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LAIRE/1061: Heimischer Extremist - neues Feindbild in Britannien (SB)


Confidential Intelligence Unit - neue britische Polizeieinheit zur Bespitzelung der Bürger


Wenn in London ein freundlich wirkender junger Mann bei einer Demonstration gegen die Massaker im Gazastreifen seine Mitstreiter in ein politisches Gespräch verwickelt; wenn sich eine Mittvierzigerin an die Spitze der Proteste gegen eine dritte Landebahn am Flughafen Heathrow stellt und scheinbar aufgewühlt gegen die Polizei wettert; oder wenn ein älteres Rentnerehepaar einer Friedensorganisation beitritt, um endlich mal was gegen den Krieg zu tun, dann könnte es sich um Mitglieder der CIU, der Confidential Intelligence Unit, handeln. Diese Einheit hat den Auftrag, "domestic extremism" in der Bevölkerung ausfindig zu machen.

"Domestic extremism" läßt sich einfach übersetzen: Darunter fallen all diejenigen, die noch nicht ausreichend domestiziert wurden und deswegen von den Behörden als extrem eingestuft werden. Die CIU wird Umwelt-, Friedens-, Tierschutz- und linke wie rechte Gruppen im ganzen Land heimlich infiltrieren und observieren, wie die britische Zeitung "Mail on Sunday" online berichtete. [1] Damit schließt die CIU eine angebliche Lücke, die sich aufgetan hat, nachdem der britische Inlandsgeheimdienst MI5 seinen Schwerpunkt auf die Verfolgung des sogenannten islamischen Terrorismus gelegt hat. Die neue Einheit wird von der Acpo (Association of Chief Police Officers), der Vereinigung der Polizeichefs, aufgestellt und ist bei Scotland Yard in Zentrallondon angesiedelt, wie aus einer internen Anzeige für Polizeijobs hervorgeht, die der britischen Zeitung vorliegt.

Die CIU wird rechtliche Schritte unternehmen, um Einzelheiten ihrer Einsätze nicht öffentlich machen zu müssen, und wird eng mit Behörden, Universitätsverwaltungen und Privatunternehmen zusammenarbeiten, "um die Bedrohung durch Verbrechen und Störungen der öffentlichen Ordnung als Folge des heimischen Extremismus" zu beseitigen.

Mit der Einrichtung der CIU setzt sich ein langjähriger Trend in der britischen Gesetzgebung zur nimmer endenden Qualifizierung des Sicherheitsstaats fort. Großbritannien ist nicht nur mindestens europaweit Vorreiter im Aufstellen von Überwachungskameras, sondern auch in der Ahndung von Ordnungswidrigkeiten mit drakonischen Strafen (Asbo-System) sowie in der Anti-Terror-Gesetzgebung. Die Bürger sind so gläsern, wie es der Staat eben nicht ist. Das Ausspionieren der Bevölkerung stellt keine prinzipielle Neuerung dar, doch hat es den Anschein, als solle sie durch die CIU auf breiter Basis erfolgen.

Von der Beobachtung radikaler Tierschützer der Organisation Animal Liberation Front zur Observierung der Bird Watchers, die sich womöglich irgendwann dazu durchringen, für den Erhalt eines ökologisch wertvollen Sumpfgebiets mit seltenen Vogelarten einzutreten, ist es nur noch ein kleiner Schritt. Alle Organisationen, Vereine oder Menschen, die eine eigene Meinung vertreten, so harmlos sie auch sein mag, rücken ins Visier der CIU.

Vor einigen Jahren, unter dem Eindruck der Anschläge 2001 in den USA sowie 2005 auf U-Bahnen und einen Bus in der Londoner City, wurden in Großbritannien neue Sicherheitsgesetze verhängt. Begründet wurden sie mit der mutmaßlichen Terrorgefahr. Inzwischen genügt der Terrorismusbegriff dem Sicherheitsstaat nicht mehr zur Begründung weiterer Einschränkungen der Bürgerrechte. Es werden neue "Bedrohungen" des Staates gesucht und offenbar im "heimischen Extremismus" gefunden.

Der heimische Extremist muß nicht mehr arabisch aussehen, er muß keinen arabisch klingenden Namen tragen und auch nicht zum Islam konvertiert sein. Gefährlich macht ihn allein seine Meinung und die Bereitschaft, sie zu zeigen, sei es auch nur in den erlaubten und überwachten Bahnen einer öffentlichen Demonstration.

Für einen Staat, der sich auf bevorstehende Zeiten des Mangels und der wachsenden existentiellen Not in der Bevölkerung einstellt - beispielsweise wurden die Briten im vergangenen Jahr bereits von höchsten Regierungskreisen darauf vorbereitet, daß sie künftig nicht mehr alle Lebensmittel im Regal finden werden -, stellen eigene, das heißt nicht vorgegebene Meinungen eine Gefahr dar. Die CIU ist Bestandteil einer Sicherheitsarchitektur, die unter erheblichem Druck vorangetrieben wird, um künftige Sozialrevolten und Hungeraufstände im Vorfeld zu kontrollieren. *

Anmerkung:

[1] "Secret police unit set up to spy on British 'domestic extremists'", 7. Februar 2009.
http://www.dailymail.co.uk/news/article-1138755/Secret-police-unit -set-spy-British-domestic-extremists.html?ITO=1490

10. Februar 2009