, sondern auch auf Widerstand stieß. Den politischen Widerstand ließ er ziemlich brutal unterdrücken, ganz im Gegensatz zu den verkündeten Prinzipien der Demokratie, und er schreckte auch von der Eliminierung bis zur heimtückischen Ermordung von politischen Gegnern und ernsthaften Kritikern nicht zurück.

Unter diesen Bedingungen befand sich die DDR-Führung in einer prekären Lage. Sie stand unter dreifachem Druck: 1. Dem Druck von Gorbatschow und seinen Mannen, auch so etwas wie eine verräterische Perestroika und Glasnost durchzuführen, 2. unter dem Druck der Konterrevolutionäre aus Polen und Ungarn. (Ungarn öffnete z. B. die Grenze für DDR - Flüchtlinge am 11. September 1989, womit wieder wie bis zum 13. August 1961 die Bedingungen für einen personellen Ausblutungsprozess der DDR bestanden, wenn die Fluchtbewegung zu dieser Zeit auch nur eine kleine DDR-Minderheit betraf) und 3. der nach wie vor anhaltenden und sich verstärkenden Propaganda aus dem Westen und Westdeutschland, wo man die DDR-Bevölkerung mit einem Wohlstandsmodell der sozialen Marktwirtschaft als kapitalistisches systemauseinandersetzungsbedingtes Ausnahmemodell beeinflussen konnte. Dieses Wohlstandsmodell, das an sich den Interessen kapitalistischer Profitmaximierung diametral widersprach, beeindruckte zweifellos durch seinen Schaufenstereffekt auch viele DDR-Bürger und -Bürgerinnen, es konnte dann in der Tat auch ab den Tag der sog, deutschen Wiedervereinigung demontiert werden und wird schrittweise total abgeschafft. Die Systemauseinandersetzung schien für die westlichen Politiker beendet zu sein, so dass sie nun auf Wohlstand für alle verzichten zu können glaubten. Es wurde ab nun der Sozialabbau bis zum Sozialkahlschlag eingeleitet und nur noch sozialdemagogisches Tacheles gesprochen. Manche nennen als 4. Ursache die Demonstrationen der DDR-Bevölkerung. Die Demonstrationen einiger DDR-Bürger und -Bürgerinnen waren aber nicht eine wesentliche Ursache der Beseitigung der DDR, denn den Demonstranten ging es überwiegend um die Verbesserung der Verhältnisse in einer weiter existierenden sozialistischen DDR, denn für Massenarbeitslosigkeit und Deindustrialisierung wollte wohl kaum jemand demonstrieren.

Nach der Lehre des Marxismus/Leninismus war die Entwicklung, wie sich ab dem Datum der sog. Wiedervereinigung vollzog (Massenarbeitslosigkeit, Sozialabbau bis zur Verelendung bereiter Kreise der Bevölkerung, Demontage des staatlichen Gesundheitssystems usw.), klar absehbar.

Mit den Vorgängen in Moskau ab 1985 stellte sich schon unter Honecker eine zunehmende Verunsicherung bis zur Hilflosigkeit ein. Das gipfelte im Rücktritt von Erich Honecker am 18. Oktober 1989, der allerdings auch krankheitsbedingt war. Die Hilflosigkeit setzte sich infolge der Verweigerung jeglicher Rückendeckung seitens der UdSSR, die noch an die 500000 Sowjetsoldaten in der DDR stationiert hatte, bei seinem Nachfolger Egon Krenz fort. Die Maueröffnung (Beseitigung des antifaschistischen Schutzwalls) am 9. November 1989, die es westlichen Einflussagenten nun massenweise ermöglichte, DDR-Boden quasi unkontrolliert zu betreten, setzte schon Wegmarken für die Beendigung der Existenz der DDR. Die erste wichtige regierungspolitische Vorentscheidung zum Zusammenbruch der DDR fiel aber erst mit der putschartigen Absetzung von Egon Krenz, dem man den Zutritt zu seinen Arbeitsräumen im SED-Gebäude in einer Nacht- und Nebelaktion sperrte und der dann offiziell am 3. Dezember 1989 als Generalsekretär des ZK der SED, kurz danach als Vorsitzender des Staatsrates und Verteidigungsrates der DDR zurücktreten musste. Sein Sturz wurde Egon Krenz mitgeteilt, noch während er am Alexanderplatz in Berlin, in der Nähe des Palastes der Republik vor versammelten Bürgern und Bürgerinnen eine Rede hielt. (Der völlig konsternierte Krenz brach dann seine Rede ab. Dafür gibt es einige Hundert Zeugen). Das war eine mit Gorbatschow abgestimmte Aktion. Gysi, der genau genommen die Führung der SED an sich gerissen hatte, wurde dann auf einem Sonderparteitag der SED zum Vorsitzenden der SED gewählt, die er in PDS umbenennen ließ. Unter seiner Führung und unter der eingesetzten Modrow-Regierung kam es zu Verhandlungen über die Währungsunion, die wie Frau Queck richtig darstellt, den wirtschaftlichen Kollaps der DDR-Wirtschaft einleitete. Der Chef der DDR-Regierung, Modrow, verhandelte über das Angebot von BRD-Bundeskanzler Kohl über die Schaffung einer Währungs- und Wirtschaftsunion schon ab 13. Februar 1990. Der Vertrag über die Schaffung einer Währungs-, Wirtschafts- und Sozialunion, wie sie offiziell genannt wurde, wurde aber erst am 18. Mai 1990 abgeschlossen. Ihm folgte noch am 28. Mai ein Staatsvertrag zwischen der BRD und DDR. Das geschah somit erst, als die de Maizière-Regierung schon im Amt war. Diese Regierung arbeitete nach den Volkskammer-Wahlen im März 1990 nun konsequent auf den schnellen Anschluss der DDR an Westdeutschland hin. Die Wähler und Wählerinnen hatten ihr aber dazu nicht mehrheitlich den Auftrag erteilt. De Maizière hatte im Namen der CDU der DDR vor den Volkskammerwahlen im März noch versprochen, die Interessen der DDR-Bevölkerung entschieden zu verteidigen. De facto wurde über den Anschluss der DDR an die BRD über die Köpfe der DDR-Regierung und der Volkskammerabgeordneten hinweg in Bonn und Moskau entschieden. Mitspracherechte bestanden nur formal.

Die Währungsunion trat am 1. Juli 1990 in Kraft. Aber noch hing Entscheidendes vom Verhalten der UdSSR, aber auch der Westmächte ab, auch wenn Kohl die Vorbedingungen des Anschlusses der DDR zur BRD schon mit Gorbatschow im Sommer 1990 ausgehandelt hatte. Noch gab es Widerstand gegen ein wiedervereinigtes Deutschland seitens von Großbritannien (Premierministerin Thatcher), dem französischen Präsidenten Mitterand und auch seitens solcher Staaten wie Italien. Die USA wollten ein wiedervereinigtes Deutschland auf jeden Fall in der NATO haben. Das setzte die Zustimmung der Führung der UdSSR voraus. Gorbatschows Bestechlichkeit und Korruptheit wurde nun von Kohl gnadenlos ausgenutzt. Sein Wunsch auf eine Geldspritze von anfangs 25 Mrd. DM wurde von Kohl damit beantwortet, dass er erklärte, ohne die Regelung der deutschen Frage gibt es keinen Pfennig. Das war natürlich keine Erpressung. Die UdSSR war auf diese Hilfe nicht angewiesen. Sie hatte schon genügend Deviseneinnahmen u.a. aus dem Gasgeschäft. Aber der Bestechlichkeit Gorbatschows kam das durchaus entgegen, der das Geld jetzt auch für seine persönlichen Zwecke einkassieren wollte. Der Bau von Häusern für in die UdSSR aus der DDR zurückkehrende Offiziere und Unteroffiziere der Sowjetarmee war mehr oder minder nur ein vorgeschobener Grund für den Bestechungsvorsatz von Helmut Kohl. Er reichte schließlich 15 Mrd. DM rüber. Die endgültige Entscheidung zur Wiedervereinigung Deutschlands fiel dann mit dem Zwei+Vier-Vertrag vom 12. September 1990 (Vertrag über die endgültige Lösung der deutschen Frage). Die sog. Wiedervereinigung wurde dann am 3. Oktober 1990 vollzogen.

Die Aufgabe des Sozialistischen Weltsystems durch Gorbatschow beinhaltete auch die Aufgabe der DDR als Staat des Warschauer Vertrages und Comicons (Rats für Gegenseitige Wirtschafshilfe). Er ließ schon, bevor er die DDR für 15 Mrd. DM an Helmut Kohl verschacherte, die konterrevolutionären Kräfte in Polen und Ungarn walten und schalten, wie sie wollten, er ermutigte und unterstützte sie sogar in ihrem Tun. Als er feststellte, dass sich dennoch Staaten wie die DDR, CSRR, Rumänien und Bulgarien, die VR China, Vietnam, Kuba, Nordkorea, als innenpolitisch relativ stabil erwiesen, stellte er auch dort konterrevolutionäre sozialismusfeindliche Kräfte auf die Beine, wobei er vorgaukelte, den Sozialismus perfektionieren zu wollen.

Was hätte die DDR-Führung unter diesen Bedingungen machen können? Sie hätte mehr die hinterhältigen Machenschaften der Klassenfeinde, der Feinde des werktätigen Volkes aufdecken können, sie hätte versuchen können, zusammen mit der CSRR, Bulgarien. Rumänien, auch der VR China usw. eine Art Abwehrfront aufzubauen, womit man zweifellos die Anti-Gorbatschow-Kräfte auch in der UdSSR entscheidend gestärkt hätte, die hätten dann den Anti-Gorbatschow-Putsch nicht erst im August 1991, sondern erfolgreich schon 1989 inszenieren können. Da das nicht geschah oder nur sehr zaghaft geschah, dafür kann man Teilen der SED-Führung eine Mitschuld oder Verrat am Sozialismus vorwerfen. Möglichkeiten der Gegensteuerung schwanden aber bereits, als ab April 1990 die de Maizière-Regierung im Amt war und Gorbatschow mit Bundeskanzler Kohl schon die "Wiedervereinigung" perfekt gemacht hatte. Damit hing auch die Aufgabe jeglicher wirtschaftlichen und militärischer Unterstützung seitens der UdSSR zusammen, ab jetzt gab es so gut wie keine Hoffnung mehr, die DDR als selbständigen Sozialstaat und damit den Sozialismus sowie die Friedenspolitik in der DDR zu retten.

Deutlich zeichneten sich die hochverräterischen Absichten Gorbatschows schon früh klar ab, z. B. als er Reformen der Wirtschaft durch Ausbau des Genossenschaftssektors sowie Teilprivatisierung oder Zulassung von privaten und halbstaatlichen Klein- und Mittelbetrieben unter Festhalten an den Kommandohöhen von Politik, Wirtschaft und Kultur, vor allem an strategisch wichtigen Großbetrieben, den Banken und Versicherungen, der Infrastruktur (Energiewirtschaft, Wasserwirtschaft, Verkehrswesen, Post und Telekommunikation Gesundheitswesen u.a.) und der Währungspolitik in Staatshand zurückwies und er statt eine reale Steigerung der Effizienz der Wirtschaft blankes Chaos zu organisieren begann. Gorbatschow wurde stattdessen Schrittmacher bei der renditeträchtigen Privatisierung der reichen Rohstoffressourcen der UdSSR an superprofitgeile Gangster vom Schlage eines Michail Chodorkowski.

Gorbatschow wies auch die Bildung einer zweiten kommunistischen Partei zurück und ließ stattdessen, wenn er das gestattete, nur bourgeoise Parteien und Vereinigungen zu. Er bemerkte dazu, dass die Kommunisten wir ja selber sind. Die Bildung einer schlagkräftigen 2. Partei der Arbeiter- und Bauernklasse frei vom Revisionismus wäre für Gorbatschow in der Tat äußerst gefährlich geworden. Nicht nur Nina Andrejewa und ihr Lebensgefährte Kluschin waren Anhänger dieser Idee, sondern zuletzt sogar eine Mehrheit des ZK der KPdSU. Höchstwahrscheinlich wären die Mehrheit der KPdSU-Mitglieder und viele weitere Sowjetbürger und -bürgerinnen sofort aus Protest gegen Gorbatschow dieser neuen Partei beigetreten.

Obwohl die ehemalige DDR zweifelsfrei bis zuletzt zu den 20 führenden Industrie- und Wohlfahrtstaaten der Welt zählte (immerhin unter über 190 UNO-Staaten, was für einen Staat mit nur 16-17 Mio. Einwohnern beachtlich war) und viele Statistiker auch im Westen sie zumindest zeitweilig unter die zehn führenden Industriestaaten der Welt einordneten, gab es natürlich an den Verhältnissen Einiges zu kritisieren. Das hätte man mit den Prinzipien von Kritik und Selbstkritik in den Griff bekommen können.

Was gab es im Detail für Mängel? So war die Personalpolitik nicht optimal. Durch das gesicherte Recht auf Bildung und Fortbildung für jeden war die Begabtenauslese auch in der DDR zwar optimal gesichert, im Gegensatz zu der im Kapitalismus stattfindenden Negativauslese, weil dort in die höherbezahlten Kreise fast nur die Abkömmlinge der dekadenten Oberschichten gelangen. Auch wurden die ausgebildeten Kräfte in der DDR entsprechend ihrer Qualifikation und Leistungsbereitschaft in Beschäftigungsverhältnisse gebracht, aber man hätte in den Führungsebenen vieles noch besser gestalten können. Es gab auch Erscheinungen der Überalterung führender Politiker, die zu kritisieren waren. Man hätte Politiker genau so bei Erreichen der Altersgrenze und schlechtem Gesundheitszustand in Rente schicken müssen, wie das bei der Masse der Bevölkerung üblich war. Ausnahmen bei Altersrüstigkeit hätte es natürlich geben können, wie sie sie auch bei der berufstätigen Bevölkerung allgemein gab.
Die Vollbeschäftigung war unbedingt weiter zu sichern.

Ein Fehler war das unbedingte Festhalten am staatlich verordneten Atheismus und der Fakt, dass Religionen nur geduldet wurden. Man hätte unter Christen, auch z. B. Muslimen viel mehr Leute im Sinne des Sozialismus orientieren können, denn auch der Kommunismus basiert streng historisch genommen in vieler Hinsicht auf der Morallehre fortschrittlicher Religionen.
Agitation und Propaganda waren zu lasch und defensiv sowie auch zu dogmatisch.
Den Geist der freien Diskussion hätte man mehr fördern müssen. Fehlerdiskussionen zu entfachen, das sollte man nicht nur den Gegnern des Sozialismus überlassen. Es galt die Grundlagen des Sozialismus mit seinem vorbildlichen Sozialsystem entschiedener zu propagieren und zu verteidigen. Fehler hätte man konsequenter abstellen müssen. Die führende Rolle der Partei der Arbeiter- und Bauernklasse als Partei der Werktätigen und Geistes- und Kulturschaffenden war richtig. Man hätte auch durchaus statt der führenden Rolle einer Partei der Arbeiter- und Bauernklasse zwei Parteien der Arbeiter- und Bauernklasse sowie Geistes- und Kulturschaffenden zulassen sollen, wobei das bestehende System der Blockparteien mit Parteien anderer verbündeter Klassen weiter hätte zugelassen werden sollen, darunter christliche und islamische Parteien, Parteien der privaten Gewerbetreibenden usw.

In echten Volkswahlen wären die Abgeordneten des Parlaments und anderer Volksvertretungen zu wählen gewesen. Nur konterrevolutionär-bourgeoise Parteien und Vereinigungen hätten dann als verfassungswidrig verboten werden müssen. Dazu hätte man ein sozialistisches Verfassungsgericht schaffen können, dass aus gewählten, dem Sozialismus verpflichteten Volksrichtern besteht. Eine reaktionäre gesellschaftspolitisch nach rückwärts gerichtete Politik war und ist natürlich im Sozialismus unzulässig, da sie volksfeindlich ist. Insofern war und ist der Sozialismus auch mit allen legalen Mitteln zu verteidigen. Die Grundrechte und Freiheiten im Sinne der "Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte der Vereinten Nationen" können nur Grundrechte und Freiheiten der Werktätigen, der Geistes- und Kulturschaffenden sein. Sie dürfen nicht das Recht und die Freiheit der Ausbeutung, der Herrschaft einer ausbeutenden Minderheit über die Mehrheit des Volkes beinhalten, schon gar nicht dürfen sie der Kaschierung der Diktatur einer zügellos ausbeuterischen kleinen Minderheit zu deren persönlichen grenzenlosen parasitären Bereicherung dienen.

Ein effizienteres Modell, einer sozialistischen Gesellschaftsordnung stand und steht immer auf der Tagesordnung. Leistung muss sich auch im Sozialismus lohnen, aber Einkommen physischer Personen sind progressiv steigend zu versteuern, wobei für Spitzeneinkommen durchaus ein Einkommensteuersatz von 50 Prozent angemessen ist. Verantwortungsübernahme, Entfaltung von Eigeninitiative und auch Wettbewerb sind integrale Bestandteile einer sozialistischen Gesellschaftsordnung. Schon bestandene Formen der Verantwortungsübernahme und Delegierung von Aufgaben, des Wettbewerbs, der freien Entfaltung des Erfindergeistes usw. waren und sind deswegen zu verstärken und weiterzuentwickeln.

Eine sozialistische Gesellschaftsordnung bildet auch die Voraussetzung für einen wirksamen Umwelt - und Artenschutz, insbesondere auch für saubere Luft in der Welt, weil sie durch ihre planungsgestalterischen Möglichkeiten und Potenzen kraft der Autorität der Staaten und ihrer gewählten Parlamente und Volksvertretungen dazu die einzige reale Möglichkeit bietet. In einer maximalprofitorientierten Ausbeutergesellschaft ist ein effizienter Umwelt- und Artenschutz, wie auch schon die Erfahrungen zeigen, praktisch unmöglich.


(*) siehe im Schattenblick unter:
www.schattenblick.de -> Infopool -> Politik -> Meinungen -> Standpunkt
STANDPUNKT/028: Zum 20. Jahrestag der sogenannten Einheit Deutschlands (Brigitte Queck)


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Quelle:
Copyright 2010 by Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen
mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 27. Oktober 2010