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STANDPUNKT/187: Die Interessen der USA im asiatisch-pazifischen Raum (Jürgen Heiducoff)


Die Interessen der USA im asiatisch-pazifischen Raum

von Jürgen Heiducoff, April 2012



Während sich die Vereinten Nationen und einige Staaten mit den aktuellen Problemen der Kriegsgefahr im Nahen und Mittleren Osten auseinander setzen, haben die USA bereits ihre nationale Sicherheit der nächsten Jahrzehnte fest im Blick.

Im asiatisch-pazifischen Raum bereiten sie langfristig den Kriegsschauplatz der Zukunft vor! Dort kann es künftig durch die mögliche Konfrontation mehrerer nuklear hochgerüsteter Staaten zu Spannungen und militärischen Auseinandersetzungen kommen.

Vor wenigen Tagen begannen die USA mit den ersten Verlegungen militärischer Verbände in ihren künftigen Handlungsraum. Im wesentlichen durch die deutschen Medien nicht wahrgenommen sind Anfang April die ersten 180 der geplanten 2500 US Marineinfanteristen im nordaustralischen Darwin eingetroffen.

Unter dem Titel "Als Teil des Abkommens treffen US Marines in Australien, in Chinas Hinterhof ein" schrieb die New York Times am 05.04.2012, dass nach einem bilateralen Abkommen zwischen den Vereinigten Staaten und Australien neben der Stationierung der Marineinfanterieeinheiten auch die Nutzung australischer Militärflugplätze durch US Flugzeuge sowie eine verstärkte Schiffs- und U-Boot Präsenz der USA in der Marinebasis Perth an der australischen Westküste vorgesehen sei. Des weiteren werde noch die Stationierung von amerikanischen Langstrecken-Aufklärungsdrohnen auf den zu Australien gehörenden Cocos-Inseln im Indischen Ozean verhandelt. (1)

Die USA intensivieren zudem die militärische Zusammenarbeit mit Singapur, den Philippinen, Thailand, Taiwan, der Republik Korea, Australien, Vietnam und anderen Partnern. Weitere gemeinsame Ausbildungsmaßnahmen militärischer Verbände und Flottenmanöver sollen das Vertrauen zwischen den Streitkräften dieser Staaten vertiefen und nebenher das gemeinsame Feindbild pflegen.

Im Grunde geht es dabei um den Zugriff auf die Spratlyinseln, kleine unbewohnte Inseln zwischen den Philippinen und Vietnam. Es geht um Bodenschätze, Fischgründe und die Kontrolle über Handelsrouten. Auf etwa 40 der mehr als hundert Eilande befinden sich militärische Stellungen verschiedener Staaten.

In der zweiten Aprilhälfte findet die gemeinsame maritime Übung "Balikatan 2012" ("Schulter an Schulter") mit bis zu 7000 Mann US- und philippinischer Truppen im Südchinesischen Meer statt.

Zeitgleich üben im Gelben Meer vor der chinesischen Küste die Besatzungen von mehr als 20 chinesischen und russischen Kampf- und Versorgungsschiffen. Diese chinesisch-russische Marineübung "Maritimes Zusammenwirken 2012" soll zu Frieden und Stabilität in der Region beitragen.

Die USA möchten weitab vom eigenen Territorium die Meerengen und Seegebiete zwischen dem Pazifischen und Indischen Ozean militärisch kontrollieren. Das Gebiet ist eine der Hauptschlagadern für die exportorientierte chinesische Wirtschaft. Die Sicherheit der Handelsschifffahrt von und nach China ist von vitalem Interesse für die Volksrepublik.

Admiral Samuel Locklear, Chef des amerikanischen Pazifik-Kommandos, hatte im Februar im Verteidigungsausschuss des US Senats erklärt: "Wir sind eine Großmacht in Asien. Die Chinesen und die anderen Länder der Region müssen begreifen, dass die USA bereit sind, dort ihre nationalen Interessen zu verteidigen." (2)

Chinas exportorientierte Wirtschaft steigt unaufhaltsam weiter. Der Absatz der Produkte und der Import der Rohstoffe wird hauptsächlich über den Schiffsverkehr abgewickelt. Seine Beeinträchtigung würde zu empfindlichen Störungen ökonomischer Prozesse führen.

Betrachtet man nun den Zugang zu den Weltmeeren Chinas einerseits und der USA andererseits werden deutliche Nachteile für China erkennbar. Während die USA über große Häfen sowohl an der Westküste als auch an der Ostküste und damit über direkte Zugänge zum Pazifischen und Atlantischen Ozean verfügt, ist China deutlich benachteiligt. Der gesamte Frachtverkehr muss über Häfen an der Ostküste und über den Pazifischen und Indischen Ozean abgewickelt werden. Dabei stellen besonders die Inseldurchfahrten und Meerengen zwischen diesen beiden Weltmeeren eine Art Nadelöhr dar.

Und genau hier setzen die Vereinigten Staaten mit ihrer neuen Strategie an. Durch intensivere politische und wirtschaftliche Einflussnahme in Anrainerstaaten dieser Meerengen wie den Philippinen, Singapur, Thailand, Taiwan, Korea, Australien und anderen Partnern und durch die Verdichtung und den Ausbau ihrer militärischen Präsenz schaffen sich die USA die Möglichkeit, Chinas lebenswichtige Seewege zu kontrollieren und bei Bedarf zu stören. Nicht ansatzweise findet man Analogien im Vorgehen Chinas gegen die USA.

Die Neuausrichtung der US-Strategie auf den asiatisch-pazifischen Raum stellt nichts anderes dar, als die Einnahme einer strategischen Ausgangslage zur Beeinträchtigung und Blockade der Zugänge Chinas zu den Weltmeeren.

Diese neue Strategie ist unter dem Titel "Amerikas Pazifisches Jahrhundert" in der Novemberausgabe 2011 des US Magazins "Foreign Policy" durch die US-Außenministerin Hillary Clinton verkündet worden. "Die Zukunft der Politik wird in Asien ... entschieden werden und die Vereinigten Staaten werden direkt im Zentrum des Geschehens sein." - so lautet die Leitthese. (3)

Eine breit verteilte militärische US-Präsenz im Raum zwischen dem Indischen und Pazifischen Ozean biete große Vorteile, so Clinton. So würden die Vereinigten Staaten besser positioniert sein, um humanitäre Missionen zu unterstützen und mit den Partnern robuster gegen Bedrohungen für den regionalen Frieden und Stabilität vorzugehen. Die USA wollten Partner, die anderer Auffassung sind zu Reformen und zu besserer Regierungsführung sowie zum Schutz von Menschenrechten und politischen Freiheiten auffordern. Der Beitrag schließt mit dem Ausblick ab, dass Amerika für die nächsten 60 Jahre in der asiatisch-pazifischen Region präsent und dominant bleiben werde. (3)

Es ist alles offen gesagt. Die praktische Umsetzung der amerikanischen Pläne hat begonnen.

Doch leider ist dies kaum ein Thema in unserem Land.

Woran liegt das? An der geografischen Entfernung? An den Kriegen der Gegenwart?

Oder wieder einmal daran, dass es sich nicht gehört, den strategischen Partner USA kritisch zu bewerten?

Sind der Pazifische und Indische Ozean zu weit entfernt, dass man in Deutschland kein Interesse für die Ereignisse dort zeigt?

Anmerkungen:
(1)‍ ‍http://www.nytimes.com/2012/04/05/world/asia/us-marines-arrive-darwin-australia.html
(2)‍ ‍laut "Kommersant" http://de.rian.ru/politics/20120406/263284572.html
(3)‍ ‍http://www.foreignpolicy.com/articles/2011/10/11/americas_pacific_century

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Quelle:
© 2012 Jürgen Heiducoff
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. April 2012