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AFRIKA/2048: Tränengas gegen Dorfbewohner - Wasserkonflikt in Tansania (SB)


Klimabedingter Rückgang der Niederschlagsmenge in Tansania verschärft Wassermangel

Polizei verhindert gewaltsam Wassernutzung - Dorfbewohner gehen auf die Barrikaden


Ein vermeintlich unbedeutendes Ereignis, das nicht einmal in den Randspalten der hiesigen Zeitungen Erwähnung findet: Die tansanische Aufstandsbekämpfungspolizei hat mit Hilfe von Tränengas und scharfen Schüssen in die Luft Hunderte wütende Dorfbewohner davon abgehalten, Wasser aus zwei nahegelegenen Flüssen zur Bewässerung ihrer Felder abzuzweigen. Nach Angaben der Dorfbewohner wurde mehr als ein halbes Dutzend Personen, darunter Kinder und Alte, verhaftet.

Was diese Meldung der in Tansania erscheinenden Zeitung "The Citizen" vom 8. November 2011 [1] erwähnenswert macht, ist, daß sie beispielhaft aufzeigt, wie der Klimawandel die "ganz normalen" Lebensverhältnisse (nicht nur) in Afrika verändern und Konflikte auf lokaler Ebene auslösen bzw. verschärfen wird. Man kann davon ausgehen, daß auf der ganzen Welt viele solcher oder ähnliche Auseinandersetzungen stattfinden, ohne daß darüber berichtet wird, und daß ihre Häufigkeit und Intensität zunehmen.

Auf der großen UN-Klimakonferenz, die Ende des Monats in Durban beginnt, soll eigentlich eine Fortsetzung des sowieso recht zahnlosen Klimaschutzprotokolls von Kyoto beschlossen werden. Doch wahrscheinlich wird selbst dieses einzige international verbindliche Abkommen zur Verhinderung der Erderwärmung nicht mal mehr fortgesetzt, geschweige denn von einem wirksameren Abkommen abgelöst. Den Preis für das Scheitern bezahlen nicht die gutsituierten Konferenzteilnehmer, sondern andere, beispielsweise die Bewohner der tansanischen Dörfer Kikwe und Nambala im Arumeru Distrikt in der Region Arusha. Am ersten Novemberwochenende hat die Polizei sie daran gehindert, Wasser über einen acht Kilometer langen Graben vom Fluß Malala zur Bewässerung ihrer Felder umzuleiten. In jener Region leben rund 700 Kleinbauern, die eine Fläche von etwa 162 Hektar bewirtschaften.

Die Einwohner von Kikwe und Nambala fragen sich, warum ihre Nachbarn aus dem Dorf Maweni das Wasser verwenden dürfen, weil ihnen angeblich einige Farmen in der Gegend gehören, und warum die Bezirkskommissarin Mercy Silla mit der Polizei aufmarschiert ist, anstatt sich mit ihnen zu treffen und den Konflikt friedlich beizulegen. "The Citizen" berichtet allerdings auch, daß der regionale Polizeikommandant Akili Mpwapwa von keinen Verhaftungen Kenntnis habe. Seinen Angaben zufolge war die Polizei dort aufgetaucht, weil die Bauern gewaltsam den Verlauf des Flusses zu Lasten anderer Wassernutzer verändern wollten. Und Silla sagte am Telefon gegenüber der tansanischen Zeitung, daß sie sich zwei Tage zuvor mit den Dorfbewohnern getroffen habe und es vereinbart worden sei, daß das Wasser allen Nutzern in der Gegend und nicht nur den Bewohnern von Kikwe und Nambala zur Verfügung stehen sollte.

Bereits im Sommer hatten die Dorfbewohner die Behördenvertreter dafür kritisiert, daß sie ihnen auszureden versucht hätten, ihr Getreide zu bewässern. [2] Damals hieß es, die Einwohner hätten sich im Mai 2009 bemüht, von der Bezirksverwaltung eine Genehmigung für den Bau des Grabens zu erhalten, was aber aus unbekannten Gründen zurückgewiesen worden sei. Ein Sprecher der Dorfbewohner bezichtigte die Beamten, nur die Interessen der kommerziellen Bauern und nicht die der Kleinbauern zu berücksichtigen. Das gleiche sei schon einmal passiert, als Dorfbewohner Wasser aus dem Fluß Kiseiya zur Bewässerung ihrer Felder abzweigen wollten und aufgrund der Einflußnahme der kommerziellen Bauern davon abgehalten worden seien. Dabei habe der Regionalkommissar ihnen die Nutzung dieses Wassers gestattet, nicht jedoch die Bezirksregierung.

Auch wenn eine zuverlässige Beurteilung der genauen Nutzungsverhältnisse des Flußwassers aus der Ferne schwer möglich ist, bleibt eines unstrittig: Es besteht ein akuter Wassermangel, und das in einer Region, die in der Vergangenheit zwar knapp, aber deutlich mehr als heute mit Niederschlag versorgt wurde, wie dem gemeinsamen Studienprojekt Clim-A-Net der Carl von Ossietzky Universität von Oldenburg, der Universität von Dar es Salaam (UDSM) und der Nelson Mandela Metropolitan University (NMMU) zu entnehmen ist. [3]

Die Dörfer Kikwe und Nambala liegen im Pangani River Becken südöstlich der Berge Meru, Kilimanjaro und Pare. Unter anderem aufgrund von Zuwanderung verzeichnet die Region ein starkes Bevölkerungswachstum, das in Verbindung mit einem wirtschaftlichen Wachstum den allgemeinen Wasserbedarf erhöht hat. In den bergigeren Regionen Nordosttansanias regnet es zwar häufiger und kräftiger, aber das gilt nicht für die flacheren Ebenen, die in einer semiariden Klimazone liegen. Die Bauern sind auf das Wasser aus den Bergen angewiesen, um ihre Felder ausreichend bewässern zu können.

Das Pangani River Becken ist bekannt für Wasserkonflikte, die sich zwischen Wanderhirten und seßhaften Bauern, zwischen Anwohnern der Ober- und der Unterläufe, zwischen Mitgliedern verschiedener Ethnien sowie zwischen Subsistenzbauern und Besitzern größerer Farmen entzünden. [4, 5] Auch können Streitigkeiten hinsichtlich der Art der Wassernutzung entstehen, da beispielsweise offene Gräben eine höhere Verdunstungsrate aufweisen als Rohrsysteme. Allerdings verfügen die Kleinbauern nicht über die finanziellen Mittel, um eine sparsamere Bewässerungsanlage auf ihren Feldern zu installieren.

Der Wassermangel hat somit nicht ausschließlich mit Veränderungen des Klimas, sondern auch der sozioökonomischen Verhältnisse zu tun. Die wiederum lassen sich allerdings auch auf die Weltmarktsituation - und damit wie die Klimaveränderungen auf Kräfte und Interessen außerhalb des Landes - zurückbrechen, wie das Land Grabbing sowie die Exportorientierung Tansanias zeigen.

Der Konflikt eignet sich als Beispiel dafür, welche Folgen es auf lokaler Ebene haben wird, wenn auf globaler Ebene keine Klimaschutzeinigung erzielt wird. Afrika zählt zu den Regionen, die weltweit am wenigsten zur Erderwärmung beigetragen haben, aber am schwersten von ihr betroffen sein werden. Innerhalb Afrikas wiederum werden Gebiete wie das Pangani Becken, das hinsichtlich der Wasserverfügbarkeit bereits "vorgestreßt" ist, am stärksten unter dem Klimawandel leiden. Die von Wissenschaftlern in jüngster Zeit prognostizierte Verschiebung von Klimazonen bis dahin, daß neue Klimazonen entstehen, in denen kein Mensch mehr leben kann, wird aride und möglicherweise sogar auch semiaride Gebiete betreffen.

Die zu erwartende Verlagerung von Windsystemen als Folge des Klimawandels könnte den in den letzten Jahren zu beobachtenden Trend verstärken, daß die Niederschlagsmenge an den ostafrikanischen Vulkanbergen abnimmt und die letzten verbliebenen Gletscher Afrikas verschwinden. Wassermangel wirkt auf vielfältige Weise konfliktverschärfend, was nicht immer mit so offenkundigen Notlagen einhergeht wie aktuell die von Dürre verstärkte Hungerkatastrophe am Horn von Afrika. In der Summe der vermeintlich geringfügigen Einzelkonflikte jedoch wird der zukünftige Wassermangel ebenfalls die Existenz von Millionen Menschen gefährden.



Anmerkungen:

[1] "Villagers fight over scarse water", The Citizen, 8. November 2011
http://thecitizen.co.tz/news/4-national-news/16872-villagers-fight-over-scarse-water.html

[2] "Council criticised for discouraging irrigation", The Citizen, 11. Juli 2011
http://174.132.155.186/news/4-national-news/12714-council-criticised-for-discouraging-irrigation.html

[3] "Pangani River Basin (Tanzania)", Universität von Oldenburg, Forschungsschwerpunkt Clim-A-Net, aus dem Internet abgerufen am 22. November 2011
http://www.climanet.uni-oldenburg.de/research/study-regions/pangani-river

[4] "Managing Conflicts Over Land and Water Resources in Pangani River Basin", Eastern and Central Africa Programme for Agricultural Policy Analysis (ECAPAPA), Ibrahim Juma, Sikitiko Kapile, Omari Wahure, aus dem Internet abgerufen am 22. November 2011
http://www.panganibasin.com/images/uploads/Managing_conflics_over_land_and_water_resources_in_Pangani_River_Basin.pdf

[5] "Population, Migration, and Water Conflicts in the Pangani River Basin, Tanzania", Prof. Milline J. Mbonile, Department of Geography/Demographic Training Unit, Universität Daressalaam. In: ECSP Report, Issue 12, aus dem Internet abgerufen am 22. November 2011
http://www.panganibasin.com/images/uploads/Mbonile12.pdf
Der Artikel beruht auf "Migration and intensification of water conflicts in the Pangani basin, Tanzania", (2005). Habitat International 29, 41-67.

22. November 2011