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AFRIKA/1918: Hillary Clinton läßt kein gutes Haar an Nigerias Führung (SB)


"Unglaubliche Korruption"

US-Außenministerin kritisiert Nigerias Führung, aber unterschlägt traditionell gute Zusammenarbeit mit den Vereinigten Staaten


Diplomaten haben immer die Wahl, ob sie Mißstände anprangern oder ob sie eine Regierung unterstützen, indem sie sich bedeckt halten und nur Allgemeinplätze von sich geben. US-Außenministerin Hillary Clinton entschied sich kürzlich in Hinsicht Nigerias für eine recht unverhohlene Kritik. Aus Anlaß des Jahrestags ihrer Amtseinführung als Außenministerin erwiderte sie in Washington auf die Frage eines Journalisten, was die treibenden Faktoren für die Jugend sei, die Ideologie von Islamisten anzunehmen, daß es die Führung Nigerias jahrelang versäumt habe, auf "die berechtigten Bedürfnisse der Jugend" einzugehen [1]. Die Führung habe keine Regierung hervorgebracht, die eine Meritokratie fördere, in der wirklich begriffen wurde, daß Demokratie kein Lippenbekenntnis sein kann und daß es dem Volk zu Diensten sein muß. "Es gibt in dem Land und anderen eine weitreichende Entfremdung", sagte Clinton.

Nigeria drohe eine Gefahr aufgrund wachsender Radikalisierung, der begegnet werden müsse, und zwar "nicht nur mit militärischen Mitteln". In den letzten zehn Jahren sprächen viele Indikatoren dafür, daß sich "die Lebensqualität in Nigeria in die falsche Richtung" bewegt. Clinton bemängelte konkret die Zunahme des Analphabetismus, die schlechte Gesundheitsversorgung und die "unglaubliche Korruption".

Nicht zuletzt aufgrund der schweren Krankheit des nigerianischen Präsidenten Umaru Yar'Adua, der seit Wochen seine Amtsgeschäfte nicht ausüben kann, bauen sich in dem bevölkerungsreichsten Land des Kontinents zur Zeit Spannungen auf. Vor kurzem kamen bei bürgerkriegsähnlichen Auseinandersetzungen in der Stadt Jos mehr als 350 Einwohner gewaltsam ums Leben. Zudem wächst die Furcht in der Bevölkerung, daß das Militär putscht, um "stabile" Verhältnisse herzustellen. Der Friedensschluß und die Amnestie für jene Milizen des erdölreichen Nigerdeltas, die ihre Waffen abgeben, steht noch immer auf tönernen Füßen. Auch das gescheiterte Attentat eines 23jährigen Nigerianers am zweiten Weihnachtstag 2009 auf ein Flugzeug, das sich im Landeanflug auf Detroit befand, trägt als Unruhefaktor zu den Spannungen im Land bei. Zumal die US-Administration im Anschluß an den Vorfall Nigeria auf eine Liste von Staaten gesetzt hat, deren Bürger bei der Einreise wegen mutmaßlicher Terrorgefahr einer Sonderüberprüfung ausgesetzt werden.

Diese aktuellen Faktoren sitzen den systemischen Problemen oben auf: Ein Großteil der Nigerianer ist trotz des Erdölreichtum des Landes verarmt. Darauf hat Hillary Clinton angesprochen, aber sie hat unerwähnt gelassen, daß US-Konzerne seit sehr vielen Jahren eng mit der jeweiligen nigerianischen Regierung zusammenarbeiten, von der Ausbeutung der Bevölkerung profitiert haben und daß zur Korruption immer zwei gehören. Daran kann auch gern schon mal ein US-Unternehmen beteiligt sein, wie unter anderem die Bestechungsaffäre mit Halliburton gezeigt hat. [2]

Clintons diplomatisch undiplomatische Anmerkungen zum mutmaßlichen Versagen der nigerianischen Führung sollen anscheinend Druck auf die Regierung ausüben, um das Land enger an die USA zu binden und dadurch zu verhindern, daß China, Rußland und andere Länder, die gegenwärtig in der Erdöl- und Erdgasförderung Nigerias aufholen oder zumindest entsprechend ehrgeizige Pläne verfolgen, in Schach zu halten.


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Anmerkungen:

[1] "Nigeria: Excerpt of Secretary Clinton's Remarks at Town Hall Meeting", Hillary Clinton, United States Department of State (Washington, DC), 27. Januar 2010
http://allafrica.com/stories/201001270485.html

[2] http://www.halliburtonwatch.org/about_hal/nigeria.html

27. Januar 2010