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STANDPUNKT/767: Vietnam - Autos bauen statt Schuhe nähen (Stefan Kühner)


Vietnam: Autos bauen statt Schuhe nähen

- Vietnam will anspruchsvolle Industriearbeitsplätze schaffen
- Bei Hai Phong entsteht eine riesige Fabrik für 200.000 Fahrzeuge pro Jahr
- VinFast baut SUVs, Limousinen und Elektro-Fahrzeuge

von Stefan Kühner, 23. Mai 2018


Vietnam will eigene Autos bauen und baut dafür vor den Toren der Hafenstadt Hai Phong in Windeseile einen riesigen Komplex an Fabriken für die Produktion von eigenen Motorrollern und Autos. Bei einem Besuch der Baustellen informierte sich Vietnams Ministerpräsident Nguyen Van Phuc Mitte Mai 2018 über den Stand des ehrgeizigen Projekts eines privaten Unternehmens. Die Fahrzeuge mit den Markennamen VinFast sollen den Wunsch nach einem eigenen Auto in Vietnam befriedigen. Bereits im September 2018 sollen die ersten Motorroller von Band laufen. Im Sommer 2019 sollen ein hochwertiger SUV und eine Mittelklasse-Limousine folgen und Ende 2019 kleine PKW mit Elektroantrieb. Mittelfristig soll der Ausstoß bei 100.000 bis 200.000 Einheiten jährlich liegen.

VinFast ist ein Kunstwort aus 'Vietnam' und 'fast' (schnell). Der neue Automobil-Hersteller ist Teil eines erst 2003 gegründeten vietnamesischen Konzerns mit dem Namen VinGroup.

Vietnams Einstieg in die Automobilindustrie ist nur einer von vielen Schritten in der Neuorientierung seiner Wirtschaft. Jahrelang setzte Vietnam als Modell für wirtschaftliche Entwicklung auf die billige Arbeitskraft seiner Bevölkerung. Das Ziel war "Fabrik für die Welt" zu sein und Schuhe, Kleidung, Laptops, Handys zu fertigen sowie Reis und Kaffee zu pflanzen und Pangasius zu züchten.

Vietnam hat allerdings erkannt, dass damit eine gute wirtschaftliche Zukunft nicht gesichert werden kann. Das Land will weg von der Bekleidungs- und Schuhindustrie, in der in Vietnam und seinen Nachbarländern acht Millionen Menschen für einen Monatslohn von 200 bis 300 US-Dollar schuften. Der Grund für den Wechsel ist das, was man 4. Industrielle Revolution nennt. Das schnelle Voranschreiten der automatischen Fertigung könnte die billige Handarbeit in den arbeitsintensiven Industrien schneller verschwinden lassen, als vorhergesagt. Nach einer Studie der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) sind in Vietnam 86%, In Kambodscha 88% und in Indonesien 64% dieser Arbeitsplätze gefährdet.

Vietnam bereitet sich deshalb auf einen schnellen Wandel vor. Einer der Wege, den das Land einschlägt, ist eine Wirtschaft mit hochwertigen und industriell anspruchsvollen Arbeitsplätzen zu schaffen. Dazu gehört unter anderem der Aufbau einer eigenen Automobilindustrie.

Die Fabrik soll nicht einfach ein Auto von einem internationalen Automobilhersteller zusammen schrauben, sondern eigene Fahrzeuge speziell für den vietnamesischen Markt entwickeln und produzieren. Unterstützungen holen sich Vietnams Autobauer allerdings durch Experten für den Motorenbau und anderer Fahrzeug-Kernkomponenten aus Europa und den USA. Für das Design der Karosserien haben sie sich den italienischen Designer Pininfarina an Bord geholt. Auch bei der Besetzung der Unternehmensleitung greift VinFast auf Personal aus der westlichen Automobil-Industrie zurück. CEO (Geschäftsführer) wurde ein ehemaliger General Motors Mann mit dem Namen James B. Deluca. Stellvertreter ist Vo Quang Hue, zuvor Chef von BOSCH Vietnam. Der weltweit agierende Konzern sicherte sich auch gleich die ersten Verträge als Zulieferer. Außerdem will BOSCH mit speziellen Ausbildungsprogrammen für Fachkräfte das Automobilprojekt unterstützen. Die duale Berufsausbildung in Deutschland soll dabei als Vorbild verwendet werden.

Der Bau der Autofabrik erfolgt auf einem Gelände von 335 Hektar und soll bis zu 25.000 Jobs bringen. 60% der in den Autos verbauten Teile sollen lokal gefertigt werden.

Der Wunsch zum eigenen Auto ist in Vietnam, wie fast überall auf der Welt, sehr groß. In den letzten zehn Jahren stieg der Verkauf von Personenkraftwagen in Vietnam nach Angaben von carsalesbase.com von 30.000 auf ca. 200.000 Einheiten. Der vietnamesische Autohersteller puscht den Wunsch nach dem Auto durch eine geschickte Marketingstrategie. Einige der futuristischen Entwürfe legte der junge Autobauer im März 2018 300 000 Vietnamesen in einem Contest "Wählt das schönste Auto" vor. Zwei Modelle eines Elektroautos und eine kleine Limousine wurden gewählt.


Quellen:

[1] Viet Nam news Online; 14.05.2018
PM hopes for Vingroup's contributions to domestic auto industry
http://vietnamnews.vn/economy/427888/pm-hopes-for-vingroups-contributions-to-domestic-auto-industry.html#VWDAQ6ZYKYeHUrEa.97

[2] Viet Nam news Online; 22.03.2018,
VinFast introduces 2 electric cars, 1 small sedan
http://vietnamnews.vn/economy/424913/vinfast-introduces-2-electric-cars-1-small-sedan.html#auEReflsCzd0yUbb.97

[3] Vietnam Investment Review Online 02.09.2017;
Vingroup to manufacture "Made in Vietnam" automobiles
http://www.vir.com.vn/vingroup-to-manufacture-made-in-vietnam-automobiles.html

[3] Viet Nam News Online 27.09.2017; Vingroup appoints foreign CEO for VinFast
http://english.vietnamnet.vn/fms/business/187253/vingroup-appoints-foreign-ceo-for-vinfast.html

[5] Voice of Vietnam Online 13.10.2017;
Bosch becomes VINFAST's supplier of automotive parts
http://english.vov.vn/economy/bosch-becomes-vinfasts-supplier-of-automotive-parts-360260.vov

[6] ASEAN in transformation: Textiles, clothing and footwear: refashioning the future
Jae-Hee Chang, Phu Huynh, Gary Rynhart;
International Labour Office, Bureau for Employers' Activities (ACT/EMP);
ILO Regional Office for Asia and the Pacific. - Geneva: ILO, 2016

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Quelle:
© 2018 by Stefan Kühner
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 26. Mai 2018

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