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LAIRE/1111: Am Vorabend des Kriegs in Jemen - Bundesmarine in Konfliktnähe (SB)


Der seit längerem von den USA niederschwellig geführte Krieg in Jemen eskaliert


So wie die Bundesrepublik Deutschland an einer Reihe von Brennpunkten der Welt militärisch zugegen ist, dürfte sie auch am vermutlich unmittelbar bevorstehenden asymetrischen Krieg der USA und ihrer Verbündeten gegen die angestammte Bevölkerung Nordjemens sowie deren Gäste bzw. gegen eingewanderte Mitglieder der Organisation al-Qaida beteiligt werden. Aufgrund der Mandatsverlängerung für die Bundeswehr an der "Operation Enduring Freedom" (OEF) für das Horn von Afrika im Dezember 2009 durch den Bundestag bleiben die deutschen Seestreitkräfte im Golf von Aden, Arabischen Meer und in der Straße von Hormuz präsent. Ob die Bundesmarine Begleitschutz für die zivile Schiffahrt wie beispielsweise Seetransporte des Welternährungsprogramms leistet oder ob sie auch an rein militärischen Konvois teilnimmt, wird sich herausstellen, sollten die USA ihre sporadischen Raketenangriffe auf die Einwohner Nordjemens ausdehnen und einen systematischen Krieg beginnen. Der droht unmittelbar, es werden bereits Ziele ausgesucht. In Washington wird unverhohlen über die Eröffnung einer dritten Front (nach Irak und Afghanistan) im globalen Krieg gegen Terror gesprochen.

Am Samstag übergab US-General David Petraeus, Oberkommandierender für Nahost und Zentralasien (USCENTCOM), dem jemenitischen Langzeitpräsidenten Ali Abdallah Saleh eine Botschaft von dessen Amtskollegen Barack Obama, in der dieser die Unterstützung der Vereinigten Staaten im Kampf gegen Terrorismus und Piraterie zusichert. Einen Tag darauf haben die USA und Großbritannien ihre Botschaften in der Hauptstadt Sanaa aus Sicherheitsgründen geschlossen. [1] Alle US-Bürger in dem arabischen Land wurden angewiesen, auf ihre Sicherheit zu achten, da Vergeltungsanschläge der al-Qaida befürchtet werden. Einheimische Botschaftsmitglieder wurden aufgefordert, zu Hause zu bleiben und auf weitere Anweisungen zu warten.

Der seit längerem niederschwellig geführte Krieg in Jemen eskaliert. Die Grenzregion zu Saudi-Arabien ist Sperrgebiet, nur vereinzelt dringen Berichte über die Folgen der jüngsten Luftangriffe der USA, Saudi-Arabiens und Jemens nach draußen. Demnach wurden Dutzende Einwohner, unter ihnen viele Kinder, verletzt oder getötet. Inwieweit die von der Regierung verfolgten zaiditisch-schiitischen Huthi-Rebellen aus dem Nordjemen überhaupt mit der aus Saudi-Arabien eingewanderten sunnitisch ausgerichteten al-Qaida paktieren, ist völlig unklar. Allenfalls wäre mit einem befristeten Zweckbündnis zu rechnen. Hier kreuzen sich zwei Konfliktlinien, die nicht zwingend etwas miteinander zu tun haben.

Im vergangenen Jahr haben die USA den Jemen mit 70 Millionen Dollar (48,9 Mio. Euro) unterstützt, Petraeus sagte jetzt eine Verdoppelung der Hilfe zu. Deutschland hatte bereits im Mai 2009 eine Mindestsumme von 79,0 Mio. Euro für Maßnahmen der bilateralen staatlichen Entwicklungszusammenarbeit für die Periode 2009/2010 vereinbart, weitere Leistungen für den Deutschen Entwicklungsdienst (DED), für Integrierte Fachkräfte des Centrums für internationale Migration und Entwicklung (CIM), für politische Stiftungen wie die Friedrich-Ebert-Stiftung, die seit 1998 über ein eigenes Büro in Sanaa verfügt, sowie für die Stipendienprogramme der Internationale Weiterbildung und Entwicklung GmbH (InWEnt), nicht eingerechnet. [2]

Jemen ist Schwerpunktland der deutschen Entwicklungshilfe, die beiden Länder blicken auf eine jahrzehntelange Zusammenarbeit zurück. Die Bundesregierung hat 1990 auch die Vereinigung Nord- und Südjemens unterstützt und dabei den Geist der "Wiedervereinigung" Deutschlands bemüht. Die sozialen Verwerfungen des Anschlusses der DDR an die BRD - hohe Arbeitslosigkeit, Landflucht, Aufblühen des Rechtsradikalismus, Verarmung, dauerhaft niedrigeres Lohnniveau als im Westen, soziokulturelle Entwurzelung, etc. - müssen bis heute durch einen engmaschigen Sicherheitsapparat und eine weit entwickelte Administration unterdrückt werden. Im Jemen gelingt dies nicht. Nach dem Zusammenschluß der beiden Staaten wurde der Norden, der selbst innerhalb des verarmten Jemen (Platz 153 von 177 von den im Human Development Index der Vereinten Nationen berücksichtigten Staaten) als besonders arm gilt, marginalisiert; rund ein Drittel der Gesamtbevölkerung erlangte nach der Vereinigung keine angemessene Repräsentanz innerhalb der Regierung. Aber auch im Südjemen kamen separatistische Bestrebungen auf, die 1994 in einen offenen Bürgerkrieg mündeten gewaltsam niedergeschlagen wurden. Deutschland hat aufgrund seiner Entwicklungshilfe zumindest indirekt mit dem Konflikt zu tun, da es ein repressives Regime unterstützt, das sich nur durch fortgesetzte Gewaltmaßnahmen an der Macht halten kann.

Durch die Beteiligung der Bundesmarine an der OEF am Horn von Afrika sowie an der EU-Militärmission "Atalanta" vor der Küste Somalias und im Golf von Aden unterstreicht die Bundesregierung Deutschland ihr reges Interesse, mindestens im Fahrwasser der imperialistisch auftretenden angloamerikanischen Kräfte mitzuschwimmen und an deren Eroberungen zu partizipieren.


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Anmerkungen:

[1] "Furcht vor Anschlägen. USA und Briten schließen Botschaften im Jemen", SPIEGEL ONLINE, 3. Januar 2010
http://www.spiegel.de/politik/ausland/0,1518,669843,00.html

[2] http://www.auswaertiges-amt.de/diplo/de/Laenderinformationen/Jemen/Bilateral.html

3. Januar 2010