Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

AFRIKA/1929: Tauwetter - Sarkozy besucht Ruanda (SB)


Frankreich und Ruanda um "Normalität" ihrer Beziehungen bemüht


Der französische Präsident Nicolas Sarkozy hat mit seinem heutigen Besuch Ruandas unterstrichen, daß beide Staaten an normalen Beziehungen interessiert sind. Normal bedeutet, daß beide Regierungen die Leichen im Keller der anderen begraben sein lassen und zur Tagesordnung übergehen wollen.

Frankreich hatte 1994, während in dem Land der tausend Hügel, wie Ruanda auch genannt wird, ein Krieg tobte, bei dem Schätzungen zufolge binnen einhundert Tagen rund 800.000 Einwohner, die allermeisten von ihnen aus der Ethnie der Tutsi, von Hutu-Milizen abgeschlachtet wurden, Waffen an die sogenannten Völkermörder geliefert. Außerdem wird dem französischen Militär vorgeworfen, es habe, als es einen Korridor für Hunderttausende Flüchtlinge bildete, nicht verhindert, daß sich bewaffnete Kämpfer zwischen den Flüchtlingen versteckten.

Die Ruandische Patriotische Front (RPF) wiederum, die heute die Regierung stellt, hatte zwar 1994 die sogenannten Völkermörder vertrieben, aber erstens begingen auch RPF-Soldaten Massaker an der Zivilbevölkerung - und zwar bereits seit mehreren Jahren bei verschiedenen Vorstößen, von Uganda aus kommend -, und zweitens steht der heutige Präsident Paul Kagame im Verdacht, den Befehl zur Ermordung des ruandischen Präsidenten Juvenal Habyarimana am 6. April 1994 erteilt zu haben. Wenige Stunden nachdem dieser und sein burundischer Amtskollege beim Landeanflug auf Kigali mit zwei Boden-Luft-Raketen abgeschossen wurden, brachen in Ruanda die Massaker aus. Demnach wäre Kagame nicht für den Genozid, wohl aber für das Attentat verantwortlich.

Bis 1994 unterhielt Frankreich engste Beziehungen zur ruandischen Regierung, nach 1994 waren sie merklich abgekühlt. Sie vereisten jedoch regelrecht, als der französische Untersuchungsrichter Jean-Louis Bruguiere im Jahr 2006 internationale Haftbefehle gegen neun hochrangige RPF-Mitglieder aussstellte und erklärte, auch Kagame wäre auf die Liste gekommen, wenn er als Präsident nicht Immunität genösse.

Inzwischen scheinen sich Frankreich und Ruanda darauf zu einigen, einander nicht mehr mit Vorwürfen behelligen zu wollen. Der pragmatische Sarkozy folgt mit dem Besuch seinem Außenminister Bernard Kouchner, der vor kurzem nach Ruanda gereist war, und wird voraussichtlich keinerlei kritische Töne anschlagen. Das gleiche ist letztlich auch von der ruandischen Seite zu erwarten.

Zu den zahlreichen Signalen, die Frankreich in Richtung Ruanda aussendet, gehört die kürzliche Ablehnung des Antrags von Sosthène Munyemana auf Anerkennung als Flüchtling. Munyemana arbeitete zu Beginn des Genozids im April 1994 als Gynäkologe am Universitätskrankenhaus in Butare und soll sich nach Angaben der ruandischen Behörden der Beteiligung am Völkermord schuldig gemacht haben. Darüber hinaus wird im September in Kigali die französische Schule Ecole Antoine de Saint-Exupery und voraussichtlich auch das französische Kulturzentrum in nach vier Jahren wiedereröffnet. Und diese Woche Montag nahm die französische Botschaft in Kigali wieder ihre Arbeit auf; umgekehrt vertritt Burundi nicht mehr Ruandas Interessen in Paris.

Alles gerät wieder in den normalen Bereich. Frankreich wird seine Handelsbeziehungen mit Ruanda ausbauen und sicherlich ein oder zwei Augen zudrücken, wenn ein Teil der Handelsware aus der benachbarten Demokratischen Republik Kongo stammt, deren rohstoffreicher Osten seit Jahren von Ruanda, Uganda und weiteren Konfliktparteien - nicht zuletzt von der eigenen Regierung - ausgebeutet wird. Für Paul Kagame kommt dem Besuch Sarkozys keine geringe Bedeutung zu, trägt er doch zur Festigung seiner Position bei. Denn falls der Verdacht zutrifft, daß Kagame die Präsidenten zweier Länder hat umbringen lassen, müßte er als Terrorist bezeichnet werden. Ungeachtet dieser Verdächtigung ihm die Hand zu schütteln, könnte man durchaus als Pakt mit einem Terroristen auffassen. Das ist allerdings nicht die Lesart der gängigen Geschichtsschreibung, wie sie durch den Besuch des französischen Präsidenten in Ruanda fortgeschrieben wird.

25. Februar 2010