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DILJA/1178: Honduras - Das Militär bereitet den Krieg gegen das eigene Volk vor (SB)


In Honduras tritt die Militärgewalt immer unverhüllter zutage

Nach erfolglosen Vermittlungsgesprächen in Costa Rica steht die Rückkehr Präsident Zelayas unmittelbar bevor


In der vergangenen Woche hatte Manuel Zelaya, der demokratisch gewählte und verfassungsmäßige, wenn auch vom Militär gestürzte und außer Landes verbrachte Präsident des mittelamerikanischen Landes den Putschisten, die mit Roberto Micheletti in der Rolle des "Interimspräsidenten" nichts unversucht lassen, um dem Staatsstreich einen zivil-demokratischen Tarnanstrich zu geben, ein Ultimatum gestellt, um ihm die Rückkehr in Land und Amt zu ermöglichen. Doch nichts dergleichen geschah, und so lief in der Nacht zum vergangenen Samstag das Ultimatum ebenso ergebnislos ab, wie die sogenannten Dialoggespräche, die in der Hauptstadt Costa Ricas unter Vermittlung des dortigen Präsidenten Oscar Arias am Samstag in einer zweiten Runde begannen, verbleiben sollten.

Die Demokratiebewegung bzw. Nationale Widerstandsfront der Putschgegner hatte diese Verhandlungen ohnehin als Manöver bezeichnet und kritisiert, durch das dem Putschregime Zeit verschafft werden sollte, ohne daß es auch nur zu geringfügigsten Zugeständnissen der derzeitigen Machthaber kommen würde. Präsident Zelaya erwies sich als kompromißwilliger Politiker, der seine Bereitschaft signalisierte, die ihm gestellten Bedingungen zu akzeptieren, obwohl diese von der oppositionellen Bevölkerungsmehrheit, die kompromißlos sowohl seine Wiederkehr ins Präsidentenamt als auch die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung fordert, in diesen Punkten als nicht verhandelbar bewertet werden. Arias' Plan, der von Zelayas Delegation in San José akzeptiert, von den Vertretern Michelettis jedoch rundweg abgelehnt wurde, beinhaltete in Punkt 1 die Rückkehr Zelayas ins Präsidentenamt, was für die Putschisten schon Grund genug zur Ablehnung war.

Dabei hätte der gesamte Plan sie durchaus als politische Sieger aus der Konfrontation hervorgehen lassen können, sollte Zelaya doch das Einverständnis abverlangt werden, auf die Einberufung einer Verfassungsgebenden Versammlung zu verzichten. Nach Arias' weiteren Vorschlägen hätte es unter Zelaya eine aus Putschisten und Putschgegnern gemeinsam gebildete Regierung der "nationalen Versöhnung" geben sollen bis zur Abhaltung der um einen Monat vorgezogenen, ursprünglich für November terminierten Präsidentschaftswahlen. Vier Wochen vor der Wahl hätte der Oberbefehl über die Streitkräfte auf die Oberste Wahlbehörde übertragen werden sollen. All dies befanden Zelaya und dessen Delegation in Costa Rica für annehmbar; sogar die vorgeschlagene Generalamnestie für alle politischen Verbrechen, die vor, während und nach dem Putsch vom 28. Juni begangen wurden, war der rechtmäßige Präsident des Landes zu akzeptieren bereit.

Damit hat Zelaya den Putschisten gegenüber eine Kooperationsbereitschaft an den Tag gelegt, die für viele seiner Unterstützer nicht unproblematisch gewesen sein kann. Insbesondere der Verzicht auf die von Zelaya bereits eingeleiteten ersten Schritte, um - in verfassungskonformer Weise durch die Einberufung einer aus gewählten Delegierten bestehenden Verfassungsgebenden Versammlung, die einen neuen Verfassungsentwurf ausarbeiten würde, der anschließend dem Volk zur Abstimmung vorgelegt wird - dem eigentlichen Souverän des Landes die Möglichkeit zu geben, sich eine seinen tatsächlichen Interessen womöglich weitaus besser dienende Verfassung zu geben, als es die jetzige je sein könnte, käme einem politischen Sieg der Putschisten gleich, selbst wenn diese bereit gewesen wären, die von ihnen usurpierten Regierungsämter wieder zu verlassen.

Doch all diese Fragen sind hinfällig, weil mit der bedingungslos ablehnenden Haltung des Micheletti-Regimes jeder Weg, durch einen Kompromiß, wie frag- und kritikwürdig dieser auch immer zu bewerten sein mag, die derzeit hochangespannte Situation im Lande beizulegen, vertan wurde. Zelaya wäre sogar bereit gewesen, den Zeitpunkt seiner Rückkehr, wie von Arias vorgeschlagen und im Sieben-Punkte-Plan festgehalten, bis zum Freitag dieser Woche hinauszuzögern. Die Bereitschaft Zelayas, den Putschisten eine "goldene Brücke" zu bauen, um ihnen eine Übergangssituation zu ermöglichen, in der sie ihr Gesicht wahren können, darf jedoch nicht mit seiner Bereitschaft, sich von ihnen auf unabsehbare Zeit über den Tisch ziehen zu lassen, verwechselt werden. Die versöhnliche Haltung des gestürzten Präsidenten liegt in einem "Zeitfenster", das die Putschisten selbst inzwischen zugeschlagen haben, und so erklärte die Vertreterin der Zelaya-Delegation nach dem Wochenende die ohne Ergebnis verbliebenen Gespräche in Costa Rica für beendet.

In einem mit dem venezolanischen Fernsehsender VFV geführten Interview hatte Zelaya klar zu erkennen gegeben, was er von dem Spielen auf Zeit bei den sogenannten Verhandlungen hält. Waren für ihre Dauer zunächst 24 und 48 Stunden angegeben worden, waren es dann "72 Stunden, und jetzt sind wir schon über 200 Stunden in diesem Prozeß". Den putschkritischen Sendern Radio Globo und Radio Progreso zufolge, die beide wegen ihrer Berichterstattung über den Staatsstreich und dessen Folgen zwischenzeitlich schon geschlossen und von den Militärmachthabern unter Druck gesetzt worden waren, berichteten von hartnäckigen Gerüchten im Lande, denen zufolge Zelaya schon zurückgekehrt sei. Ob da etwas dran ist oder ob dieses Gerücht von Zelayas Unterstützern absichtlich gestreut wurde, um die Militärs zu verunsichern, läßt sich nach derzeitigem Informationsstand nicht abschließend klären, da der tatsächliche Aufenthaltsort Zelayas noch immer unbekannt ist.

In einem Live-Interview, das Zelaya in der Nacht zu Freitag an einem ungenannten Ort dem lateinamerikanischen Nachrichtensender TeleSur gegeben hat, erklärte dieser, daß das Militär "mit Bajonetten und Gewehren und ohne Gerichtsbeschluß" seinen Wohnsitz in Olancho, seiner Heimatprovinz im Südosten des Landes, eingenommen hätte. Doch nicht nur dieser Ort, auch die Zufahrtswege nach Tegucigalpa wurden von Polizei- und Militärkräften besetzt, um weitere Demonstranten daran zu hindern, in die Hauptstadt zu gelangen und dort gegen den Putsch zu protestieren. Die Nervosität der Militärs hat in demselben Maße zugenommen, in dem die Putschgegner ihre Aktivitäten intensiviert haben. Ständig kreisen Militärhubschrauber über der Stadt, in allen Landesteilen ist das Militär ebenso "präsent" wie die protestierende Bevölkerung, die ungeachtet der Einschüchterungsversuche daran festhält, den für sie unannehmbaren Zustand beenden zu wollen.

Viele Unterstützer Zelayas mutmaßen angesichts der umfangreichen Flugaktivitäten des Militärs, daß die Machthaber im ganzen Land fieberhaft nach Zelaya suchen, dessen angekündigte und gerüchteweise bereits erfolgte Rückkehr sie über alle Maßen berunruhigt. In dem TeleSur-Interview hatte Zelaya unterdessen noch einmal klargestellt, daß von einer offenen Berichterstattung im Lande nicht die Rede sein könne und daß von einer Medienzensur ausgegangen werden müsse, wobei die Putschisten den Eindruck zu erwecken suchten, es habe bislang keine Opfer gegeben. Wörtlich erklärte der Präsident: "Die Militärs des Putschistenregimes unterdrücken und ermorden unschuldige Menschen, aber wir bekommen das nicht mit, weil sie als Teil der Putschstrategie zur Unterdrückung des Volkes die Medien kontrollieren." Vorwürfe dieser Art erhob inzwischen auch die internationale Presseorganisation "Reporter ohne Grenzen", die von einer Einschüchterung der Medien in Honduras sprach und verlautbarte, daß, wer kritisch über das Putschistenregime berichte, mit Zensur oder einer Besetzung durch das Militär rechnen müsse.

Der venezolanische Präsident Hugo Chávez erklärte, er habe am vergangenen Mittwoch mit Zelaya telefoniert. Bei dieser Gelegenheit habe ihm sein honduranischer Amtskollege versichert, er "werde nicht in der Welt herumreisen und Mitleid erwecken - lieber sterbe ich in Honduras". Unterdessen sollen sich die Repressalien gegen die Putschgegner noch weiter verschärft haben. Neben unzähligen Haftbefehlen gegen Oppositionelle soll es auch Todesdrohungen geben, die keineswegs von der Hand zu weisen sind, zumal die ersten politischen Morde gegen Putschgegner bereits verübt wurden. Für die jetzige Woche wurde bereits die Fortsetzung der Protestaktionen, Demonstrationen und Straßenblockaden angekündigt, die in Verbindung mit einem Generalstreik, der von führenden Gewerkschaftern wegen organisatorischer Schwierigkeiten um einige Tage verschoben wurde, sowie den Grenzblockaden, die von Solidaritätsbewegungen in den Nachbarländern jenseits der Grenze organisiert werden, soweit geführt werden sollen, bis das öffentliche Leben in Honduras zusammenbricht.

Währenddessen versucht die US-Administration, die Rückkehr Zelayas, den sie, ihren eigenen Erklärungen in den ersten Tagen nach dem Putsch zufolge, als einzigen Präsidenten anerkenne, zu verhindern. Wie Außenamtssprecher Robert Wood vor wenigen Tagen erklärte, würde die Rückkehr Zelayas die von Costa Ricas Präsidenten Arias geleiteten Vermittlungsbemühungen gefährden. In den westlichen Medien wird immer unverhohlener das Gespenst eines drohenden Bürgerkrieges bemüht, um Stimmung gegen Zelaya zu machen, als wenn dessen Rückkehr der Funke wäre, der zur Explosion der hochangespannten Lage führen würde.

Wenn es in diesen Stunden oder Tagen zu einer Ausweitung (und keineswegs einem Beginn) militärischer Operationen gegen die Front der Putschgegner kommen würde, wäre dies alles andere als ein Bürgerkrieg, sondern ein Krieg des Militärs gegen die eigene Bevölkerung. Es stehen sich insofern keine Kontrahenten auf gleicher Augenhöhe gegenüber, da Präsident Zelaya, wie er selbst immer wieder betont, auf keine andere "Sicherheit" zurückgreifen kann als die Unterstützung des Volkes, während seine Gegner fest im Sattel der Militärführung sitzen und über den gesamten Repressionsapparat verfügen. Die Frage nach der unmittelbaren Zukunft des Landes in dieser hochexplosiven Lage kann nicht ungeachtet der Frage beantwortet werden, wie sich die einfachen Soldaten in einem solchen Krieg verhalten würden. Das Ausmaß der bereits bekannt gewordenen Fälle von Befehlsverweigerung und Insubordination ist schwer einzuschätzen, da das Putschregime nicht das geringste Interesse an einer Weiterverbreitung solcher Meldungen haben kann und insofern auch in diesem Punkt alle Hebel der seit Putschbeginn bereits bewährten Mittel der Medienkontrolle bemühen wird.

An die Adresse der Soldaten der honduranischen Armee gerichtet appellierte der Präsident Venezuelas, Hugo Chávez, der bestätigte, daß Zelaya nach Honduras zurückkehren werde, die Befehle der Putschisten nicht zu befolgen, sondern die verfassungsgemäße Ordnung des Landes wiederherzustellen, damit Honduras nicht in einen Bürgerkrieg zurückfalle. Dem Vernehmen nach hat die derzeitige Putschistenregierung in Tegucigalpa vergeblich versucht, sich dieser "Einmischung" durch eine beim Weltsicherheitsrat vorgetragene "Bitte", die vermeintlichen Drohungen und Provokationen aus Venezuela als Intervention zu verurteilen, zu erwehren. Das höchste UN-Gremium soll dies mit der Begründung abgelehnt haben, daß es nur Gesuche anerkannter Regierungen annehme, was die einzig folgerichtige Option ist, da die Vereinten Nationen wie auch die Organisation Amerikanischer Staaten (OAS) den Putsch in Honduras einhellig verurteilt und die Rückkehr Zelayas unzweideutig gefordert haben.

Daß dies international bereits ein wenig in Vergessenheit geraten zu sein scheint, kann nur als das Verdienst US-amerikanischer Putsch-Diplomatie erklärt werden. Die sogenannten Vermittlungsgespräche in Costa Rica sind durch den Einfluß der USA zustandegekommen, die weder ihren Botschafter aus Honduras zurückgezogen noch sämtliche Unterstützungen eingestellt haben und im übrigen alle diplomatischen Hebel in Bewegung setzen, um die ursprünglich weltweit einhellig verurteilten Putschisten auf- und den rechtmäßigen Präsidenten abzuwerten. Da der neue "smarte" US-Präsident Barack Obama es verabsäumt hat, alle seiner Regierung zur Verfügung stehenden Druckmittel gegen die Putschisten einzusetzen, kann nur die Schlußfolgerung gezogen werden, daß auch der nun womöglich unmittelbar bevorstehende Krieg des honduranischen Militärs gegen die eigene Bevölkerung mit dem stillen Einverständnis der USA geführt werden wird.

20. Juli 2009