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LAIRE/1226: Mit Georg Elser ist für Antikommunisten kein Staat zu machen (SB)


Späte Ehrung für gescheiterten Hitler-Attentäter Georg Elser

Königsbronn stellt Denkmal für einen Sohn der Stadt auf


Mehr als zwei Generationen hat es gebraucht, bis in der Bundesrepublik Deutschland einem gescheiterten Attentäter auf Adolf Hitler posthum zumindest eine gewisse Ehre zuteil wird, indem man ihm in der Stadt, in der er aufgewachsen ist, ein Denkmal setzt.

Denkmale für Widerstandskämpfer, wie Georg Elser einer war, besiegeln sicherlich auch dasjenige, für das sie gekämpft haben und überantworten es der Geschichte. Aber das würde es noch weitreichender, wenn man den historischen Akt des Widerstand nicht einmal durch ein Denkmal würdigte. So wurde lange Zeit mit Georg Elser umgegangen, einem Handwerker aus Königsbronn.

Er hatte im November 1939 nach monatelanger intensiver Vorbereitung versucht, mit einer Zeitzünderbombe Adolf Hitler, der im Münchner Bürgerbräukeller eine Rede hielt, umzubringen. Die Bombe ging planmäßig hoch, doch der Reichskanzler hatte seine Rede kürzer gehalten als in den Vorjahren und den Bierkeller bereits verlassen, als die Bombe explodierte. Nebel hatte einen Rückflug Hitlers nach Berlin vereitelt, so daß er die zeitaufwendigere Bahn nehmen mußte und früher abreiste. Er hatte es eilig, denn er hatte noch so viel vor ... beispielsweise einen Zweiten Weltkrieg vom Zaun brechen. Dem fielen dann schätzungsweise 55 bis 60 Millionen Menschen zum Opfer. Nur zwei Wochen nach Elsers mißglücktem Attentat erklärte Hitler vor etwa 180 bis 200 Generälen und Offizieren der Wehrmacht, daß er Frankreich angreifen werde.

Die Geschichte hätte einen anderen Verlauf genommen, wenn Hitler bei dem Attentat ums Leben gekommen wäre. Ob der Zweite Weltkrieg und die systematische Vernichtung von Juden und anderen mißliebigen Minderheiten sowie politischen Oppositionellen und als "unwert" angesehene Menschen verhindert worden wäre? Darüber läßt sich nur spekulieren. Jedenfalls könnte sich ein Diktator nicht ohne sein Umfeld an der Macht halten.

Am vergangenen Wochenende wurde in Königsbronn eine Statue zu Ehren Georg Elsers aufgestellt. In Berlin soll ihm ebenfalls ein Denkmal gesetzt werden, und in Konstanz, wo Elser beim Versuch, illegal in die Schweiz zu gehen, festgenommen wurde, erinnert seit vergangenem November eine Büste an den mutigen Mann.

Warum kommen diese Anerkennungen so spät? Ein Vergleich zu den viel bekannteren Verschwörern um Claus Schenk Graf von Stauffenberg drängt sich auf. Während Elser vorausschauend und politisch prognosesicher Hitler beseitigen wollte, als dieser gerade seine Macht ausbaute und bis dahin "nur" Polen angegriffen hatte - bitte dieses Nur nicht auf die polnische Nation im Verhältnis zu anderen Nationen zu beziehen, sondern auf die Gräueltaten, die dem Überfall auf Polen folgen sollten -, hatten die Verschwörer um Stauffenberg jahrelang Hitlers Kriege und die Einrichtung von Vernichtungslagern mitgetragen und sich erst dann gegen ihren Führer gewandt, als dessen Stern zu sinken begann. Am 20. Juli 1944 war längst klar, daß Hitler zu den Verlierern der Geschichte gerechnet würde, da hieß es für einen Teil der Generalität, den eigenen Kopf zu retten, vielleicht auch um sich mit den kommenden Siegern gutzustellen.

Doch die Pennäler der Nachkriegsgenerationen in der Bundesrepublik Deutschland bekamen im Geschichtsunterricht kaum Elsers, aber ausgiebig Stauffenbergs gescheitertes Attentat als vermeintlich wichtiges Wissen vermittelt. In dieser Bevorzugung spiegelt sich der bis heute ungebrochene Antikommunismus der bundesrepublikanischen Gesellschaft wider. Die Generäle zählten zum Establishment, Elser hingegen war ein einfacher Mensch - und er war ein Kommunist. Eine Zeitlang hatte er sich dem Rotfrontkämpferbund angeschlossen, dem paramilitärischen Kampfverband der Kommunistischen Partei Deutschland (KPD). Obgleich die Kommunisten in der Zeit des Nationalsozialismus verfolgt, in KZs gesteckt und umgebracht wurden, endete ihr Martyrium nach 1945 nicht vollständig. Kommunisten wurden nach 1945 weiter verfolgt, mußten im Gefängnis bleiben, wurden mit Berufsverbot belegt, und ihre Partei, die KPD, wurde verboten.

Elser hatte bewiesen, daß ein einfacher Mensch zur politischen Analyse fähig ist. Und er hatte daraus die Konsequenz gezogen, eine Konsequenz, die durch das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland (Artikel 20, Abs. 4) gedeckt würde. Jeder Bürger besitzt das Widerstandsrecht gegen Bestrebungen eines Staates, der die verfassungsmäßige Ordnung zerstören will. Möglicherweise dürfte ein Attentat auf einen Diktator wie Hitler verübt werden, sofern legale und friedliche Mittel, ihn von der Machtergreifung abzuhalten, nicht greifen, der Widerstand nicht der persönlichen Bereicherung dient und er mit angemessenen Mitteln ausgetragen wird.

Ein Denkmal für den baden-württembergischen Schreiner in der heutigen Zeit macht dann Sinn, wenn damit nicht nur einem vergangenen Ereignis gedacht wird, sondern wenn es als Mahnung dafür steht, daß in diesem Land der Rede- und Meinungsfreiheit sowie der Ächtung und nicht der Achtung des Kriegs stets die höchste Priorität zugesprochen wird.

P.S.: Bis zu 200 gepanzerte Fahrzeuge will Verteidigungsminister Guttenberg nach Afghanistan, wo Deutschland umgangssprachlich Krieg führt, verlegen.

12. April 2010