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AFRIKA/2102: Südafrika - Gesundheitsfolgen von Gentech-Lebensmitteln unerforscht (SB)


Das African Center for Biosafety warnt

Millionen Südafrikaner verzehren täglich gentechnisch verändertes Maismehl

Europäische Wissenschaftler beziehen Position: Kein "Konsens" bezüglich Sicherheit von GM-Nahrung



Wer in Südafrika Maismehl kauft, muß davon ausgehen, daß es gentechnisch verändert ist oder zumindest einen hohen Gentech-Anteil enthält, teilte das African Center for Biosafety (ACB) in einer Presseerklärung vom 18. Oktober 2013 mit. "Die Mehrheit der Südafrikaner ißt nicht nur GM-Mais ohne ihr Wissen und ihre Zustimmung, sondern hat auch keine Alternative, selbst wenn die Produkte korrekt gekennzeichnet sind. Das ist vollkommen undemokratisch und inakzeptabel", sagt Mariam Mayet, Gründerin und Leiterin des ACB, das sich für die Ernährungssouveränität durch ökologischen Landbau und gegen die industrielle Landwirtschaft einsetzt. [1]

Südafrika ist das erste Land auf dem Kontinent, das die Verbreitung von gentechnisch veränderte Organismen (GVO) in der Landwirtschaft zugelassen hat. Das GVO-Gesetz von 1997 wurde im Jahr 2006 abgeändert und trat am 26. Februar 2010 in Kraft. Unterdessen haben einige Gentech-Pflanzen den gesamten Markt erobert. In der Saison 2012/13 waren 86 Prozent des für den menschlichen Verzehr vorgesehenen weißen Maises, 100 Prozent der Baumwolle und 98 Prozent der Soja gentechnisch verändert.

Formal ist seit dem Jahr 2009 eine Kennzeichnungspflicht für gentechnisch veränderte Organismen in Lebensmitteln in Kraft, allerdings bleibt laut Mariam Mayet die Umsetzung "mangelhaft"; ein Verbraucherschutzgesetz sei noch in Arbeit. [2] Viele Unternehmen haben ihr Maismehl bereits mit einem entsprechenden Hinweis auf die Gentechnik versehen, wobei Formulierungen wie "möglicherweise gentechnisch verändert" bei einem von ACB nachgewiesenen GM-Anteil von 79,78 Prozent im Maismehl des Unternehmens Woolworth zumindest irritierend wirken.

In dem Kapstaat ist Maismehl ein Grundnahrungsmittel, viele Südafrikaner nehmen es mindestens einmal am Tag in irgendeiner verarbeiteten Form zu sich. Das bedeutet, daß mehrere Millionen Einwohner des Landes regelmäßig größere Mengen an gentechnisch veränderten Produkten essen.

Ursprünglich diente Südafrika den transnationalen Unternehmen als Brückenkopf für die Verbreitung gentechnisch veränderter Organismen in ganz Afrika. Inzwischen wird den GM-Produkten in zahlreichen Ländern des Kontinents der Weg geebnet. So hat im September 2013 der Ministerrat der regionalen Organisation COMESA (Common Market for Eastern and Southern Africa - Gemeinsamer Markt für das Östliche und Südliche Afrika) den Entwurf "Draft Policy Statements and Guidelines for commercial planting of GMOs, Trade in GMOs and Emergency Food aid with GMO content" angenommen, laut dem die Verbreitung von gentechnisch veränderten Organismen in den zwanzig Mitgliedsländern forciert werden soll. [3]

Zivilgesellschaftliche Organisationen wie ACB warnen nicht nur aufgrund gesundheitlicher und ökologischer Bedenken vor der Verbreitung von GVO, sondern auch, weil deren breiter Einsatz zur Entstehung von Monokulturen und einer erdrückenden Marktmacht weniger Unternehmen beiträgt. So hat Monsanto in Südafrika bereits eine weitgehend unangefochtene Rolle hinsichtlich der Verbreitung von gentechnisch verändertem Saatgut eingenommen. Von ihm stammen 81 Prozent des weißen GM-Maises.

Nachdem die Bedenken der südafrikanischen Kartellbehörden ausgeräumt wurden, durfte Anfang August 2013 das US-Unternehmen Pioneer Hi-Bred - ein Tochterunternehmen von DuPont - das südafrikanische Saatgutunternehmen Pannar Seed (Mais, Sorghum) aufkaufen. Seidem hat die Dominanz weniger ausländischer Konzerne in Südafrika nochmals zugenommen. Die Verfügbarkeit der traditionellen Sorten nimmt dagegen ab, und die Kleinbauern laufen Gefahr, sich aufgrund der Lizenzabgaben für das GM-Saatgut zu verschulden. [4]

Ein weiteres Problem, das stets in Verbindung mit GM-Saat auftritt, ist die Pestizidbelastung. 64 Prozent des in Südafrika angebauten Maises sind resistent gegenüber Glyphosat, dem Hauptbestandteil von Unkrautvernichtungsmitteln, die üblicherweise bei GM-Pflanzen verwendet werden. Laut einer europaweiten Studie findet sich Glyphosat selbst im Urin von Stadtbewohnern, die das Mittel nie selber eingesetzt haben und in Ländern wie der Bundesrepublik Deutschland wohnen, in denen so gut wie keine gentechnisch veränderten Pflanzen ausgebracht wurden. Da drängt sich der Verdacht auf, daß die Südafrikaner um so mehr mit Glyphosat belastet sein könnten.

Die langfristigen gesundheitlichen Folgen der doppelten "Beeinträchtigung", zum einen durch gentechnisch veränderte Produkte, die in Tierversuchen unter anderem zu Leber- und Nierenschäden, Magenentzündungen, Diabetes und Immunschwäche geführt haben, zum anderen mit Glyphosat, wären noch zu untersuchen. Jedenfalls wurde im vergangenen Jahr in einer Studie an Kindern in Kapstadt ein überraschender Anstieg von Lebensmittelallergien festgestellt. Bislang hatten die Mediziner angenommen, daß diese weltweite Epidemie an Südafrika vorübergeht. [5] Von einer regelrechten Diabetes-Epidemie und einer rasant wachsenden Zahl an Betroffenen in seinem Land spricht wiederum Dr. Larry Distiller, Gründer und Leiter des Centre for Diabetes and Endocrinology in Johannesburg. [6]

In beiden Studien wird keine Verbindung zwischen dem Anstieg der Erkrankungsrate und dem Verzehr gentechnisch veränderter Nahrungsmitteln hergestellt und soll auch an dieser Stelle nicht behauptet werden. Dennoch ist festzustellen, daß beispielsweise Distillers Annahme, die Diabetes-Epidemie könne mit der "Urbanisierung" und der raschen Umstellung der Ernährungsgewohnheiten der Landbevölkerung, die in die Städte zieht, zu tun haben, nicht den Verzehr von Gentech-Produkten als einen möglichen Faktor innerhalb eines vielleicht größeren Wirkkomplexes ausschließt.

Das von Vertretern der grünen Gentechnik häufig vorgebrachte Argument, daß gentechnisch veränderte Nahrungsmittel sicher sind, schließlich seien sie seit bald zwanzig Jahren in den USA auf dem Markt, kann wohl kaum greifen angesichts des dort gehäuften Auftretens beispielsweise von Diabetes, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Allergien, Autismus und Adipositas. Einen "Konsens" bezüglich der GMO-Sicherheit gibt es nicht, gegenteilige Behauptungen seien "irreführend", heißt es dann auch in einem am 21. Oktober veröffentlichten Positionspapier des europäischen Netzwerks kritischer Wissenschaftler ENSSER (European Network of Scientists for Social and Environmental Responsibility). [7]

Die 92 Unterzeichner des Papiers fordern zu einer öffentlichen Debatte über die Sicherheit der GM-Produkte auf. Es sei noch keine epidemiologische Studie zu den potentiellen Folgen von GM-Lebensmitteln auf die menschliche Gesundheit durchgeführt worden, heißt es. Das gilt natürlich auch für Südafrika, wo die Bevölkerung seit einigen Jahren regelmäßig größere Mengen an GM-Mais ißt, da ihnen entgegen anderslautender wissenschaftlicher Einschätzungen versprochen wurde, daß sein Verzehr sicher ist.


Fußnoten:

[1] http://www.acbio.org.za/images/stories/dmdocuments/GM-Maize_%20Press_%20Release-Oct2013.pdf

[2] http://www.gen-ethisches-netzwerk.de/gid/217/es-nicht-alles-verloren%E2%80%9D-frei-online

[3] http://www.acbio.org.za/images/stories/dmdocuments/AFSA-STATEMENT-GMO-POLICY.pdf

[4] http://www.keine-gentechnik.de/news-gentechnik/news/de/27946.html

[5] http://www.allergysa.org.za/journals/march2012/food_allergy_in_South_Africa.pdf

[6] http://www.health24.com/Medical/Diabetes/About-diabetes/Diabetes-tsunami-hits-South-Africa-20130210

[7] http://www.ensser.org/fileadmin/user_upload/ENSSER_Statement_no_scientific_consensus_on_GMO_safety_ENG_LV.pdf

21. Oktober 2013