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AFRIKA/1806: Strohfeuer Biosprit - Rückzug der Investoren (SB)


Spielball der Globalisierung

Afrikanische Länder hatten auf Biospritboom gesetzt, anstatt heimische Landwirtschaft für Nahrungsmittelproduktion zu stärken


Die Hoffnung vieler afrikanischer Staaten auf eine beschleunigte wirtschaftliche Entwicklung dank des weltweiten Biospritbooms hat sich noch schneller zerschlagen, als zur Vorsicht mahnende Stimmen befürchteten. Wieder einmal zeigte sich, daß eine agrarische Ausrichtung auf den Weltmarkt vielleicht ausländischen Unternehmern und ihrer örtlichen Sachwaltern lukrative Einnahmen beschert, nicht aber der breiten Bevölkerung.

Vor einigen Jahren hatten Investoren begonnen, in den meist flächengroßen Staaten Afrikas Ländereien zu pachten, auf denen Pflanzen für die Biospritgewinnung angebaut werden sollten. In den meisten Fällen schlossen die Regierungen Verträge, durch die sich die Investoren die Nutzungsrechte über ökologisch einzigartige Regionen (Tana-Delta in Kenia), periodisch wasserarme Gebiete (am Limpopo in Mosambik) oder auch von Einheimischen genutzte Flächen (Nordghana) aneigneten. Zeitlich leicht versetzt zu diesem Trend drangen Investoren insbesondere aus dem arabischen Raum und Asien nach Afrika vor, um sich ebenfalls Ländereien, in diesem Fall aber für die Nahrungsproduktion, zu sichern. Das haarsträubendste Beispiel auf diesem Gebiet war sicherlich der Plan der Regierung Madagaskars, eine riesige Fläche der ökologisch einzigartigen Insel für 99 Jahre an den südkoreanischen Konzern Daewoo abzutreten. Dieses undurchsichtige (und inzwischen gecancelte) Geschäft des madagassischen Präsidenten Marc Ravalomanana trug mit dazu bei, daß der oppositionelle Andry Rajoelina große Teile der Bevölkerung gegen die Regierung aufbringen konnte, was in den letzten Tagen in einem Aufmarsch des Militärs und der Flucht Ravalomananas mündete.

Nun waren aber die Weltmarktpreise für Erdöl von über 145 Dollar das Faß (ca. 159 Liter) im vergangenen Jahr auf unter 30 Dollar im Februar 2009 (gegenwärtig 47 Dollar, Tendenz steigend) abgesackt, was sich auch auf den Preis für Ethanol und Biodiesel als Ersatzstoffe für fossile Energieträger auswirkte. In den USA, wo vor einem Jahr noch Ethanolraffinerien wie Pilze aus dem Boden schossen, sind die ersten Unternehmen wieder pleite gegangen, kaum daß sie ihre Produktion aufgenommen hatten. Auch in Afrika ist der Rückzug der Investoren zu bemerken. Das bietet zwar in Einzelfällen die Chance, verlorenes Terrain zurückzugewinnen, aber dieser Nutzen wiegt nicht im mindesten die Verluste auf, die den Volkswirtschaften insgesamt aus dem Auf und Ab der Biospritproduktion erwachsen.

Erstmals mußte in Tansania ein Konzern in Folge der Finanz- und Wirtschaftskrise seine Segel streichen. Das schwedische Unternehmen Sekab war in akute finanzielle Nöte geraten und hat seine riesige Zuckerrohrplantage in der Region Bagamoyo aufgegeben. [1] Dort sollten auf zunächst 40.000 Hektar der Razaba-Farm, die von der tansanischen Gefängnisverwaltung unterhalten wird, ab dem Jahr 2012 jährlich rund 100 Millionen Liter Ethanol gewonnen werden. Sekab ist Europas größter Importeur für Ethanol aus Brasilien und so gut wie das einzige Unternehmen, das schwedische Tankstellen mit E85 beliefert. Die Zukunft des 2007 gegründeten Tochterunternehmens Sekap BioEnergy Tanzania Ltd., einem Joint-venture mit der tansanischen Regierung, Swedish Ethanol Chemistry, BioAlcohol Fuel Foundation und der Community Finance Company, ist ebenso ungewiß wie die des Mutterkonzerns Sekab, der seine halbe Belegschaft abbaut. Der tansanische Firmenzusammenschluß hatte insgesamt 400.000 Hektar zur Bewirtschaftung ins Auge gefaßt, ein Projekt, das für ganz Tansania Vorbildcharakter haben sollte.

Nun könnte es auf gegenteilige Weise Vorbild werden. Zwar haben die Regierungen von Schweden und Norwegen, das ebenfalls Plantagen in vielen Staaten Afrikas betreibt, der tansanischen Regierung vier Millionen Dollar zugesagt, damit sie eine nachhaltige Biospritindustrie aufbaut - der Leiter für Entwicklungszusammenarbeit der schwedischen Botschaft in Tansania, Erik Korsgen, sprach davon, daß es unter anderem darum geht, zu schauen, welche Instrumente nutzbar sind, um den lokalen Bedarf an Biosprit zu erfüllen -, aber diese Summe ist nichts verglichen mit der ursprüngliche Absicht der Regierung, groß ins Biospritgeschäft einzusteigen; und das bei Preisen, die sich an dem einst hohen Weltmarktpreis für Erdöl orientieren sollten.

Noch vor rund einem Jahr mußte die tansanische Regierung einräumen, daß sie gar nicht den Überblick habe, welche ausländischen Unternehmen wieviel Land gepachtet hätten, da sie an den Verhandlungen nicht beteiligt worden sei und die Unternehmen Verträge direkt mit den Kommunen abschlössen. Dem müsse Einhalt geboten werden, die Entwicklung sei aus dem Ruder gelaufen, hieß es. [2] Jetzt, so scheint es, läuft die ganze Entwicklung in eine andere Richtung aus dem Ruder. Die Anstrengungen, um mit der Biospritproduktion Devisen ins Land zu holen, drohen nicht das gewünschte Ergebnis zu zeitigen.

Ähnliche Befürchtungen hegen auch andere afrikanische Regierungen, was nicht bedeutet, daß damit der ursprüngliche Trend des Landraubs zum Anbau von sogenannten Energiepflanzen (Zuckerrohr, Palmen, Jatropha, Kassawa, etc.) gestoppt wäre. So erlebt der Norden Ghanas noch immer einen Boom. Dort haben zahlreiche Einwohner, die versuchen, ihre Familien durch Subsistenzwirtschaft zusammenzuhalten und durchzubringen, ihre bescheidenen Anbauflächen an ausländische Unternehmen verloren. [3] Inzwischen zahlen viele Firmen nur für das Land, das sie auch bewirtschaften, berichtete die Internetseite Public Agenda.

Der Leiter einer wissenschaftlichen Studie und Generalsekretär der General Agricultural Workers Union (GAWU), Kingsley Offei-Nkansah, sagte in dem Bericht, daß sich Afrika als Agrarland, wenngleich Nettoimporteur für Lebensmittel, nicht darüber wundern sollte, was passiert, wenn es zulasse, daß Land für die Biospritproduktion weggegeben wird: "Die Biosprit-Förderung in Afrika wird hauptsächlich durch ausländische Befürchtungen und ausländische Interessen zur Abdeckung des externen Bedarfs an Biosprit angetrieben." Die Zerstörung von Nutzbäumen wie Sheanuß und Dawadawa entziehe der örtlichen Bevölkerung, insbesondere Frauen, die Lebensgrundlage. Auch gingen traditionelle Weideflächen verloren. Offei-Nkansah verlangte von der Regierung die Aufstellung eines rechtlichen Rahmens zur Biospritproduktion, in dem dann alle beteiligten Interessen berücksichtigt werden müßten. Anstatt irgendeinen Energiebedarf von außerhalb zu decken, sollte der Bedarf an Energieträgern der örtlichen Gemeinden gestillt werden, verlangt Offei-Nkansah in der Studie.

Die Entwicklung der letzten Jahre ist hinlänglich bekannt. Schon früher hat sich das postkoloniale Afrika darauf eingelassen, für den Weltmarkt zu produzieren, und sich auf diese Weise zum Spielball von Entwicklungen gemacht, auf die man keinen nennenswerten Einfluß besaß. Mit dem Biospritboom verhält es sich nicht viel anders als beispielsweise mit dem Anbau von Kaffee oder Kakao. Die riesigen Plantagen in Ghana und Elfenbeinküste haben nicht, wie in den 1960er und 1970er Jahren von den Industrienationen und ihren globalinstitutionellen Stellvertretern IWF und Weltbank prophezeit, zu allgemeinem Wohlstand in den Ländern geführt. Auch ohne die weltweite Wirtschaftskrise, die vor den Toren Afrikas nicht haltmacht, wäre der Monokulturanbau für Biosprit in die gleiche Sackgasse gemündet. Daraus führt auch der Rückzug einiger ausländischer Unternehmen aus diesem Geschäft nicht heraus.


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Anmerkungen:

[1] "Sweden's Sekab: Ethanol's First Credit Crunch Casualty in Africa", 16. März 2009.
http://www.greenbusinessafrica.com/2009/03/16/swedens-sekab-ethanols -first-credit-crunch-casualty-in-africa/ t-crunch-casualty-in-africa/

[2] Siehe dazu: AFRIKA/1722: Wachsende Kritik an Jatropha-Anbau in Tansania (SB)

[3] "Ghana: Women Lose Their Farms to Biofuel Production", Public Agenda (Accra), 16. März 2009.
http://allafrica.com/stories/200903161744.html

[4] Siehe dazu: AFRIKA/1684: Die Jatropha-Täuschung (SB)

19. März 2009