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ASIEN/584: Mullah Omar ruft zum Waffenstillstand in Pakistan auf (SB)


Mullah Omar ruft zum Waffenstillstand in Pakistan auf

NATO und Taliban betreiben Eskalation des Afghanistankrieges


In Afghanistan steht eine deutliche Eskalation der Kampfhandlungen bevor. Um den aktuellen Vormarsch der Taliban zu stoppen und die zu erwartende Frühlingsoffensive des Widerstands zu kontern, soll die NATO, wenn es nach dem Willen der USA geht, ihre Truppenpräsenz am Hindukusch deutlich erhöhen. Dafür geht das Pentagon mit gutem Beispiel voran und stockt dieser Tage die Zahl der in Afghanistan stationierten US-Soldaten von derzeit 30.000 Mann um weitere 17.000 auf. Ihrerseits scheinen die Taliban und ihre Verbündeten in Pakistan ihre Kämpfe mit der Zentralregierung in Islamabad herunterfahren zu wollen, um sich auf die Auseinandersetzung mit den westlichen Invasoren in Afghanistan konzentrieren zu können. 2008 ist die Zahl der infolge der Kämpfe in Afghanistan getöteten Zivilisten um 40 Prozent gestiegen. Für 2009 rechnet man mit einem weiteren Anstieg dieser traurigen Statistik.

Überraschend hatten am 15. Februar die pakistanischen Taliban, die verbotenen Tehrik-e-Taliban Pakistan (TTP), in der grenznahen Region Swat und die Streitkräfte Islamabads einen Waffenstillstand vereinbart. Zuvor hatte die pakistanische Regierung der Forderung der paschtunischen Stammeskrieger um Baitullah Mehsud nach Wiedereinführung der Scharia zugestimmt. Im Westen löste die Nachricht von der Vereinbarung in Swat Kopfschütteln aus. Man unterstellte der pakistanischen Regierung, nicht energisch genug gegen die Islamisten im eigenen Lande vorgehen zu wollen. Doch die Kämpfe in Swat, Bajaur und anderswo haben in den letzten zwei Jahren bereits Tausenden Menschen das Leben gekostet und Zehntausende zu Kriegsflüchtlingen gemacht. Während vor allem die USA auf eine forcierte Aufstandsbekämpfung und Ausschaltung aller Pro-Taliban-Kräfte in den semi-autonomen Federally Administered Tribal Areas (FATA) und der Nordwestfrontierprovinz (NWFP) drängen, mußten sich Präsident Ali Asif Zardari und Premierminister Yousuf Raza Gilani, beide von der Pakistan People's Party (PPP) Sorgen machen, daß die Kämpfe in der Grenzregion auf das ganze Land übergreifen könnten.

Angesichts der Entwicklung in Swat haben am 23. Februar die pakistanischen Taliban in Bajaur ebenfalls einen einseitigen Waffenstillstand ausgerufen und das Militär dort aufgefordert, sich dem anzuschließen. Am 24. Februar berichtete Mazhar Tufail in der pakistanischen Tageszeitung The News (Jang) von einem hochinteressanten Brief, der in den letzten Tagen von Mullah Omar, dem Chef der afghanischen Taliban und Schwager von Osama Bin Laden, an Mehsud und die TTP gegangen war. In den Brief fordert Omar die pakistanischen Verbündeten in Nord- und Südwasiristan sowie darüber hinaus dazu auf, die pakistanischen Streitkräften nicht mehr zu bekämpfen. Gewaltaktionen gegen die Ordnungskräfte oder andere Muslime in Pakistan "besudeln den Namen der Mudschaheddin und schaden dem Kampf gegen die Streitkräfte der USA und der NATO in Afghanistan", so Omar. Vor dem Hintergrund der angekündigten Truppenaufstockung der NATO in Afghanistan rief der Taliban-Chef seine Anhänger und seine Verbündeten dazu auf, ihre Kräfte zu bündeln und sich auf den Krieg in Afghanistan zu konzentrieren.

Doch für eine solche Beschränkung des Krieges auf Afghanistan selbst scheint es zu spät zu sein. Mit Angriffen auf Lieferkonvois und der Sprengung einer strategisch wichtigen Brücke am Khyber-Paß haben die Taliban in Pakistan in den letzten Wochen der NATO erhebliche Nachschubprobleme bereitet. Ihrerseits greifen die USA mittels Drohnen, die offenbar auf Luftwaffenstützpunkten in Pakistan stationiert sind, Ziele beiderseits der Grenze an. Am 23. Februar berichtete die New York Times, daß sich bereits 70 US-Militärberater in Pakistan befinden, wo sie die Aufstandsbekämpfungsmaßnahmen der dortigen Streitkräfte beaufsichtigten und koordinierten. Dieser Tage nimmt der pakistanische Generalstabschef Ashfaq Parvez Kayani an einer wichtigen Strategierunde mit den Kollegen in Washington teil. Wo das alles hinführt - außer natürlich zu mehr Leid und mehr Instabilität - weiß niemand. Angeblich hat sich US-Präsident Barack Obama vor wenigen Tagen geweigert, wie vom Pentagon gefordert, die Zahl der US-Soldaten von 30.000 auf 60.000 zu verdoppeln, und statt dessen lediglich einer Erhöhung um 17.000 Mann zugestimmt. Presseberichten zufolge war der Grund für die zögerliche Haltung Obamas die Tatsache, daß auf seine persönliche Nachfrage General David McKiernan, Oberbefehlshaber der NATO- und US-Streitkräfte in Afghanistan, nicht plausibel erklären konnte, wofür er eigentlich die zusätzlichen Truppen einsetzen wolle.

25. Februar 2009