Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

AFRIKA/1821: Ghanas Reisproduktion - Opfer der Globalisierung (SB)


Einst billiger Importreis erfährt in Ghana rasante Verteuerung

Heimische Reisproduktion wurde durch Strukturanpassungsmaßnahmen auf schmerzhafte Weise verkleinert


Ghanas Reisproduktion kann den heimischen Bedarf nicht decken. Genauer gesagt, heute können die ghanaischen Bauern den Reisbedarf nicht mehr decken. Das war einst anders. Die Ursachen dieser negativen Entwicklung gehen bis an den Anfang der 1980er Jahre zurück, als IWF und Weltbank Ghana Strukturanpassungsmaßnahmen aufgenötigt haben. In der Folge wurde der Reis-Selbstversorger Ghana zu einem Reisimporteur. "Anpassung" der Strukturen bedeutete, daß sich das Land in die von eklatanten Handelsdisparitäten gekennzeichnete Weltordnung einzufügen hatte. Beispielsweise mußte die Regierung die garantierten Abnahmepreise sowie die Anbausubventionen streichen. Das hat den Druck auf die Erzeuger erhöht und den globalen Handel gefördert, während den lokalen Anbietern das Nachsehen blieb. Mit der Reis-Selbstversorgung aus den 1970er Jahren war es vorbei. Eine Zeitlang dominierte zwar der heimische Reis den Markt, zu schweren Einbrüchen kam es aber spätestens mit der Aufhebung der Schutzzölle im Jahr 2001.

An diesem Beispiel wird das systematische Niederhalten der Länder des Südens durch die führenden Wirtschaftsnationen deutlich. Erst der gezielt induzierte Mangel macht Ghana erpreßbar, so daß es sich der vorgegebenen Hierarchie unterwirft und den weitgehend einflußlosen Platz einnimmt, der ihm von den einflußreichen Interessen innerhalb der kapitalistischen Weltordnung zugewiesen wird. Die Wirtschaftspartnerschaftsabkommen (EPA - Economic Partnership Agreement), die die Europäische Union gegenwärtig mit den 79 AKP-Staaten (aus Afrika, der Karibik und dem pazifischen Raum) aushandelt - wobei Ghana zu denen zählt, die bereits ein Interimsabkommen (iEPA) unterzeichnet haben - sollen die hierarchische Weltordnung sicherstellen und unumstößlich befestigen.

Für die ghanaische Regierung bedeutet das, daß sie sich mit den sozialfeindlichen Folgen ihres traditionell europafreundlichen Kurses auseinanderzusetzen und gegebenenfalls soziale Unruhen niederzuringen hat. Die Preisexplosion bei Lebensmitteln im vergangenen Jahr lieferte einen Vorgeschmack auf die von der Weltbank und anderen Institutionen prognostizierte Verteuerung von Futter- und Lebensmitteln. In einer Reihe von Staaten sind die Lebensmittelpreise zwar wieder gesunken, aber nicht auf das Niveau wie zu Beginn dieses Jahrzehnts - und die Kostenspirale dreht sich längst wieder nach oben.

In den zurückliegenden drei Monaten hat der Reispreis in Ghana angezogen, meldete "The Chronicle". [1] Die Einwohner der Metropole Kumasi seien ziemlich aufgebracht. Nachforschungen der ghanaischen Zeitung haben ergeben, daß die Händler den Preisanstieg auf die Abwertung der heimischen Währung gegenüber dem Dollar und auf das erneute Erheben von Zöllen auf Importprodukte zurückführen. Die übergreifende Entwicklung sehen die Händler offenbar nicht: Ghanaische Reisbauern haben einst genügend Reis produziert, um den heimischen Bedarf zu decken. Das wurde ihnen absichtlich ausgetrieben.

Die Reisproduktion Ghanas erlitt durch billige Importe aus Asien und den USA schwere Schäden. Der "parfümierte", weiße Reis aus Vietnam ist nicht nur preiswerter, er ist auch leichter zu kochen als der dunkle aus heimischem Anbau. In den ersten drei, vier Jahren dieses Jahrzehnts verdreifachte sich die importierte Reismenge. Ein Drittel stammte aus den USA, deren Regierung reichlich Subventionen ausgeschüttet und den Export durch günstige Kredite unterstützt hat. [2] Viele Reisbauern aus Ghana mußten deshalb aufgeben. Heute, da die Importpreise rasant anziehen, wird in dem westafrikanischen Land nicht mehr genügend Reis selbst angebaut, so daß die Einwohner auf Reis verzichten oder die verteuerte Importware kaufen müssen.

Im Dezember 2008 kosteten fünf Kilogramm Reis aus Vietnam noch zwischen umgerechnet 3,55 und 3,83 Euro - heute muß der Kunde dafür 6,02 Euro auf den Tresen legen. Ein 50-kg-Sack Reis gab es im vergangenen Jahr für 22,44 Euro, inzwischen ist der Preis auf 25,72 Euro geklettert, so daß der Einzelhandelspreis bei 27,37 Euro landete. Eine vergleichbare Preisentwicklung ist bei Reis aus Thailand, Texas und anderen Weltregionen zu beobachten.

Die Einzelhändler klagen, daß ihre Geschäftspartner ihnen den Reis nicht mehr auf Kreditbasis verkauften, da die ghanaische Währung, der Cedi, an Wert verloren hat und sich inflationär entwickelt. Geschäfte werden nur noch in bar abgeschlossen. Ein Händler berichtete dem "Chronicle", er habe wegen des Wertverfalls des Cedi innerhalb eines Monats mehr als eine Million Euro verloren. Auch dieses Phänomen steht beispielhaft für die globale Entwicklung. Die Finanz- und Wirtschaftskrise, für die hier und da bereits der Abgesang angestimmt wird, obgleich der Wirtschaftseinbruch noch aussteht, schlägt voll auf die Länder des Südens durch, und da diese viel weniger Spielraum haben als wirtschaftlich stärkere Länder, wandelt sich der ökonomische Druck unmittelbar in die Verarmung und Verschuldung der Menschen. In Ghana arm zu werden bedeutet aber, in unmittelbare Existenznot zu geraten.

Im September 2002 hatte die damalige Kufuor-Regierung die Anweisung an Regierungseinrichtungen wie den Ghana Prisons Service, den Ghana Education Service und die Health Training Colleges ausgegeben, lokal erzeugten Reis über einen National Buffer Stock, der vom Landwirtschaftsministerium verwaltet wurde, zu erwerben. [3] Landwirte berichteten jedoch, daß sich die Regierungseinrichtungen nicht an die Direktive gehalten haben. Die Importzahlen scheinen diese Behauptung zu bestätigen. Im Jahr 2000 besaß der lokal produzierte Reis einen Marktanteil von 43 Prozent, im Jahr 2003 waren es nur noch 29 Prozent. [4] Die Reiseinfuhren stiegen umgekehrt von 250.000 Tonnen (1998) auf 415.150 (2003).

In Reaktion auf den induzierten Niedergang der ghanaischen Reisproduktion hob die Regierung 2003 den Zoll auf Importreis von 20 auf 25 Prozent an, um die eigenen Bauern zu schützen. Auf Druck des IWF wurde die Maßnahme innerhalb eines Monats wieder rückgängig gemacht. Um das zersetzende Wesen der Liberalisierung zu erkennen, kann man sich vor Augen halten, daß Ghanas Bauern, die auf keine Subventionen zurückgreifen konnten, in Konkurrenz zu Bauern traten, die von ihren Regierungen teils hochsubventioniert wurden. Eine landesweite Erhebung aus dem Jahr 2002 ergab, daß 66 Prozent der Landbevölkerung, die Reis angebaut haben, ein Nettoverlustgeschäft betrieben. [5]

In diesem Sommer will die Europäische Union sämtliche Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit den AKP-Staaten unter Dach und Fach bringen. Auch hier lautet das Zauberwort wieder Liberalisierung des Handels. Die Entwicklungsländer sollen ihre Märkte öffnen. In der Arena treten dann an: der kleine Reiserzeuger aus Ghana gegen den kapitalstarken Global Player aus den USA oder Asien. Mal sehen, wer gewinnt ...

Der Europaabgeordnete Frithjof Schmidt von der Partei der Grünen weiß zu berichten, daß die EU-Kommission und die konservativen Kräfte des Europaparlaments die Möglichkeit, daß Ghana spezielle Schutzmaßnahmen seiner Wirtschaft zugestanden werden, ablehnen. [6] Obgleich die EU im Januar wieder begonnen hat, Exportsubventionen (für Milchprodukte) einzuführen. Schmidt schrieb dazu: "Die finanziellen Beihilfen erlauben es den europäischen Exporteuren, ihre Ware in Afrika so billig anzubieten, dass kein noch so günstig produzierender Bauer vor Ort mithalten kann. Ist der Überschuss in Europa abgebaut und der Zustrom billiger Ware aus Europa endet, liegt die lokale Produktion in Afrika am Boden. Und die Bauern haben kein Kapital um ihre Produktion wieder aufzunehmen."

Schmidt hat einen Maßnahmenkatalog aufgestellt, der Ghana vor allzu großen Nachteilen aus dem EPA schützen und ihm die Chance einräumen soll, bestimmte Regelungen außer Kraft zu setzen, falls eine negative Entwicklung eintritt, beispielsweise wenn das Land mit Agrarimporten überschwemmt wird. Die EU-Kommission läßt deutlich erkennen, daß sie zu keinen nennenswerten Einschränkungen des "freien" Handels bereit ist.


*


Anmerkungen:

[1] "Ghana: Kumasi Residents Protest Over High Rice Prices", The Chronicle, 22. April 2009
http://allafrica.com/stories/200904220466.html

[2] BERICHT/149: "Reismarktliberalisierung - Die verordnete Hungerkur" (FoodFirst), von Armin Paasch. FoodFirst Nr. 3/2007, FIAN-Magazin für die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte.
Siehe INFOPOOL, BÜRGER/GESELLSCHAFT, FIAN

[3] "Rice farmers call for Govt. intervention", The Statesman, 9. April 2009
http://www.thestatesmanonline.com/pages/news_detail.php?newsid=8391&section=2

[4] "Farmers praise government", The Statesman, 20. Oktober 2008
http://www.thestatesmanonline.com/pages/news_detail.php?newsid=7514&section=2

[5] "Ghana's rice industry to be worst hit by EPA's", The Statesman, 19 September 2007
http://www.thestatesmanonline.com/pages/news_detail.php?section=2&newsid=4779

[6] "Das Beispiel Ghana: Die Wirtschaftspartnerschafts-Abkommen müssen den Entwicklunngsländern Spielraum für Schutzmaßnahmen lassen", Frithjof Schmidt, 4. Februar 2009
http://www.frithjof-schmidt.de/aktuelles/aktuelle-meldungen/anzeigen/ meldung/das-beispiel-ghana-die-wirtschaftspartnerschafts-abkommen- muessen-den-entwicklunngslaendern-spielraum/index.html

23. April 2009