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AFRIKA/2062: Tullow Oil stößt in Kenia auf Erdöl - Abgeordnete fordern von Regierung mehr Transparenz (SB)


Im Rausch des Schwarzen Goldes

Neue Erdölfunde in Ostafrika - Beispiel Kenia



Am Montag vergangener Woche teilte Kenias Präsident Mwai Kibaki mit, daß bei einer Bohrung im Turkana-Bezirk eine beträchtliche Erdöllagerstätte entdeckt worden sei [1]. Am selben Tag gab das mit der Exploration befaßte britische Unternehmen Tullow Oil Plc auf seiner Website eine Presseerklärung [2] ab, wonach das Bohrloch Ngamia-1 in Block 10BB des Turkana-Bezirks bis zu einer Tiefe von 1041‍ ‍Metern ausgebracht und erfolgreich leichtes Rohöl (Dichte größer als 30 API) zu Tage gefördert wurde. Das habe ähnliche Eigenschaften wie das Erdöl in Uganda. Die Ngamia-Struktur sei die erste Bohrstelle im Rahmen einer umfangreichen Suche nach Erdöl auf einer Fläche von 100.000 Quadratkilometern in Kenia und Äthiopien.

Weil in dieser Großregion teils ähnliche geologische Bedingungen vorliegen, bezeichnet Tullow Oil die Aussichten, auf weitere Erdöllagerstätten zu stoßen, als aussichtsreich. Im nächsten Schritt will das Unternehmen am selben Bohrloch auf 2700 Meter Tiefe gehen, um herauszufinden, ob es noch tiefer gelegene Schichten mit bedeutenden Erdölvorkommen gibt. Die Ölförderung in Block 10BB teilen sich Tullow Oil und Africa Oil zu je 50 Prozent.

Laut Berichten kenianischer Medien verlief die Vergabe der Explorationslizenzen nicht transparent. Mit Blick auf Nigeria kam die Frage auf, ob nun auch Kenia Opfer des Erdölfluchs wird. In dem westafrikanischen Staat wird seit über einem halben Jahrhundert Erdöl gefördert, das dem Land zig Milliarden Dollar an Exporteinnahmen eingebracht hat. Aber vom Wohlstand profitieren neben den ausländischen Firmen nur Politiker und einige Geschäftsleute, wohingegen etwa 70 Prozent der Nigerianer unterhalb der Armutsgrenze leben. Die Bedürftigkeit und das Elend der Menschen dürfte in Nigeria beispielsweise mit dazu beigetragen haben, daß fundamentalistisch religiöse Organisationen wie Boko Haram, die mit Waffengewalt nicht nur eine strenge Auslegung des Korans durchsetzen, sondern auch die westlichen Erdölgesellschaften aus dem Land werfen will, Zulauf erhalten. Damit soll gesagt werden, daß die Folgen des sogenannten Erdölfluchs weitreichender gefaßt werden müssen, als dies normalerweise getan wird. Soziale Konflikte, in diesem Fall mit starkem religiösem Charakter, treten auch außerhalb des Fördergebiets - das in diesem Beispiel im christlich dominierten Süden liegt, während Boko Haram im muslimischen Norden verankert ist - auf.

Kenianische Parlamentarier haben die Regierung aufgefordert, das Abkommen mit den Ölgesellschaften zu veröffentlichen, meldete die Zeitung Capital FM online [3]. Der für den Wahlbezirk Turkana Süd zuständige Abgeordnete Joseph Nanok erklärte, daß niemand die Lizenz-Verträge habe einsehen dürfen. Dabei seien Transparenz und Verläßlichkeit sowohl bei der Erdölexploration als auch -produktion wichtig, um mögliche Skandale jetzt und in Zukunft zu vermeiden.

Darüber hinaus gibt Capital FM unbestätigte Gerüchte wieder, wonach einige der Land- und Schürfrechte von hochrangigen Regierungsmitgliedern und Personen, die einen guten Draht zur Politik haben, für drei Milliarden ken. Schillinge (ca. 27,1 Mio. Euro) verkauft wurden, aber daß nichts von der Summe bei den Kommunen angekommen sei.

Doch es handele sich um kommunales Land, die Einwohner hätten ein Recht zu wissen, wie es genutzt werden soll, so Nanok. Man sei durchaus offen für die Investoren, erklärte der für Zentral-Turkana zuständige Abgeordnete Ekwe Ethuro im selben Bericht. Aber nun müsse überprüft werden, ob die gesetzlichen Bestimmungen (das Petroleum Exploration and Production Act sowie das Mineral Exploration Act) eingehalten wurden, damit die Ressourcen angemessen genutzt und die Kommunen an den Einnahmen beteiligt werden.

Der Bezirksrat von Turkana warnte am vergangenen Freitag, daß das Land von Ngamia-1 ohne seine Zustimmung und Beteiligung verkauft worden war [4]. Wohingegen im Editorial der kenianischen Zeitung "The Star" [5] der Standpunkt vertreten wird, daß die Einwohner keinen Grund haben, den "Erdölfluch" zu fürchten. Kenia habe große Fortschritte hinsichtlich Transparenz und Verläßlichkeit gemacht. Beispielsweise gebe es dank der neuen Verfassung eine unabhängige Justiz. Auch die Zivilgesellschaft sei mit den Jahren stark geworden. Die Einnahmen aus dem Erdölverkauf könnten nicht insgeheim beiseite geschafft werden, gibt sich der Schreiber überzeugt.

Ganz so sicher ist der u.a. für Kenias Innovations- und Entwicklungsprogramm "Vision 2030" zuständige Staatssekretär Peter Kenneth nicht, wenn er sagt: "Unsere Aufgabe besteht darin, sicherzustellen, daß durch die Art der Ausbeutung der Segen nicht in einen Fluch verwandelt wird." [6]

In den meisten Ländern Afrikas, in denen Erdöl oder andere Rohstoffe gefunden wurden, versprachen die Politiker wachsenden Wohlstand für die Bevölkerung. In den wenigsten Fällen wurden die Erwartungen erfüllt. In Kenia leben 50 Prozent der Einwohner unterhalb der Armutsgrenze, mit Verfassung, unabhängiger Justiz und starker Zivilbevölkerung.


Fußnoten:

[1]‍ ‍"Oil discovered in Kenya´s Turkana County", The Standard, 26. März 2012
http://www.standardmedia.co.ke/editorial/InsidePage.php?id=2000054938&cid=4&

[2]‍ ‍"Ngamia-1 oil discovery in Kenya Rift Basin", Tullow Oil Press releases, 26. März 2012
http://www.tullowoil.com/index.asp?pageid=137&newsid=752&sharepanel=share

[3]‍ ‍"Kenya: Make Turkana Oil Deal Public - MPs", Capital FM (Nairobi), 2. April 2012
http://allafrica.com/stories/201204030050.html

[4]‍ ‍"Kenya: Turkana Council Raises Red Flag On Land Deals", Capital FM (Nairobi), 30. März 2012
http://allafrica.com/stories/201204020013.html

[5]‍ ‍"Kenya: Citizens Have No Reason to Fear 'Oil Curse'", The Star (Nairobi), 31. März 2012
http://allafrica.com/stories/201204010054.html

[6]‍ ‍"Kenya: Plan Well for Oil in Turkana - Kenneth", The Star (Nairobi), 1. APRIL 2012
http://allafrica.com/stories/201204030134.html

3.‍ ‍April 2012