Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

AFRIKA/1936: Äthiopiens CDM-Projekt "Humbo" - Feigenblatt der Raubordnung (SB)


Schein und Sein des Green New Deal

Äthiopien erwirtschaftet mit Aufforstungsprogramm im Rahmen von Klimaschutzmaßnahmen Millionen Dollar


In Äthiopien sind zwischen sechs und neun Millionen Einwohner auf Lebensmittelhilfe angewiesen. Neben dem chronischen Nahrungsmangel treten hin und wieder Hungersnöte größten Ausmaßes auf. Das Phänomen ist nicht neu, schon vor über 25 Jahren siechten Menschen zu Millionen dahin, für rund eine Million Einwohner kam jede Hilfe zu spät. Weder durch die sogenannte Entwicklungshilfe noch durch Entschuldungsinitiativen noch irgendwelche politischen Maßnahmen wurde der Mangel grundsätzlich in Angriff genommen und behoben.

Angesichts des nach wie vor verbreiteten Glaubenssatzes, daß Äthiopien (wie auch andere Entwicklungsländer) quasi automatisch eine nachholende volkswirtschaftliche Entwicklung durchlaufen wird, um über den Zwischenschritt des Schwellenlands irgendwann so weit industrialisiert zu sein, daß es einen Vergleich der Lebensqualität für den Großteil seiner Bevölkerung mit der in den relativ wohlhabenden Staaten des Nordens nicht zu scheuen braucht, erweist sich jeder mutmaßliche Vorteil, der dem Land von denen dargeboten wird, die dort oben schon angekommen sind, als Brosamen, eben als Krümel vom Tisch der Reichen.

Beispielsweise Einkünfte, die gegebenenfalls im Rahmen von internationalen Klimaschutzverträgen erwirtschaftet werden können. Äthiopien ist das erste afrikanische Land, das ein sehr großes Aufforstungsprojekt als CDM-Maßnahme genehmigt bekommen hat. [1] Im Rahmen des Humbo Assisted Natural Regeneration Projects wurden seit 2007 mehr als 2700 Hektar degradiertes Land in den südwestlichen Bergen Äthiopiens aufgeforstet bzw. wiederaufgeforstet. Aufgrund der Anerkennung des Projekts durch die UN-Behörde UNFCCC (UN Framework Convention on Climate Change) darf Äthiopien bis 2017 Zertifikate für mehr als 338.000 Tonnen Kohlenstoff verkaufen. Ermöglicht wird dies aufgrund des Clean Development Mechanism des Kyoto-Protokolls zur Reduzierung von Treibhausgasen.

Von diesen Kohlenstoffkrediten (carbon credits) will der von der Weltbank eingerichtete BioCarbon Fund 165.000 Tonnen erwerben. BioCarbon Fund pflegt "carbon credits" zu kaufen, die entweder aufgrund der Aufforstung und Wiederaufforstung im Rahm der CDM oder aufgrund von Projekten zur Landnutzung außerhalb der CDM zur Treibhausgasverringerung vertrieben werden. Den örtlichen äthiopischen Gemeinden fließt vom BioCarbon Fund über wenigstens zehn Jahre hinweg stetig mehr als 700.000 US-Dollar zu. Außerdem erhalten die Gemeinden Einnahmen durch "carbon credits", die nicht von der Weltbank erworben wurden. Darüber hinaus dürfen sie aus dem Aufforstungsgebiet begrenzt Holz verkaufen.

Man könnte den Standpunkt vertreten, daß den äthiopischen Gemeinschaften enorme Vorteile aus der Möglichkeit erwachsen, ihr karges Land aufzuforsten. Denn der Nutzwert der Landschaft nähme beträchtlich zu: Wälder dienen als Erosionsschutz und sie regulieren den Wasserhaushalt, indem sie bei Starkregen einen Teil der Wassermassen zwischenspeichern. Umgekehrt geben Wälder auch in Dürrezeiten häufig noch Wasser aus ihren Speichern ab. Zudem werfen sie Früchte und Holz ab. Zu diesen Vorteilen gesellt sich nun die Anerkennung als CDM-Projekt. Auch erhalten einige Einwohner eine Anstellung und damit ein bescheidenes Auskommen. Verglichen damit, daß sie ohne das Projekt weder Wald noch ein Einkommen hätten, müßten die Bewohner als Gewinner bezeichnet werden.

Aber wie verhält es sich mit der Bedeutung des Humbo-Projekts, das nach Einschätzung von Tim Costello, CEO der an dem Projekt beteiligten Organisation World Vision Australia, Vorbildcharakter für ganz Afrika haben soll [2], im Rahmen internationaler Geldflüsse und Investitionen? Da zeigt sich, daß Äthiopien Entwicklungschancen nach wie vor beschnitten werden - ungeachtet seiner Entschuldung durch die Weltbank und ungeachtet der sogenannten Entwicklungshilfe. In der globalisierten Welt, in der das ostafrikanischen Land fundamentale Einkommensnachteile verzeichnet, weil beispielsweise die Arbeit eines Bauern oder Handwerkers in Äthiopien als weniger wert angesehen wird als die Arbeit eines Bauern oder Handwerkers in den Industriestaaten, wird sich das Einkommensniveau nie angleichen - zumindest nicht nach oben hin. Äthiopien bleibt im Rahmen der Weltordnung wesentlich ein Ressourcenland. Mit dem Humbo-Projekt wird es darüber hinaus zu einem Kohlenstoffspeicherland. Aber beide Charaktereigenschaften verhindern eher Entwicklungschancen, als daß sie förderten. Jene 700.000 Dollar, die nach Weltbank-Angaben als "steter Geldstrom" über "mindestens zehn Jahre" hinweg an die Gemeinden fließen, werden Äthiopien als ganzes nicht wohlhabend machen.

Die befristeten Vorteile des Kohlenstoff-Zertifikathandels für Äthiopien werden durch die strukturellen wirtschaftlichen Nachteile, die dem Land in der Vergangenheit zugefügt wurden und laufend weiter zugefügt werden, nicht im mindesten egalisiert. Solange die Voraussetzungen des konkurrenzgetriebenen, profitorientierten Wirtschaftens nicht aufgehoben werden, die Äthiopien, das hier stellvertretend für viele Entwicklungsländer steht, bis heute zu einem armen Land am unteren Ende der sogenannten Wertschöpfungskette gemacht haben, bleibt der Carbon-Credit-Markt ein Feigenblatt der führenden Wirtschaftsmächte, die dank dieses Systems ihre eigene, die Erderwärmung beschleunigende Wirtschaft nicht herunterzufahren brauchen und den Vorsprung gegenüber den Entwicklungsländern aufrechterhalten können. Da die Armut von vielen die Grundlage für den Reichtum von wenigen bildet, werden die Nutznießer dieser Weltordnung einen Teufel tun und daran etwas ändern.

* Anmerkungen:

[1] "Africa´s First Large-Scale Forestry Project Under the Kyoto
Protocol. New Carbon Finance Project Will Alleviate Poverty and
Address Climate Change", Press Release No: 2010/279/SDN, 3. März
2010

http://web.worldbank.org/WBSITE/EXTERNAL/NEWS/0,,contentMDK:22487653~pagePK:64257043~piPK:437376~theSitePK:4607,00.html

[2] "Africa's First Big Forestry Project Registered Under Kyoto Protocol", Environment News Service, 9. März 2010
http://www.ens-newswire.com/ens/mar2010/2010-03-09-01.html

12. März 2010