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AFRIKA/2153: Drohnenattacke in Somalia - Kollateralschaden inbegriffen (SB)


USA führen am Horn von Afrika außergerichtliche Liquidierungen durch


Am 1. September haben die USA im Süden Somalias die Insassen eines Fahrzeugs "per Joystick" liquidiert. Diese außergerichtliche Hinrichtung erfolgte ausgerechnet in einer Zeit, in der weltweit Hunderte Millionen Muslime das diesjährige Opferfest, das höchste islamische Fest, feiern. Angeblich handelt es sich bei dem Opfer des Drohnenangriffs um Abu-Xudeyfi, auch Scheich Sheekh Abdirahman Xudeyfi genannt, einen mutmaßlichen Rekrutierungsoffizier der islamistischen Milizenorganisation Al-Shabab, wie Voice of America (VOA) am Montag berichtete. Über seine Begleiter ist bislang nichts bekannt. Ihnen wird unterstellt, daß sie ebenfalls Al-Shabab angehörten. Aber selbst wenn sie es nicht wären, gelten vom Standpunkt der Drohnenkrieger her alle Begleitpersonen mutmaßlicher Islamisten als zum Abschuß freigegeben. Aden Omar, Bezirkskommissar der Stadt Barawe in der südsomalischen Region Lower Shabelle, bestätigte laut VOA den jüngsten Drohnenangriff.

Das Land am Horn von Afrika verfügt seit Beginn der 1990er Jahre über keine Zentralregierung mehr, die das gesamte Land zu kontrollieren in der Lage wäre. Bereits vor vielen Jahren haben sich die nordöstlichen Provinzen Puntland und Somaliland losgesagt, wodurch Somalia rund die Hälfte seines Territoriums verlor. Die abtrünnigen Provinzen sind allerdings international noch nicht anerkannt. Selbst wenn Somalia über eine funktionierende Zentralregierung verfügen würde, wäre das für die USA kein Hindernis, Drohnenanschläge zu verüben, wie das Beispiel Pakistan zeigt.

Die Regierung der Bundesrepublik Somalia steht den USA und auch deren militärischen Interventionen nicht nur grundsätzlich positiv gegenüber, sie fordert die Amerikaner sogar auf, sich stärker zu engagieren. Erst wenige Tage vor der jüngsten Attacke hatte der somalische Außenminister Yusuf Garaad Omar in einem Brief an den US-Botschafter in Somalia, Stephen Schwartz, mit der etwas wild anmutenden Geschichte aufgewartet, daß die Islamisten in der zentralsomalischen Region von Galmudug Uranlagerstätten eingenommen hätten und sich anschickten, das an der Oberfläche zugängliche Erz nach Iran zu verschiffen. Die Echtheit des Briefs wurde laut VOA vom somalischen Botschafter in den USA, Ahmed Isse Awad, bestätigt. Nur die Vereinigten Staaten besäßen die Kapazität, Al-Shabab-Elemente zu identifizieren und zu zerschlagen, heißt es in dem Brief.

Der jüngste Drohnenangriff könnte also bereits eine Antwort auf das Ansinnen gewesen sein. Jedoch verüben die USA häufig solche oder ähnliche Attacken, so daß man sich fragen muß, ob es dazu dieses Briefes bedurft hätte. Beispielsweise haben bewaffnete Kämpfer der US-Streitkräfte und der somalischen Regierung im August kurz vor Morgengrauen das Dorf Bariire in Lower Shabelle, rund 50 Kilometer von der Hauptstadt Mogadischu entfernt, überfallen und zehn Personen getötet. Unter ihnen befanden sich drei Kinder.

Möglicherweise hat es sich bei den Toten um Bauern gehandelt und nicht um bewaffnete Kämpfer der Al-Shabab, wie von der Regierung behauptet. Das erklärte jedenfalls der Abgeordnete Dahir Amin Jesow laut einer Reuters-Meldung vom 25. August 2017. Die Bauern seien deshalb bewaffnet gewesen, weil sie sich gegen einen Clan verteidigten, mit dem sie eine Fehde austragen würden. Vielleicht seien die USA einer Fehlinformation aufgesessen, vermutet er.

Für diese Version der Ereignisse spricht, daß die getöteten Personen zum Madina-Krankenhaus nach Mogadischu gebracht worden waren und sich dort die um ihre Angehörigen trauernden Familien versammelt hatten. Aufständische sind nicht dafür bekannt, daß sie ihre Toten in die von der Regierung kontrollierte Hauptstadt bringen, berichtete Reuters. Die Somalische Nationalarmee (SNA) dagegen bleibt bei dem Standpunkt, daß acht Aufständische getötet wurden.

Im Juli wurde der mutmaßliche islamistische Anführer Ali Muhammad Hussein, auch als Ali Jabal bekannt, von den US-Streitkräften getötet. Im September 2016 haben die USA in Galkayo mindestens zehn Personen umgebracht. Wie die US-Streitkräfte zugeben mußten, handelte es sich bei den Getöteten um mit der Regierung verbündete Kämpfer. Dies ist nur eine Auswahl an Angriffen, die in jüngerer Zeit von den USA gegen Ziele in Somalia geführt wurden.

Per Selbstermächtigung haben sich die Vereinigten Staaten zum obersten Polizeichef, Richter und Henker auf der ganzen Welt erklärt. Spätestens seit der Ausrufung des "Globalen Kriegs gegen den Terror" vor rund eineinhalb Jahrzehnten nimmt die Regierung in Washington es sich heraus, unter Verletzung der nationalen Souveränität und unter Mißachtung des Gebots der Unschuldsvermutung Menschen zu exekutieren. Häufig werden dabei Drohnen eingesetzt, die von weit entfernten Orten aus per Knopfdruck dazu gebracht werden, ihre Raketen auf ein Ziel zu lenken. Immer wieder werden in Somalia solche Anschläge verübt. US-Präsident Donald Trump hat angeordnet, die militärische Intervention in Somalia weiter auszubauen.

Der Krieg in Somalia ist auf diese Weise nicht zu gewinnen, das sollten der US-Regierung eigentlich klar sein. Denn die Taktik, die Führungsriege Al-Shababs zu liquidieren, kann nicht zum angeblich angestrebten Ziel führen, denn mit jedem getöteten Anführer rückt dessen Stellvertreter nach und übernimmt die Führungsfunktion innerhalb der Islamisten. An Nachschub mangelt es nicht.

Zudem zeigt die kleine Auswahl an Beispielen, daß sich die USA mit ihren Attacken aus dem Hinterhalt auch in der Zivilbevölkerung Feinde machen. Al-Shabab kann sich für diese indirekte Rekrutierungshilfe nur bedanken. Auch die Generationen, die die "Schlacht um Mogadischu" im Oktober 1993, bei der 18 amerikanische GIs ums Leben kamen, was den Rückzug der Amerikaner aus Somalia eingeläutet hat, nur aus den Erzählungen der Älteren kennen, werden im Haß gegen die Amerikaner gestärkt, wenn diese willkürliche Tötungen vornehmen oder sich gar von bestimmten Clans instrumentalisieren lassen.

Der Bürgerkrieg in Somalia zieht sich in die Länge, weil nicht nur die USA, sondern zahlreiche ausländische Interessen versuchen, offen oder verdeckt, mit oder ohne Unterstützung örtlicher Gruppen, ihren Einfluß in dem Land auszubauen. Leidtragend ist die Zivilbevölkerung, die es schon lange aufgegeben haben dürfte, zwischen "guten" und "bösen" militärischen Interventionen zu unterscheiden.

4. September 2017


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