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AFRIKA/1813: Folgenschwerer Jatrophaanbau erlebt zweiten Frühling (SB)


Flächenkonkurrenz zwischen Pflanzenanbau für Nahrung und für Biosprit

"Genügsame" Jatropha-Pflanzen werden vorzugsweise in großen Plantagen angebaut


Bereits im vergangenen Jahr kam die Weltbank in einer Studie über die gestiegenen Nahrungsmittelpreise zu dem Ergebnis, daß der Boom bei Agrotreibstoffen die entscheidende Triebfeder für die verheerende, armutsfördernde Entwicklung ist. Diese Analyse hat ihre Gültigkeit bis heute nicht verloren. Insofern rennt Vincent Volckaert, Regionaldirektor für Afrika des Biospritunternehmens D1 Oils, offene Türen ein, wenn er einräumt, daß Jatropha keine Wunderpflanze ist. Entgegen der weit verbreiteten Ansicht gedeihe sie nicht unter allen klimatischen Bedingungen in Afrika, erklärte er. Wer Jatropha unter kargen Bedingungen anpflanze, könne auch nur karge Erträge erwarten. Die Pflanze müsse sorgsam angebaut werden, wenn sie eine gute Ernte abwerfen solle. [1]

Jatropha gilt als sehr genügsame Pflanze. Sie ist giftig, also ungenießbar, und wird in Afrika traditionell zum Schutz von Feldern gegen Fraß durch Tiere angepflanzt. Die Jatrophasamen sind sehr ölhaltig, aus ihnen kann schon mit einfachen mechanischen Mitteln Öl herausgepreßt werden. Seit einigen Jahren strömen Agrospritunternehmen nach Afrika, weil sie Land zum Anbau von Jatropha und anderen Agrospritpflanzen, aus denen Biodiesel oder aber Ethanol gewonnen werden kann, pachten wollen.

Aus Volckaerts Erklärung geht nicht hervor, ob und welche Konsequenzen D1 Oils aus seiner ernüchternden Erkenntnis zieht. Es ist jedoch bekannt, daß die Biospritunternehmen einerseits für Jatropha werben, weil sie mit wenig Wasser und Nährstoffen auskommt, andererseits bestrebt sind, beste Ackerflächen zu pachten oder Landwirte dazu zu bringen, daß sie ihr weniges ertragreiches Land verbauen, damit sie ihre Jatrophasamen zu den Sammelstellen der Unternehmen schleppen.

Es sind nicht die Wegesränder und marginalen Flächen, auf denen in Afrika vorzugsweise Jatropha angepflanzt wird. Ökonomisch machte das auch keinen Sinn. Die Unternehmen bräuchten riesige Einzugsgebiete, sollte Jatropha nicht in zusammenhängenden Großplantagen angebaut werden. Da die Jatrophasamen mit der Hand gepflückt werden müssen, erforderte eine zergliederte Bewirtschaftung außerdem einen größeren Personalbestand. Beides kann nicht im Interesse eines nach Profitkriterien arbeitenden Unternehmens sein. Entscheidend für die Wahl eines guten Bodens für die "genügsame" Jatropha ist und bleibt die Aussicht auf möglichst hohe Erträge.

Die von Biospritlobbyisten gern verbreitete Behauptung, Jatropha sei genügsam, trifft zwar zu, und doch trifft sie daneben, da sich die Unternehmen in der Realität stets die Filetstücke aussuchen werden, wenn sie die Wahl zwischen schlechten und guten Böden haben. Wer anderes als eine Regierung könnte verhindern, daß durch den Export von Biosprit aus Afrika nicht eine neue Runde des neokolonialistischen Raubbaus betrieben wird? Zur Zeit sieht es so aus, als habe nach einem anfänglichen Biospritboom und dem anschließenden Abflauen inzwischen der nächste Boom eingesetzt, und Jatropha steht weit oben auf der Liste der bevorzugten Arten nicht nur der transnationalen Konzerne, sondern auch afrikanischer Unternehmen.

So kündigte die simbabwische National Oil Company diese Woche an, daß ab dem Jahr 2017 bis zu zehn Prozent des Spritbedarfs des Landes bzw. 100 Millionen Liter Öl jährlich aus Jatropha gewonnen werden sollen. Auch Mosambik hält an seinen Biospritplänen fest und hat eine Strategie zum Jatrophaanbau ausgearbeitet. Und China wandte sich kürzlich an Sambia, weil es dort auf einer Fläche von zwei Millionen Hektar Jatropha pflanzen will.

Wenn diese Pflanze im großen Stil angebaut wird - und darum geht es bei den erwähnten Projekten und Plänen -, dann steht sie sehr wohl in Konkurrenz zu Nahrungspflanzen. Denn sie belegt Flächen, auf denen häufig Getreide für die Nahrung oder zumindest als Viehfutter hätte produziert werden können. Angesichts des verbreiteten und nach Expertenmeinung zunehmenden Hungers auf dem Kontinent stellt sich die Exportorientierung der afrikanischen Staaten als fortgesetzte Unterwerfung unter die Interessen der Hochkonsumländer des Westens dar. Dem wäre nur zu begegnen, wenn sich die Staaten untereinander einig wären und sich weder durch die von der Europäischen Union angestrebten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen noch das von den USA betriebene Handelspräferenzsysten AGOA (African Growth and Opportunity Act) noch die Verhandlungen bei der Welthandelsorganisation spalten lassen.


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Anmerkung:

[1] "Jatropha for biodiesel not a miracle crop - D1 Oils", Reuters, 1. April 2009.
http://www.engineeringnews.co.za/article/jatropha-for-biodiesel-not-a- miracle-cropd1-oils-2009-04-01

2. April 2009