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STREITSCHRIFT/018: Der "Kater" kommt gewiß! (Hans Fricke)


Der "Kater" kommt gewiss!

Von Hans Fricke, Sonntag, 30. August 2009


Politiker und Gesundbeter unter den Wirtschaftsinstituten überbieten sich vier Wochen vor der Bundestagswahl mit Meldungen und Prognosen, die angeblich darauf hindeuten, dass es mit der deutschen Wirtschaft wieder aufwärts gehe und das Schlimmste überstanden sei.

"Nichts als Wahlkampfgetöse" nennt der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. rer. pol. Heinz-J. Bontrup diese Versuche, die Lage zu beschönigen und verweist darauf, dass trotz geringer Anstiege des Bruttoinlandsprodukts (BIP) die reale Wirtschaftsleistung der BRD in diesem Jahr zwischen fünf und sechs Prozent niedriger ist als 2008. Noch nie seit Bestehen der Bundesrepublik habe es einen solchen Absturz gegeben. Den bislang schärfsten Einbruch gab es im Krisenjahr 1975 mit minus 0,9 Prozent.

Während Regierung und IG-Metall-Chef Bertold Huber nicht müde werden, von den positiven Wirkungen der Abwrackprämie zu schwärmen - Huber nennt den Zuschuss sogar "Umweltprämie" - sagen realistisch denkende Wirtschaftswissenschaftler der Autobranche nach dem Auslaufen der Prämie in etwa zwei Wochen ihr "blaues Wunder" voraus, und zwar quer durch alle Bereiche: Vom Hersteller über den Zulieferer bis zum Händler.

Analysen der Unternehmensberatung Roland Berger kommen zu dem Ergebnis, dass mit Auslaufen der Prämie 90 000 Jobs in Gefahr sind. Fast jeder zweite Autohändler stehe vor dem Aus. Der "Vorzieheffekt" werde die Verkäufer wie ein Bumerang treffen.

Gleiches gilt für die Autokonzerne. Gerade die Massenhersteller Opel, VW und Co., die am stärksten vom Abwrackboom profitierten, werden 2010 in ein tiefes Loch fallen. Dem euphorischen kollektiven Abwrackrausch folgt - wie sollte es anders sein - der Kater!

Neben einer Ausweitung der Kurzarbeit und weiteren Stellenstreichungen werden die Konzerne einen Generalangriff auf tarifliche Errungenschaften führen, wobei Opel - der erste Autobauer, in dem bereits unter Flächentarif bezahlt wird - dabei zum Vorreiter werden könnte. Wohin diese Entwicklung geht, zeigt die Forderung des Insolvenzverwalters der Muttergesellschaft Arcandor, Klaus Hubert Görg, wonach die Mitarbeiter in den Karstadt-Häusern auf 20 Prozent des Gehaltes verzichten sollen. Gestrichen werden sollen auch das Urlaubs- und Weihnachtsgeld, ebenso die Zuschläge für Früh- und Nachtschichten.

Es dürfte sicher sein, dass nach dem 27. September alle die sozialen Grausamkeiten verübt werden, die sich im jetzigen Wahlkampf keiner der Politiker zu nennen traut. Die massive Zunahme der Arbeitslosigkeit wird höhere Staatsausgaben, besonders an die Bundesagentur für Arbeit, zur Folge haben. Steuerausfälle bringen die öffentlichen Haushalte weiter unter mächtigen Druck und die Politiker werden der Bevölkerung einreden, dass sie sich auf eine wesentlich stärkere Senkung der Sozialausgaben als bisher einstellen müssten und dass es dazu keine Alternative gebe.

Das alles wird zu einer weiteren Umverteilung von unten nach oben, von "Otto Normalverbraucher" zu Josef Ackermann &Co. führen, unsere ohnehin zerrissene Gesellschaft noch weiter auseinanderreißen und den Gegensatz zwischen arm und reich vertiefen. "Die Ergebnisse dieser Politik werden fürchterlich", meint Prof. Dr. Heinz-J. Bontrup.

Das wiederum führt zur Zunahme der sozialen Spannungen und, wie zu hoffen ist, zu den längst überfälligen sozialen Unruhen - die einzige der Bevölkerung noch verbliebene Möglichkeit, sich gegen die ungebremste Fortsetzung der neoliberalen Politik, deren Grausamkeit sich nach Annahme des EU-Vertrages von Lissabon noch potenzieren wird, wirksam zu wehren.

Diese unerlässliche wirksame Gegenwehr scheint jedoch unter den Bedingungen des jahrzehntelang eingeübten, dem Kapital angenehmen und von ihm honorierten konstruktiv-friedlichen Co-Managements von Gewerkschaftsführungen wenig Aussicht auf Erfolg zu haben. Der Dank, den Bundeskanzlerin Angela am 28. August 2009 im Vorfeld eines Treffens mit den Vorsitzenden der DGB-Mitgliederorganisationen den Gewerkschaften für ihre Rolle in der Wirtschaftskrise versicherte und die Bilder, die es davon zu sehen gab, erinnern an die jahrhundertealte Erfahrung aus den Kämpfen der Arbeiterklasse: Wenn Dich Deine Gegner loben, dann machst Du etwas falsch!


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Quelle:
© 2009 Hans Fricke
mit freundlicher Genehmigung des Autors
    


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. September 2009