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AFRIKA/1925: ECCR-Report - Kritik an Umweltschäden durch Shell Nigeria (SB)


Nigerianische NGOs fordern Ölkonzern auf, mehr gegen Umweltschäden zu unternehmen


Die Kritik an dem Erdölkonzern Shell wegen seiner verheerenden Umweltbilanz und mutmaßlichen Mißachtung von Menschenrechtsstandards in Nigeria reißt nicht ab. Diese Woche hat der Ecumenical Council for Corporate Responsibility (ECCR) einen Report mit fünf Fallstudien, die von verschiedenen Nichtregierungsorganisationen in dem erdölreichen Staat durchgeführt wurden, veröffentlicht. Darin fordert der kirchlich orientierte ECCR, daß Shell sehr viel mehr unternehmen soll, um Schäden an der Umwelt des Nigerdeltas, des Hauptfördergebiet des nigerianischen Erdöls, zu vermeiden und zu beheben. [1]

Dringend geboten sei ein Ende des Gas-Abfackelns, wobei die Quellen innerhalb von Siedlungen oder in ihrer Nähe Priorität genießen sollten. Notfalls sollte die Erdölförderung, bei der das Gas austritt, so lange unterbrochen werden, forderte der ökumenische Rat für Unternehmensverantwortung.

Das hier nicht zum ersten Mal angesprochene Gas-Abfackeln sollte in Nigeria schon vor Jahrzehnten beendet werden. Der Termin wurde jedoch laufend weiter aufgeschoben, eine Politik, die auch im zurückliegenden Jahrzehnt beibehalten wurde. Der nächste Termin steht fest: Im Jahr 2012 soll der weitaus größte Teil des Gases abgefangen und einer Nutzung zugeführt werden; Pipelines befinden sich im Bau. Somit wurden zwar in den letzten Jahren Fortschritte erzielt, aber ob die Bewohner des Nigerdeltas in zwei Jahren unbeschwerter aufatmen können, weil sich die Luftqualität in ihrer Umgebung verbessert hat, muß sich erst noch zeigen.

Sollte es so weit kommen, hätten die Bewohner, ohne entschädigt zu werden, mehrere Jahrzehnte erhöhter Krankheitsanfälligkeit aufgrund der schadstoffbelasteten Luft hinter sich ... und wer weiß wie viele Jahre und Jahrzehnte an Gefährdungen in Folge des weiterhin belasteten Grund- und Oberflächenwassers sowie des Bodens vor sich. Denn erstens wird auch nach dem vermeintlichen Abschluß des Gas-Abfackelns noch schätzungsweise zehn Prozent des Erdgases bei der Förderung verbrannt, zweitens bauen sich die Luftverschmutzungen nicht schlagartig ab und drittens verursacht die Erdölförderung aufgrund durchgerosteter, unzureichend gewarteter oder durch Sabotage beschädigter Ölförderinstallationen laufend weitere, teils noch schädlichere Umweltverschmutzungen, da es allerorten zu Erdölleckagen kommt.

Aus diesem Grund rät der ECCR dem Unternehmen, die in die Jahre gekommene Infrastruktur zu verbessern und Umweltverschmutzungen zu beseitigen, so daß die Bewohner des Nigerdeltas sauberes Trinkwasser erhalten. Außerdem empfiehlt der Rat eine Verbesserung des Dialogs mit der Bevölkerung. Der ECCR kritisiert aber nicht allein die Folgen des Gas-Abfackelns für die unmittelbar davon betroffenen Einwohner Nigerias, sondern auch die schlechte Klimaschutzbilanz. Umweltgruppen bezeichnen das Gas-Abfackeln als größte Quelle von Kohlendioxidemission in den Subsaharastaaten.

Die Umweltschützer des ECCR anerkennen, daß sich Shell in den letzten Jahren mehr bemüht hat, die Folgen seiner Tätigkeit im Nigerdelta zu reduzieren, und daß die Verantwortung dafür, daß sich die Lebensverhältnisse der Einwohner verbessern, nicht zuletzt bei der Regierung liegt. Dennoch herrsche in der Zivilgesellschaft der Eindruck vor, daß die negativen Folgen durch die Erdölindustrie die positiven Effekte bei weitem überwiegen, merken die Autoren kritisch an.

Ihre Studie erweckt alles in allem einen vermittelnden Eindruck. Wo militante Organisationen wie MEND (Movement for the Emancipation of the Niger Delta) zu den Waffen greifen und den Abzug der ausländischen Konzerne aus dem Nigerdelta fordern, appelliert der ECCR höflich an den nigerianischen Ableger des Shell-Konzerns und fordert ihn im Grunde genommen zu etwas auf, was dieser seit Jahrzehnten sehenden Auges vernachlässigt hat. Im Einvernehmen mit der jeweiligen nigerianischen Regierung, die seit Beginn der Erdölförderung in der weitverzweigten Flußmündung des Niger im Jahre 1958 von den stetig sprudelnden Einnahmen profitierte, betreiben zunächst Shell, dann weitere Ölgesellschaften hinzustoßend, eine hemmungslose Ausbeutung der wertvollen natürlichen Ressource.

Die Bewohner des Nigerdeltas bekamen davon nichts ab, und wenn sie etwas forderten, wurden ihnen schon mal mit Gewehren und Panzern die Antwort gegeben. Am 10. November 1995 wurden der Bürgerrechtler Ken Saro-Wiwa und acht Mitstreiter der Ogoni-Bewegung in Port Harcourt wegen ihres Engagements hingerichtet. Das sorgte für weltweites Aufsehen und Proteste. Verständlich, aber dabei gerät leicht in Vergessenheit, daß die vielen Toten aufgrund von Unruhen in der marginalisierten Bevölkerung auch auf das Konto der Profiteure der Ausbeutung, die sozusagen die Beute unter sich aufteilen, gehen. Es wäre zu fragen, ob beispielsweise die jüngsten Ausschreitungen in der zentralnigerianischen Stadt Jos, die mehrere hundert Tote gefordert hat, überhaupt zustandegekommen wären, wenn die Bevölkerung nicht so verarmt wäre.


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Anmerkungen:

[1] "Shell in the Niger Delta: A Framework for Change - five case- studies from civil society", 15. Februar 2010
http://www.eccr.org.uk/module-htmlpages-display-pid-78.html

16. Februar 2010