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LAIRE/1275: "Herausforderung" Arktis - NATO-Chef Rasmussen hofft auf friedliche Konfliktlösung (SB)


NATO hat angeblich kein Interesse an Präsenz in der Arktis


Die NATO habe kein Interesse an einer Präsenz in der Arktis, sagte Anders Fogh Rasmussen, Generalsekretär des transatlantischen Militärbündnisses, Anfang der Woche in Sankt Petersburg und führte weiter aus, daß etliche NATO-Mitgliedsländer Interesse am Hohen Norden besäßen. Was ist von einer solch feinsinnigen Unterscheidung zu halten? Vorgeblich richtet sich Rasmussen mit seiner vermeintlichen Beruhigung an Rußland, das große Teile der arktischen Region für sich reklamiert. Die weiteren Anrainerstaaten der Arktis sind Mitglieder der NATO. Insofern wirken die Worte des NATO-Chefs wie der hilflose Versuch, die Wogen zu glätten, noch bevor sie richtig aufschäumen. Der Eindruck wird durch seine weiteren Erklärungen noch bestätigt, denn Rasmussen hofft, "dass alle interessierten Länder die Kraft dazu finden werden, auf die entstehenden Herausforderungen friedlich zu antworten" [1].

Läßt sich aus diesen Worten nicht logisch herleiten, daß jene beschworene "Kraft", wenn sie noch eigens gefunden werden muß, heute noch nicht vorhanden ist? Sollte Rasmussen mit seinen Erklärungen den NATO-Konkurrenten Rußland meinen, der noch nicht die Kraft habe, trotz der Herausforderungen friedlich zu bleiben, ist seine Aussage als Affront zu werten. Meint er dagegen die eigenen Verbündeten, klingt das bedrohlich. Rußland hat zwar vor einigen Jahren in einer spektakulären Aktion eine Fahne aus Platin in über 4000 Metern Tiefe auf dem Meeresgrund am Nordpol aufgestellt, um damit seinen territorialen Anspruch zu unterstreichen, aber NATO-Mitglieder wie Kanada und die USA unternehmen einige Anstrengungen zum Ausbau ihrer militärischen Präsenz im Hohen Norden, was ein wirksameres Mittel zur Sicherung eines Territoriums sein dürfte.

Die Arktis-Anrainerstaaten bereiten sich auf eine Zeit vor, in der die Arktis sommers eisfrei bleibt und somit der Weg zum Rohstoffabbau geebnet ist. Rund um den Nordpol werden große Mengen Erdöl, Erdgas, Gold und andere wichtige Rohstoffe vermutet, insofern rückt die Klärung der territorialen Frage seit einigen Jahren zunehmend in den Vordergrund. Mit seiner langen Küstenlinie am Nordpolarmeer dürfte Rußland ein erheblicher Teil der Fläche zufallen. Noch geklärt werden muß allerdings die Frage, ob und bis wohin der untermeerische Lomonossow-Rücken zu Rußland oder zu Dänemark, deren Gebietsansprüche sich überschneiden, gehört.

Spätestens wenn das Eis in der Arktis schmilzt, wird auch die weiße Fläche von der Landkarte verschwinden, was bedeutet, daß es zu einer Entscheidung über die Besitzrechte kommen wird. Die Gefahr, daß irgendeiner der miteinander konkurrierenden Staaten eine militärische Lösung anstrebt und es zum Krieg um die Arktis kommt, ist zwar nicht die einzige Option, sie kann jedoch nicht von der Hand gewiesen werden. Wie rasch beispielsweise die NATO-Staaten den Colt ziehen und feuern, zeigen die Interventions- und Regulationskriege in Jugoslawien, Afghanistan/Pakistan, Irak und Libyen. Wobei das Kriegsziel Ressourcensicherung der Erweiterung der eigenen hegemonialen Sphäre nachgeordnet ist. Nur um an das irakische Erdöl heranzukommen, hätten die USA keinen Krieg vom Zaun brechen müssen, das hätten sie billiger haben können. Das Ziel der militärischen Intervention besteht darin, den eigenen Einfluß auf die Region auszudehnen - zu Lasten anderer Hegemonialmächte wie China und Rußland, aber auch zu Lasten von aufstrebenden Wirtschaftsnationen.

Die gegenwärtige Einkreisung Rußlands an seiner Südflanke wird in Zukunft an der nördlichen Grenze fortgesetzt. Die Kontrolle über die Arktis durch die NATO-Staaten wäre somit nicht allein eine Maßnahme der Ressourcensicherung, sondern ein geostrategisches Ziel der USA und ihres Juniorpartners Europa, deren gemeinsamer militärischer Arm NATO heißt. Diese habe nicht die Absicht, in der Arktis präsent zu sein, behauptet Rasmussen und läßt eben durch diese nicht zufällig gewählte Formulierung die Option offen, daß sich die NATO schon morgen - selbstverständlich entgegen ihrer ursprünglichen Absicht - aufgefordert fühlen könnte, eben dort Präsenz zu zeigen.

Weil die NATO selber angeblich nicht die Absicht zu einem solchen Schritt hat, bleibt logischerweise nur noch, daß allein Rußland die Schuld trägt, sollte die NATO jemals in der Arktis Präsenz zeigen. Daß sie den Schwarzen Peter zugespielt bekommen soll, kann sich auch die russische Regierung herleiten. Insofern dürfte die Aussage Rasmussens keineswegs zur Beruhigung eines durchaus angespannten Verhältnisses von NATO und Rußland beitragen.

Fußnoten:

[1] "Rasmussen: Nato plant keine Präsenz in der Arktis", RIA Novosti, 5. Juli 2011
http://de.rian.ru/politics/20110705/259672890.html

5. Juli 2011