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AFRIKA/2116: Malawi - Kontroverse über Uranmine (SB)


Kayelekera-Uranmine im Ruhezustand

Kräftiger Dämpfer für Malawis Hoffnung auf Entwicklung

Minenbetreiber Paladin Africa Ltd. weist Vorwürfe, illegal giftige Schlämme in Zuflüsse des Malawisees geleitet zu haben, zurück



Mit großen Erwartungen an die Entstehung von Arbeitsplätzen, höhere Staatseinnahmen und allgemein die Entwicklung hat die malawische Regierung im April 2007 eine Lizenz zum Uranabbau und zwei Jahre darauf die Eröffnung der Kayelekera-Uranmine (andere Schreibweise: Kayerekera) gefeiert. Fünf Jahre nach ihrer Eröffnung dürfte sich Ernüchterung breitmachen: Weder wurden die erhofften Einnahmen aus der Mine, an der der Staat zu 15 Prozent beteiligt ist, generiert, noch sind dauerhafte Arbeitsplätze entstanden, noch kam es zu einer nennenswerten infrastrukturellen Aufwertung der Region. Im Februar 2014 wurde der Uranabbau beendet, anschließend der Betrieb allmählich zurückgefahren, und seit dem 6. Mai 2014 befindet sich die Mine in einem vorläufigen Ruhezustand (care and maintenance). [1]

Ob die Kayelekera-Mine jemals wieder eröffnet wird, hängt erstens vom Weltmarktpreis ab, der nach Unternehmensangaben auf ungefähr 75 Dollar pro Pfund Uran steigen müßte - derzeit liegt er bei rund 30 Dollar -, und zweitens davon, daß die Mine an die öffentliche Stromversorgung (wegen der preiswerten Wasserkraft) angeschlossen wird und seine elektrische Energie nicht mittels Dieselgeneratoren produzieren muß.

Und nun wird der Betreiber der Mine, der afrikanische Ableger des in Australien ansässigen Unternehmens Paladin Energy Ltd., von einer Koalition von Nichtregierungsorganisationen bezichtigt, illegal giftige Schlämme aus dem Uranabbau in die Flüsse Sere und North Rukuru, deren Wasser letztlich in den Malawisee gelangt, geleitet zu haben. Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe.

Der Malawisee ist 580 Kilometer lang und bis zu 75 Kilometer breit. Er wird auf vielfältige Weise genutzt, sein Fischreichtum bietet der örtlichen Bevölkerung eine wichtige Lebensgrundlage für die eigene Versorgung sowie eine Einkommensquelle. Weitere Anrainerstaaten neben Malawi sind Tansania und Mosambik.

Der landesweit bekannte Menschenrechtsaktivist Rafiq Hajat und das Natural Resources Justice Network (NRJN) begründen die Behauptung, daß Paladin entgegen den von der Regierung Malawis genehmigten Plänen bereits im November 2014 und nicht erst in diesem Jahr angefangen hat, Schlämme aus dem Uranabbau in das Flußsystem einzuleiten, mit einem rätselhaften Fischsterben im nördlichen Teil des Malawisees. Dort sollen zahllose Fische verschiedener Arten verendet sein, meldete Malawi24 Ende Dezember. Die Todesursache sei unklar. [2]

Berichten zufolge hat das Fischsterben im November eingesetzt. Ungefähr zu der Zeit soll Paladin den offiziellen Antrag gestellt haben, Schlämme aus der Uranproduktion, nachdem diese einen Filter- und Reinigungsprozeß durchlaufen haben, in die Flüsse leiten zu dürfen. Aber es wolle damit erst in diesem Jahr anfangen. Der Vorgang sei von den zuständigen Regierungsstellen Malawis überprüft und genehmigt worden, teilte Paladin in einer Stellungnahme von November mit.

Das Unternehmen hat auf die inzwischen erhobenen Vorwürfe mit einer weiteren Stellungnahme reagiert. Darin wird noch einmal versichert, daß bis heute noch keinerlei Wasser behandelt und in das örtliche Gewässersystem eingeleitet worden sei. Erst wenn die Regenzeit eingesetzt hat, werde man damit beginnen. Darüber hinaus werde das eingeleitete Wasser die Qualitätsansprüche internationaler Standards, unter anderem die der Weltgesundheitsorganisation (WHO) für Uran in Trinkwasser, erfüllen.

Das Einleiten des Wassers aus der Urangewinnung sei notwendig, um einem möglichen unkontrollierten Entweichen aus den Absetzbecken vorzubeugen. Bis jetzt seien die Regenfälle im Norden Malawis noch relativ mild und unregelmäßig aufgetreten, so daß eine Behandlung des Wassers gar nicht erforderlich geworden sei. Paladin kündigte an, rechtliche Schritte gegen die Urheber der Vorwürfe zu ergreifen, bis diese die "krassen Fehlinformationen" zurücknehmen. [3]

Der ursprünglich von Malawi24 veröffentlichte Bericht über die angeblichen Einleitungen giftigen Wassers bleibt aus Gründen, die nicht erklärt werden, an entscheidenden Stellen unklar. So wird einerseits erklärt, die zivilgesellschaftliche Koalition "befürchtet", daß die Abwässer aus der Mine Uran, Säuren, Arsen und andere Chemikalien aus der Urangewinnung enthalten, und andererseits wird auf das Fischsterben im Malawisee verwiesen. Beweiskraft haben die Vorwürfe nicht. Daß das Fischsterben von irgendwelchen Einleitungen aus dem Uranbergbau ausgelöst wurde, bleibt eine Mutmaßung, wohingegen über das Fischsterben an sich, ohne es allerdings in einen Zusammenhang mit dem Uranbergbau zu stellen, auch am 31. Dezember 2014 von "Malawi Voice" berichtet wurde. [4]

Fischer des nördlichen Distrikts Karonga hätten die Behörden aufgefordert, ihre Ermittlungen zum Fischsterben zu beschleunigen, die örtlichen Gemeinden seien in großer Furcht vor der Entwicklung. Schon im Vorjahr seien in diesem Seegebiet "einige tote Fische" entdeckt worden. Damals hätten Vertreter des Landwirtschaftsministeriums das Phänomen damit erklärt, daß der Mwela genannte Wind, der über die Seeoberfläche weht, eine Vermischung von warmem und kaltem Wasser bewirkt habe (was die Fische offenbar in Schwierigkeiten brachte).

Paladin hat die Kayelekera-Mine - die größte Bergbaumine in ganz Malawi - geschlossen, weil die Weltmarktpreise für Uran gefallen sind und dessen Abbau nicht mehr kostendeckend bewerkstelligt werden kann.

Was bedeutet das für die Regierung Malawis? Sie hat als Gegenleistung für einen 15prozentigen Anteil an Paladin Africa Ltd. auf einen Teil der Lizenzgebühren verzichtet. Somit hat Malawi nicht nur in den fünf Produktionsjahren der Mine, die selbst im letzten vollständigen Betriebsjahr 2013 nicht den geplanten Output erreicht hatte, auf Lizenzeinnahmen verzichtet, sondern ist nun an einem Projekt beteiligt, das auch noch Instandhaltungskosten erfordert, anstatt Einnahmen zu generieren.

Die heutige Situation ist nicht im geringsten mit den einstigen Erwartungen an den Uranbergbau in Übereinstimmung zu bringen. So schwärmte im April 2007 der malawische Minister für Bergbau und Rohstoffe, Henry Chimunthu Banda, im australischen TV-Sender ABC: "Wir haben uns immer gefragt, ob Gott Malawi ausgelassen hat, als er mineralische Ressourcen über die Länder des südlichen Afrikas verteilte. Die Antwort lautet: Nein." [5]

Paladin selbst hat die Möglichkeit, bei einem Sinkflug der Rohstoffpreise abzuwägen, welche seiner Uranminen dichtgemacht und welche weiterbetrieben werden sollen. So wurde die Uranmine Langer Heinrich in Namibia nicht geschlossen, weil die Produktionskosten dort geringer sind. Es wäre zu vermuten, daß daraufhin die Regierung Überlegungen angestellt hat, wie sie die Kosten für die Kayelekera-Mine senken kann. Zu welchen Schlußfolgerungen sie dabei gelangt ist, ist nicht bekannt, doch könnte es sein, daß der ökonomische Druck die Regierung zu politischen Entscheidungen verleitet, bei denen dann die meist mit höheren Kosten verbundenen Umweltschutzmaßnahmen vernachlässigt werden.

Jedenfalls lieferten bereits im November 2006 der Umweltingenieur Dr. Gavin M. Mudd und der Umweltexperte Howard D. Smith, die beide weitreichende Erfahrungen mit Umweltgutachten für australische Uranminen haben, im Auftrag der Nichtregierungsorganisation "Citizens for Justice Malawi" eine sehr detaillierte, mit vielen kritischen Kommentaren versehene Analyse des zuvor von Paladin vorgelegten Umweltgutachtens [6] zur Kayelekera-Uranmine.

Die beiden Experten legten den Finger in viele Wunden. So warnten sie unter der Kapitelüberschrift "Other Relevant Issues NOT Addressed by the KEIA" (Andere Relevante Themen, die nicht von der KEIA angesprochen wurden) [7]:

"Obwohl es augenscheinlich von Malawis EIA-Bestimmungen nicht gefordert wird, ist es in australischen Folgenabschätzungen üblich, ein Kapitel der EIA den ökonomischen Marktbedingungen zu widmen. Es ist besonders auffällig, daß der KEIA die gesamte Frage und Dynamik des Uranmarktes komplett vermeidet." [8]

Und etwas weiter schreiben die Autoren in einem besonders hervorgehobenen Kästchen:

"Angesichts der minderen Qualität von Kayelekera und der historischen Volatilität des Uranmarkts gibt es keine Garantie, daß das Projekt tatsächlich so profitabel sein wird, wie Paladin hofft. Das bedeutet für die örtliche Gemeinde, daß sie alle langfristigen radiologischen, ökologischen und sozialen Risiken sowie eine ungewisse Wirtschaftlichkeit akzeptieren muß (auch für die Regierung), wohingegen Paladin zur gleichen Zeit nicht vor Ort sein muß."

Es gebe ganz einfach keine Garantie, daß der gegenwärtige Uranpreis stabil bleibe, hieß es damals. Sollte er aber sinken, würden es die Minen von minderer Qualität (low grade) wie Kayelekera sein, die nicht mit Kanada und Australien mithalten können, es sei denn, sie senkten die Betriebskosten, schrieben die Autoren und erklärten, genau so etwas habe innerhalb Australiens bereits dazu geführt, daß die Unternehmen höhere Umweltrisiken eingegangen waren.

All das, mit Ausnahme des letzten Punkts, zu dem nur bislang unbewiesene Behauptungen über Gifteinleitungen aus den Absetzbecken aufgestellt wurden, ist acht Jahre nach der Analyse des Umweltgutachtens eingetreten. Und damit wird auch Thomas R. Yager vom Geologischen Dienst der USA bestätigt, der vor zehn Jahren im Kapitel "Outlook" der Studie "The Minerals Industry of Malawi" schrieb: "Da im Jahr 2004 der meiste Output von Malawis Mineralindustrie für den lokalen Verbrauch vorgesehen war, ist der kurzfristige Ausblick für die meisten der gegenwärtig produzierten Mineralien vom Zustand der heimischen Wirtschaft abhängig. (...) Die Aussicht für die meisten unerschlossenen mineralischen Rohstoffe dagegen ist eng an die globale Nachfrage gebunden, weil tiefe Armut den heimischen Markt für Bauxit, Niob und Tantal, Seltene Erden, Titan und Uran begrenzt." [9]

Diese Weltmarktabhängigkeit macht Malawi zum Spielball von Kräften, auf die das kleine Land so gut wie keinen Einfluß hat. Sollte der Uranpreis lange Zeit unter dem Niveau bleiben, bei dem die Produktion in der Kayelekera-Mine wieder aufgenommen werden würde, wird man möglicherweise eines Tages von einem "radiologischen Erbe" des Uranbergbaus sprechen, auch wenn die Lagerstätte noch nicht ausgeschöpft ist, sich aber die verheißenen Vorteile für Malawi längst in Luft aufgelöst haben.


Fußnoten:

[1] http://ir.paladinenergy.com.au/FormBuilder/DocumentDownload.ashx?item=Xc7f_wixlky2cmbblUFtIw

[2] http://malawi24.com/paladin-accused-discharging-uranium-contaminated-sludge-lake-malawi/

[3] http://www.rohstoff-welt.de/news/artikel.php?sid=99334&lang=en

[4] http://www.malawivoice.com/2014/12/31/death-of-fish-on-lake-malawi-in-karonga-scares-local-people/

[5] http://www.abc.net.au/lateline/content/2007/s1891379.htm

[6] http://www.elaw.org/system/files/EISChap06.pdf

[7] KEIA ist die von den beiden Autoren gewählte Abkürzung für das vom südafrikanischen Beratungsunternehmen Knight Piésold Ltd erstellte Umweltgutachten (Environmental Impact Assessment, EIA)

[8] http://users.monash.edu.au/~gmudd/files/Comments-Kayelekera-EIS-Draft-v3.pdf

[9] http://minerals.usgs.gov/minerals/pubs/country/2004/mimyb04.pdf

6. Januar 2015


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