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LAIRE/1093: Unschuldig verhaftet - Muslime in Deutschland (SB)


Windige Drohvideos im Internet lanciert

... und die Demokratie zeigt ihre Zähne


Im Internet sind in jüngster Zeit sechs Drohvideos gegen die Bundesrepublik Deutschland aufgetaucht. Sollte es nicht seine Truppen aus Afghanistan abziehen, werde Vergeltung geübt, lauten zusammengefaßt die Botschaften. In einem der Videos wurde das Oktoberfest gezeigt, in einem anderen traf der aus Bonn stammende Islamist Bekkay Harrach die Aussage: "Die Zeit ist für Deutschland reif, endlich zu begreifen, daß Afghanistan nicht das siebzehnte Bundesland ist und auch nicht ein Bierzelt, um dort das ganze Jahr Oktoberfest zu feiern." Dies wird von der Polizei als Drohung gegen das Oktoberfest aufgefaßt.

Abgesehen von einem Überflugverbot der Wiesn und deren weiträumige Absperrung mit Polizeikontrollen sowie einer besonderen Überwachung des Münchener Hauptbahnhofs wurden auch zwei Männer für die Dauer des Oktoberfestes in Gewahrsam genommen. Ihnen wird keine Straftat vorgeworfen, sie sind auch nicht irgendwie verdächtig, Anschläge verüben zu wollen. Ihnen wird zur Last gelegt, daß sie Muslime sind - in der heutigen Zeit der Sprachregulation werden sie als "Islamisten" bezeichnet -, und einer der beiden soll irgendwann einmal in persönlichem Kontakt zu Bekkay Harrach gestanden haben, die zweite Person nur in mittelbaren Kontakt über einen Bruder. Außerdem waren sie beschattet worden und haben angeblich versucht, ihre Verfolger abzuschütteln. Das wäre, so der bloße Eindruck der Beschatter zutrifft, gewiß kein unvernünftiges Handeln in einer Zeit, in der Ausländer auf offener Straße zusammengeschlagen werden, und schon gar nicht wäre das Verhalten rechtswidrig. Auf jeden Fall dürfte für junge Männer im Abschütteln von Beschattern ein gewisser sportlicher Reiz liegen.

Sollten die beiden Ingewahrsamgenommenen, die in der Presse als Hatem M. und Marouane S. geführt werden, bislang nicht radikalisiert worden sein, so könnten sie es jetzt durch diese Amtsmaßnahme werden. Man kann es auch so sehen: In Deutschland werden wieder Menschen von der Straße weg verhaftet. Dieser Vergleich zu einer vergangenen Zeit in Deutschland, als Verhaftete gefoltert, in Lager gesteckt und versklavt oder vernichtet wurden, ist absichtlich drastisch überzogen, weil, wenn die Aussage "wehret den Anfängen" ihre Gültigkeit hat, das Verhalten der bayerischen Polizei ein Anfang sein könnte. Niemand vermag zu sagen, ob sich daran ein ähnlicher Verlauf anschließt wie vor rund 75 Jahren. Aber ausschließen möchte man auch das Unvorstellbare nicht, immerhin könnte in der nächsten Legislaturperiode bereits eine Erweiterung der Kompetenzen des deutschen Inlandsgeheimdienstes, des Verfassungsschutzes, beschlossen werden. Eingedenk der Greueltaten im nationalsozialistischen Deutschland galt die strikte Trennung von Polizei und Geheimdiensten bislang als grundgesetzlicher Tabubereich, an dem nicht gerührt werden durfte, nicht einmal in Vorentwürfen für Koalitionsverhandlungen.

Der Münchener Polizeipräsident Wilhelm Schmidbauer räumte ein, daß den beiden verhafteten Männern keine Straftaten vorgeworfen werden, begründete die Verhaftung aber damit, daß mögliche Straftaten der beiden verhindert werden sollen. Solch eine selbstreferentielle Logik erschließt sich wohl nur Personen, die jahrelang im Sicherheitsbereich tätig sind. Wenn der Vorgang nicht bitterernst wäre, müßte man lachen, denn einer der beiden Männer hatte die Polizei am Tag seiner Verhaftung angerufen, um ein verdächtiges Fahrzeug vor seinem Haus zu melden.

Bis zum 4. Oktober bleiben die beiden in Haft. Dann haben die Wiesn-Besucher endlich ausgesoffen ...

29. September 2009