Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

ASIEN/573: Atommacht Nordkorea verhöhnt Amerikas Neocons (SB)


Atommacht Nordkorea verhöhnt Amerikas Neocons

George W. Bush mit Konfrontationskurs gegenüber Pjöngjang gescheitert


Genau eine Woche vor der Amtseinführung Barack Obamas als 44. US-Präsident am 20. Januar hat Nordkorea eine Erklärung abgegeben, die das komplette Scheitern der aggressiven Politik Washingtons unter George W. Bush gegenüber Pjöngjang deutlich macht. Der Republikaner aus Texas und seine neokonservative Führungsriege hielten nichts von der ihrer Meinung nach zu nachgiebigen Versöhnungspolitik Bill Clintons gegenüber Nordkorea und wollten ab Anfang 2001 dem kommunistischen "Schurkenstaat" eine Lektion in Machtpolitik erteilen, wenn nicht sogar für einen "Regimewechsel" in Pjöngjang sorgen. Doch aus den Rollback-Träumereien der ewigen Kalten Krieger wurde nichts. Nach wiederholten, schweren Provokationen haben die Nordkoreanern am 6. Oktober 2006 mit der Zündung einer Atombombe Bush, Vizepräsident Dick Cheney und dem damaligen Verteidigungsminister Donald Rumsfeld die Grenzen ihrer Geduld gezeigt. Am 13. Januar gab die Regierung in Pjöngjang erstmals explizit ihre Absicht bekannt, an ihrem Atomarsenal solange festzuhalten, wie sich nicht ein vernünftiges Friedens- und Sicherheitsarrangement in Ostasien etabliert hat.

Aus Sicht der Nordkoreaner ist die Politik der USA der letzten acht Jahre ihrem Land gegenüber von Beleidigungen, Kriegsdrohungen und sonstigen Provokationen gekennzeichnet gewesen. Einen ersten Vorgeschmack lieferte Bush Anfang 2001, als er Kim Dae-jung, den damaligen Präsidenten Südkoreas, der wenige Monate zuvor wegen seiner "Sonnenscheinpolitik" den Friedensnobelpreis erhalten hatte, im Weißen Haus empfing und vor laufenden Kameras dessen Bemühungen um Versöhnung und Ausgleich auf der koreanischen Halbinsel eine rüde Absage erteilte. Immer wieder bezeichneten Bush und seine Berater Nordkorea als "Völkergefängnis" und den nordkoreanischen Staatschef Kim Jong-il als "Pygmäen". Dafür nannten die Nordkoreaner Bush "Abschaum". In seiner ersten Rede zur Lage der Nation im Januar 2002 warf Bush Nordkorea mit dem Irak Saddam Husseins und dem Iran in einen Topf und erklärte alle drei zu einer "Achse des Bösen".

Die größte und gefährlichste Provokation erfolgte jedoch im Oktober 2002. Nach einem Besuch in Pjöngjang erklärte James Kelly, damals ein Sondergesandter des US-Außenministeriums, die Nordkoreaner hätten sich ihm gegenüber damit gebrüstet, heimlich und illegal Uran angereichert zu haben. Träfe diese Behauptung zu, bedeutete das, Nordkorea hätte gegen den Atomwaffensperrvertrag verstoßen und wäre tatsächlich so etwas wie ein "Schurkenstaat", der insgeheim Massenvernichtungswaffen entwickelt. Als Nordkorea in Reaktion darauf Anfang 2003 die Waffeninspekteure der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) des Landes verwies und aus dem Nicht-Verbreitungsabkommen austrat, hatten Amerikas Kriegstreiber dafür nur ein müdes Lächeln übrig. Damals befand sich die Bush-Regierung auf dem Höhepunkt ihrer Macht. Auf die Anschläge vom 11. September hatte man mit dem Einmarsch in Afghanistan und den Sturz der Taliban reagiert. Die militärische Eroberung des Iraks und die Beseitigung Saddam Husseins stand kurz bevor. Bushs "Vorwärtsstrategie der Freiheit" schien unaufhaltbar.

Doch am 38. Breitengrad, seit 1953 die Waffenstillstandslinie auf der koreanischen Halbinsel, blieb alles glücklicherweise ruhig. Während sich die Amerikaner im Irak übernahmen und von weiteren "Regimewechseln" absehen mußten, blieb die Eine-Million-Mann-Armee Nordkoreas ein unüberwindbares Hindernis. Im September 2006 wurde bei den sogenannten Sechsparteiengesprächen in Peking, an denen Sonderbotschafter der beiden Koreas, Chinas, Rußlands, Japans und der USA - letztere vertreten durch Pragmatiker aus dem State Department - teilnahmen, ein Ausweg aus dem gefährlichen Atomstreit gefunden. Als neokonservative Intriganten im US-Finanzministerium daraufhin Strafmaßnahmen gegen die Bank im chinesischen Macao, über die Pjöngjang einen Gutteil seiner Außenwirtschaft betrieb, verhängten und diese über Nacht international geschäftsunfähig machten, antworteten die Nordkoreaner einen Monat später mit ihrem ersten und bisher einzigen Atomtest. Seitdem sind alle Seiten um Entspannung bemüht, selbst wenn neokonservative Hardliner in den USA wie John Bolton dagegen wettern und sie zu torpedieren versuchen. Inzwischen hat Nordkorea seinen Forschungsreaktor Yongbyon stillgelegt, während die USA das kommunistische Land von Washingtons Liste der "terrorismus-unterstützenden" Staaten genommen haben.

Am Ende des Entspannungsprozesses, bei dem die Nordkoreaner im Gegenzug für die Entnuklearisierung wirtschaftliche Hilfe und erleichterte Handelsmöglichkeiten erhalten, steht als Ziel die endgültige Beilegung des Koreakrieges und die Normalisierung der Beziehungen zwischen Pjöngjang und Washington. Doch offenbar wollen die Nordkoreaner die Reihenfolge der nächsten Schritte in diesem Prozeß neu bestimmen. In der Regierungserklärung vom 13. Januar hieß es, man werde sich erst von seinen Atomwaffen trennen, wenn die Beziehungen normalisiert worden seien und keinesfalls umgekehrt: "Es ist eine verkehrt Logik zu behaupten, daß die bilateralen Beziehungen nur dann verbessert werden können, wenn wir unsere Atomwaffen vor allen anderen zur Disposition stellen. Wir werden niemals, nicht einmal in 100 Jahren, so etwas wie unsere Atomwaffen preisgeben, solange nicht die feindliche Haltung der USA gegenüber Nordkorea und dessen Bedrohung durch Atomwaffen restlos verschwunden ist." Die Nordkoreaner bezichtigten die Bush-Administration, sie zur Beschaffung eines eigenen nuklearen Verteidigungspotentials gezwungen zu haben, und erklärten weiter: "Wir werden Atomwaffen nicht brauchen, sobald die nuklearen Drohungen der USA beseitigt und der atomare Schirm Amerikas über Südkorea weg ist."

Über die nordkoreanische Sicht der Dinge kann man verschiedener Meinung sein. Eines steht aber unzweifelhaft fest, nämlich daß die Herausforderungen für Barack Obama in der Koreapolitik ungleich größer sind als jene, die George W. Bush bei seinem Amtsantritt nach der Machtübernahme von Bill Clinton zu bewältigen hatte. Mit seinem Machogehabe und seiner Anti-Diplomatie hat Bush lediglich zur Vergrößerung der Probleme in Nordostasien und nichts zu ihrer Lösung beigetragen.

15. Januar 2009