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AFRIKA/2105: Embobut-Wald, Westkenia - Vertreibung aus Gründen des Naturschutzes (SB)


Neue Runde der Vertreibung des Sengwer-Volks



In Kenia droht mehreren tausend Waldbewohnern die Vertreibung. Betroffen ist unter anderem die Volksgruppe der Sengwer, die in dem Embobut-Wald in den Cherangany-Bergen lebt. Die "Squatter" - Besetzer - sollen den Wald verlassen, damit dessen Biodiversität erhalten bleibt und der Druck auf die übernutzten Wasserressourcen gelindert wird, erklären die Behörden. Demnach wurden weitreichende Zerstörungen an dem Wald verübt; mehrere Flüsse dieses wichtigen Wassereinzugsgebiets für mehrere Städte sollen bereits versiegt sein.

Die Waldbewohner seien keineswegs "Squatter", hält die in Großbritannien ansässige Initiative Forest Peoples Programme (FPP) dem diffamierenden Begriff entgegen. Die Mehrheit der Bewohner sei seit Generationen in dem Gebiet ansässig, und bei den Zugezogenen handele es sich um Menschen, die entweder vor gewaltsamen Übergriffen im Zuge der Wahlen fliehen mußten oder deren Heimat durch Hangrutschungen zerstört wurde. Die Vertreibung widerspreche Artikel 63 der kenianischen Verfassung und verletzte internationale Menschenrechte. Außerdem habe ein Hohes Gericht aus der Stadt Eldoret jegliche Vertreibung untersagt, solange noch Rechtsfragen offen sind. Mit einem Urteil in dieser Sache wird für den 6. Februar gerechnet. [1]

In dem betroffenen Gebiet leben nach Angaben der kenianischen Regierung zwischen 7.000 und 13.000 Personen. Nach Regierungsangaben haben fast 3.000 Familien eine Entschädigungszahlung in Höhe von 400.000 Kenia-Schilling, (umgerechnet 3.375,64 Euro) erhalten, damit sie sich woanders ansiedeln. Dafür erhalte man jedoch nur vier Kühe oder 0,1 Hektar Land, wird von Seiten der Zivilgesellschaft kritisiert. [2] Anscheinend haben einige Familien das Geld genommen, sind aber nicht weggezogen, weil sie es als Entschädigung für frühere Übergriffe seitens der Regierung betrachten.

Anscheinend versuchen die Behörden schon seit vielen Jahren, vorgeblich aus Gründen des Naturschutzes, die Bewohner des Embobut-Waldes zu vertreiben, und sind dabei auch nicht zimperlich vorgegangen. Hütten wurden niedergerissen und abgefackelt, Nahrungsvorräte vernichtet, Schulbücher und -uniformen zerstört. Noch im Mai 2013 wurde eine solche Gewaltmaßnahme gegen die Waldbewohner verübt. Die schöpften im November vergangenen Jahres ein wenig Hoffnung, daß sich die Politik der Regierung ändern wird, nachdem der neue Präsident Uhuru Kenyatta und sein Stellvertreter das Gebiet aufsuchten und ihnen eine Entschädigungszahlung versprachen.

Mit der Androhung der zwangsweisen Vertreibung und den jüngsten Maßnahmen der Behörden zerschlugen sich aber die Hoffnungen. Medienberichten zufolge wurden rund 150 Waldschützer und Polizeibeamte, darunter 30 aus Einheiten der Aufstandsbekämpfung, an drei Orte (Tangul, Kipsitono und Maron) in die Nähe des Waldes entsandt, damit sie von dort aus die Vertreibung durchführen. Die Frist, in der die Menschen das Gebiet verlassen müssen - Stichtag war der 3. Januar -, werde nicht verlängert, erklärte der Kommissioner für den zuständigen Elgeyo Marakwet genannten Bezirk, Arthur Osiya. Einige Waldbewohner samt ihren Kindern sind bereits aus Furcht vor Übergriffen geflohen, berichtete FPP.

Vergangene Woche Montag appellierten internationale Umwelt- und Menschenrechtler an Kenias Präsidenten, seine Regierung sowie die Vereinten Nationen und baten um Schutz für die Rechte der indigenen Gemeinschaften. Gegenüber der Thomson Reuters Foundation erklärte Justin Kenrick, Politikberater der FPP für Afrika, daß die kenianische Regierung unter dem Vorwand des Naturschutzes "Geld" mit dem Waldgebiet machen wolle. Ein Vorwurf, der bei der Regierung nicht verfangen dürfte, scheint es doch zumindest unstrittig zu sein, daß die Ökosysteme in den Cherangany-Bergen unter starkem Druck stehen.

Demnach findet die Vertreibung vor dem Hintergrund eines von der Weltbank finanzierten Natural Resource Management Projects (NRMP) statt, das mit der kenianischen Regierung zum Schutz des Waldes abgeschlossen wurde. [3] Auch die Globale Umwelfazilität (Global Environment Facility - GEF) und das Entwicklungsprogramm der Vereinten Nationen (UNDP) haben sich mit dem Problem befaßt. [4]

Die ursprünglichen Einwohner sind vorwiegend Jäger und Sammler, die Zugezogenen vorzugsweise Landwirte. Wenn viele tausend Menschen längere Zeit in einem Waldgebiet leben, dann bleiben teils weitreichende Siedlungsfolgen nicht aus. Bäume werden geschlagen, um Hütten zu bauen, Holz wird zum Feuermachen gesammelt, es werden Früchte geerntet; es entsteht Schmutzwasser, Pfade werden getreten, und vieles mehr. Kenrick sagt dazu, daß das ursprüngliche Vorhaben des Weltbankprojekts, den Besitz der Gemeinde zu regulieren, gescheitert ist. Die Regierung solle sich mit den Waldbewohnern zusammensetzen und klären, wer bleiben und wer wegziehen will. Dem Sprecher der indigenen Bewohner zufolge sind diese bereit, alles zu unterlassen, was zur Zerstörung der Wälder führt. Sie fordern allerdings, daß nichts über ihre Köpfe hinweg entschieden wird.

Auch angesichts der von Vertreibungen geprägten Geschichte der Sengwer kann das keine überzogene Forderung an die Regierung sein. So berichtete die Entwicklungsorganisation Survival International, daß die Sengwer mit der Einrichtung des Saiwa-Swamp-Nationalparks aus ihrem Stammesgebiet vertrieben und seit den 1980er Jahren schon mehr als zwanzig Vertreibungen ausgesetzt wurden. [5] Die britische Hilfsorganisation Sengwer Aid wiederum verweist darauf, daß das Volk bereits Ende des 19., Anfang des 20. Jahrhunderts von britischen Siedlern aus ihrem ursprünglichen Stammesgebieten vertrieben wurden. [6]

Der kenianischen Regierung würde es gut zu Gesicht stehen, wenn sie diesen Konflikt auf eine Weise löst, mit der alle Beteiligten einverstanden sind. Das schließt auf jeden Fall ein, daß hier keine Politik von oben herab betrieben wird, wie es nur allzu häufig frühere Regierungen praktiziert haben.


Fußnoten:

[1] http://www.trust.org/item/20140109205601-2iebf/

[2] http://www.forestpeoples.org/topics/rights-land-natural-resources/news/2013/12/urgent-appeal-against-forced-eviction-sengwerchera

[3] http://go.worldbank.org/PO56TDRE50

[4] http://www.thegef.org/gef/sites/thegef.org/files/repository/FSP-Kenya-Eastern%20Montane%20Forest%20Hotspot.pdf

[5] http://www.counterpunch.org/2014/01/10/crisis-in-kenya/

[6] http://www.sengweraid.co.uk/index.htm

12. Januar 2014