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AFRIKA/2164: Ghana - US-Okkupation auf leisen Sohlen ... (SB)



In Ghana reißen die Proteste gegen ein umstrittenes Militärabkommen mit den USA nicht ab. In Anspielung auf US-Präsident Donald Trumps Spruch "America First" nennt sich die Bewegung "Ghana First". Würde das Abkommen umgesetzt, so die Befürchtung, erhielten US-Soldaten nicht nur freien Zugang zu ghanaischen Militärstützpunkten, sie dürften auch einen eigenen Stützpunkt aufbauen. Die Regierung setze die nationale Souveränität aufs Spiel, lautet der Vorwurf.

Ghana rühmt sich als ein Land, das traditionell viele Diplomaten hervorgebracht, demokratische Machtwechsel vollzogen und sein Militär häufig den friedenserhaltenden Missionen der Vereinten Nationen unterstellt hat. Der Zorn über das Militärabkommen mit den USA dürfte auch darauf zurückgehen, daß deren Ansehen arg gelitten hat, nachdem Trump über Flüchtlinge sagte, sie stammten "aus Dreckslochländern".

Abgesehen davon, daß von Oppositionsparteien im allgemeinen nichts anderes zu erwarten ist, als daß sie nicht säumig werden, der Regierung vor das Schienbein zu treten, wenn sich ihnen die Gelegenheit bietet, birgt das Militärabkommen zwischen Ghana und den USA durchaus nachvollziehbaren Anlaß zur Sorge, daß damit ein rechtliches Ungleichgewicht etabliert wird. Die US-Streitkräfte bekommen Territorium innerhalb Ghanas zugewiesen - Verteidigungsminister Dominic Nitiwul sprach von einem Gebiet nahe des Kotoka-Flughafens in Accra [1] -, das womöglich nicht einmal für ghanaische Soldaten zugänglich ist. Umgekehrt heißt in dem Memorandum of Understanding, daß die Angestellten der US-Streitkräfte im Rahmen dieser Abmachung ungehinderten Zugang zu vereinbarten ghanaischen Militäreinrichtungen und Gebieten ("Agreed facilities and areas") erhalten. Wobei Artikel 1 des Vertragswerks die Möglichkeit vorsieht, daß Ghana "in Zukunft" weitere Einrichtungen und Gebiete freigibt [2].

Die vom US-Personal eingeführten Güter in Ghana sollen von Steuern befreit sein und es darf den Funkwellenäther des Landes kostenlos nutzen. Es darf US-Uniformen und Waffen tragen, Übungen durchführen und jegliche Maßnahmen zu seinem eigenen Schutz ergreifen.

Diese und weiter ins Detail gehende Bestimmungen des im vergangenen Monat vom ghanaischen Parlament abgesegneten Memorandum of Understanding scheinen zwar nicht darüber hinauszugehen, was den US-Streitkräften auch in anderen afrikanischen Ländern, mit denen sie Kooperationsvereinbarungen treffen, gestattet wird. Daß sich aber diese Länder ebenso wie Ghana mit den USA nicht auf Augenhöhe begegnen - auch wenn, wie in diesem Fall, die Vertragsparteien ganz allgemein die Souveränität des jeweils anderen Landes anerkennen -, wird daran deutlich, daß ghanaischen Soldaten nicht das gleiche Recht auf US-Territorium zugestanden wird. Nun könnte man an dieser Stelle einwenden, daß es auch gar nicht um die Sicherheit der USA, sondern um die Ghanas geht, aber so einfach ist das nicht, verfolgen doch die Vereinigten Staaten nicht zuletzt eigene, das heißt nationale Interessen auf dem afrikanischen Kontinent.

In einer Reihe von afrikanischen Ländern, die eine engere Zusammenarbeit mit den US-Streitkräften eingegangen sind, kam es anschließend zu Anschlägen; manchmal wurden Unruhen entfacht bzw. vorhandene Unruhen verstärkt. Typische Beispiele dafür sind Mali, Niger und Burkina Faso. Die militärische Zusammenarbeit mündet also nicht zwangsläufig in mehr Sicherheit.

Umgekehrt könnte jedoch ein Verzicht des militärischen Schutzes der USA für Ghana bedeuten, sich angreifbar zu machen. Die dschihadistische Bewegung hat in den letzten Jahren eine Reihe von Ländern heimgesucht, die bis dahin von islamistischen Milizenbanden verschont geblieben waren. Das einzig und allein auf die Kooperation dieser Länder mit den USA zurückzuführen, wäre zu simpel. Die Erklärungen von Ghanas Präsident Nana Akufo-Addo zum Militärabkommen lassen die Zwangslage erkennen, in der sich das Land befindet: "In Anbetracht der Realitäten unserer Umstände und der Herausforderungen für Frieden in unserer Region und in dieser Zeit halten wir es für klug, die Kooperationsvereinbarung mit den Vereinigten Staaten von Amerika fortzusetzen." [3]

Ebenso wie der US-Botschafter in Ghana, Robert Porter Jackson, der Behauptung entgegentritt, sein Land strebe ein Abkommen zur Einrichtung einer Militärbasis in Ghana an, behauptet Akufo-Addo, daß er kein Abkommen mit Washington unterzeichnen werde, das den Aufbau eines Militärstützpunkts vorsieht. Aber mit dieser Erklärung vermag er die Zweifel nicht zu beseitigen, daß erstens Ghana einen Teil seiner Souveränität aufgibt und zweitens unsicherer wird. Das befürchtet zumindest die größte Oppositionspartei im Parlament, der National Democratic Congress. Für Oppositionsführer Asiedu Nketia sendet das Abkommen "falsche Signale" aus. Ghana könnte Ziel militanter Extremisten werden, spekuliert er.

Ghana befindet sich in einer Zwickmühle. Es will die seit langem laufende militärische Zusammenarbeit mit den USA nicht missen, muß aber damit rechnen, daß dies genau jene Kräfte auf den Plan ruft, die es am liebsten außen vor halten würde. Wenn es am Ende darauf hinausläuft, daß die US-Soldaten zwar keinen eigenen Stützpunkt aufbauen, aber faktisch auf Einrichtungen in der Nähe des internationalen Flughafens von Accra zugreifen und dort nach Belieben ein- und ausgehen dürfen, könnte dies von Islamisten als Bekenntnis Ghanas zu den USA und ihren globalen Anti-Terrorkampf aufgefaßt und entsprechend beantwortet werden.

Umgekehrt besteht seitens der USA eine gewisse Erwartungshaltung, daß man ihren Interessen in Afrika entgegenkommt. Ein Staat wie Ghana, der als demokratisch und stabil gilt, würde zwar nicht sofort auf der Terrorliste landen, wenn er sich bei der militärischen Zusammenarbeit nicht hundertprozentig kooperativ zeigt, aber das US-Verteidigungsministerium würde vielleicht seine Gelder in anderen, folgsameren Ländern der Region an den Mann bringen. Denn der Spruch des früheren US-Präsidenten George W. Bush, wer nicht für uns ist, ist gegen uns, hat seine Gültigkeit bis heute nicht verloren. Im Gegenteil, er spitzt sich in der wiederholten Erklärung Trumps zu "America First" weiter zu.

In der heutigen Welt existiert kein unbeteiligter Standpunkt, er wird von den herrschenden Kräften nicht zugelassen. Im Globalen Krieg gegen den Terrorismus erweist sich der Anspruch auf "nationale Souveränität" als ein Versprechen der Vergangenheit, das seine Gültigkeit längst auf dem Schlachtfeld der weltweiten Kämpfe um Einfluß und Ressourcen verloren hat.


Fußnoten:

[1] https://www.ghnewsking.com/2018/03/20/us-military-base-to-be-sited-near-ghanas-kotoka-airport/

[2] https://www.myjoyonline.com/news/2018/march-20th/defence-minister-lays-agreement-on-us-ghana-military-cooperation.php

[3] http://www.africadaily.net/reports/Ghana_will_not_offer_military_base_to_US_president_999.html

10. April 2018


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