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ASIEN/641: Robert Gates bestätigt Präsenz Blackwaters in Pakistan (SB)


Robert Gates bestätigt Präsenz Blackwaters in Pakistan

Pakistans "Verschwörungstheoretiker" sehen sich im Recht


Die meisten Pakistaner lehnen bekanntlich den Krieg der NATO gegen die Taliban in Afghanistan und die Unterstützung der Regierung in Islamabad für die westliche Militäroffensive im Nachbarland ab. Sie halten den Kampf der afghanischen Taliban gegen die ausländischen Invasoren für gerechtfertigt und empören sich darüber, daß der Konflikt zwischen McWorld und Kaliphat ihr eigenes Land immer mehr in Mitleidenschaft zieht (Beim Kampf gegen einheimische Moslemextremisten haben die pakistanischen Sicherheitskräfte mit rund 2600 Mann weitaus mehr Soldaten verloren als die USA mit rund 500 Mann in Afghanistan; in beiden Ländern geht die Zahl der gewaltsam ums Leben gekommenen Zivilisten in die Tausende). Deswegen versuchen die Behörden in Washington und Islamabad gleichermaßen die Menschen in Pakistan über Ausmaß und Einzelheiten der amerikanisch-pakistanischen Zusammenarbeit im sogenannten "Antiterrorkrieg" - sei es die Verschleppung pakistanischer Bürger durch die Polizei ihres eigenen Landes und deren Übergabe zwecks Inhaftierung und Folter an Vertreter der CIA und des Pentagons, die Existenz geheimer Absprachen über die Durchführung von Raketenangriffen per Drohne auf verdächtige Ziele im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet oder seien es die Aktivitäten von Söldnern privater US-Militärunternehmen auf pakistanischem Territorium - im Dunkeln zu lassen.

Gerade über letzteres Phänomen wird seit rund einem Jahr in der pakistanischen Öffentlichkeit heftigst gestritten. Immer wieder werden Berichte der pakistanischen Medien über sonderbare Vorfälle, die auf Geheiß der Zentralregierung in Islamabad vertuscht werden, weil darin Angehörige der US-Sicherheitfirmen Blackwater oder Dyncorp verwickelt sind - illegale Einführung von Rüstungsmaterial, Verstöße gegen die Waffengesetze sowie gegen die Visumspflicht Pakistans u. v. m. - von den Behörden energisch bestritten. Anführer der medialen Gegenoffensive sind stets die US-Botschafterin Anne Patterson und der Innenminister Pakistans, Rehman Malik, welche diejenigen, die solche Berichte verfassen oder ihnen Glauben schenken, kurzerhand als "Verschwörungstheoretiker" abtun. Nun ist es die Glaubwürdigkeit von Patterson und Malik, die als schwer erschüttert betrachtet werden muß, seit am 21. Januar US-Verteidigungsminister Robert Gates anläßlich eines zweitägigen Besuchs in Pakistan bei einem Interview mit dem dortigen Fernsehsender Express TV offen einräumte, daß Blackwater (offiziell heißt die Firma seit dem letzten Jahr Xe Services) und Dyncorp "hier in Pakistan als Einzelunternehmen operieren". Der ehemalige CIA-Chef ließ die Frage offen, ob Blackwater und Dyncorp in Pakistan für das Pentagon oder das State Department oder für beides arbeiten.

In Pakistan schlug die Aussage des Iran-Contra-Veterans wie die sprichwörtliche Bombe ein. Weil Innenminister Malik am 21. Oktober letzten Jahres bei einem Auftritt vor dem pakistanischen Senat seinen Rücktritt für den Fall angekündigt hatte, daß die Anwesenheit von Blackwater in Pakistan nachgewiesen werde, wurde er am Tag nach dem Express-TV-Interview mit Gates von Senator Zafar Ali Shah, Vertreter der Pakistanischen Moslemliga-Nawaz (PML-N) offen aufgefordert, seinen Worten von damals Taten folgen zu lassen. Angesichts der allgemeinen Aufregung in der pakistanischen Öffentlichkeit wollte Gates sich mißverstanden wissen. Auf einer Pressekonferenz in Islamabad am 22. Januar behauptete der Nachfolger Donald Rumsfelds, er habe am Tag davor durch eine unvorsichtige Formulierung Verwirrung gestiftet, um laut offizieller Abschrift sozusagen korrektiv und kategorisch zu behaupten, "... the Department of Defense does not use Blackwater in Pakistan" ("... das Verteidigungsministerium [der USA] nimmt in Pakistan die Dienste Blackwaters nicht in Anspruch").

Bei den Bemühungen, den ursprünglichen schweren Lapsus zu entschärfen, erhielt Gates Schützenhilfe seitens regierungstreuer Medien daheim in den USA. Im Wall Street Journal vom Freitag, dem 22. Januar, hieß es: "Vertreter des Verteidigungsministeriums versuchten Donnerstagabend die Aussage zu erklären, indem sie Reportern sagten, daß Herr Gates über die Kontrolle von Auftragsfirmen im allgemeinen gesprochen habe und daß in Pakistan das Pentagon mit Xe nicht zusammenarbeite." Am 25. Januar hieß es in einem Artikel der Washington Post zum prekären Stand der amerikanisch-pakistanischen Beziehungen, beim Besuch Gates' in Pakistan hätten sich die Medien dort in ihrer Berichterstattung auf den "Versprecher" gestürzt, mit dem der Pentagon-Chef "versehentlich angedeutet hat, daß die Sicherheitsfirma, die früher als Blackwater bekannt war, in Pakistan für die US-Regierung arbeitet". Bei so vielen Dementis fiel es dem pakistanischen Innenminister Malik leicht, am 25. Januar vor der Presse aufzutreten, die Kritik an seiner Person zurückzuweisen und erneut sowohl die Anwesenheit von Blackwater in Pakistan zu bestreiten als auch seinen Rücktritt für den Fall anzukündigen, daß das Gegenteil bewiesen werde.

Für Aufklärung in dieser undurchsichtigen Geschichte sorgte Jeremy Scahill mit einer eigenen, am 22. Januar auf der Website der linken US-Zeitschrift The Nation erschienenen Stellungnahme zu Gates' Express-TV-Interview. Scahill ist Autor des Buchs "Blackwater". Er erregte bereits im letzten November Aufsehen mit einem Bericht in The Nation über den "geheimen Krieg" der mächtigsten Privatarmee der Welt in Pakistan. Damals enthüllte Scahill, daß Blackwater-Mitarbeiter auf zwei geheimen Basen in Pakistan die CIA-Drohnen für Angriffe auf Taliban-Ziele mit Hellfire-Raketen bestückten, von einem weiteren geheimen Stützpunkt in Karatschi aus die NATO-Nachschubkonvois über den Khyber-Paß nach Afghanistan beschützten und die pakistanischen Sicherheitskräfte bei Entführungs- und Liquidierungsaktionen gegen mutmaßliche "Terroristen" begleiteten. Scahill hat eine einfache Erklärung, warum die Behauptungen von Gates und Malik an der Wahrheit vorbeigehen. Die Außen- und Verteidigungsministerien der USA nehmen in Pakistan die Dienste von Blackwater bzw. Xe Services deshalb nicht direkt in Anspruch, weil eine lokale Auftragsfirma dazwischengeschaltet ist. Der Name des pakistanischen Logistik- und Sicherheitsunternehmens lautet Kestral. Sein Inhaber Liaquat Ali Baig soll mit dem Blackwater-Gründer Erik Prince gut befreundet sein. Nach Angaben Scahills hat Kestral Roger Noriega, der von 2003 bis 2008 der im US-Außenministerium für die westliche Hemisphäre zuständige Staatssekretär war, als Lobbyisten in Washington engagiert.

Scahill zitierte zudem Bashir Bilour, den ranghöchsten Minister der Regierung in der pakistanischen Nordwestfrontierprovinz (NWFP), der gegenüber Express TV erklärte hatte, Blackwater-Söldern operierten im Grenzgebiet zu Afghanistan "mit Zustimmung und Genehmigung" der Zentralregierung in Islamabad. Weiter erklärte Bilour, er habe persönlich im US-Konsulat in der NWFP-Hauptstadt Peshawar mit Mitgliedern des dortigen Personals gesprochen, die ihm gesagt hätten, Blackwater-Mitarbeiter nähmen an der Ausbildung der pakistanischen Streitkräfte teil. Dies hatte Scahill bereits letztes Jahr in Bezug auf das pakistanische Frontiercorps berichtet, jedoch gleichzeitig unter Verweis auf eigene Quellen im US-Sicherheitsapparat den Standpunkt vertreten, daß die Aufgaben der Blackwater-Männer, die in der Regel von den amerikanischen Spezialstreitkräften kommen, weit über die reine Ausbildung hinausgingen. Die Tatsache, daß bei dem Selbstmordanschlag der Taliban am 30. Dezember auf die Forward Operating Base Chapman der US-Streitkräfte in der afghanischen Provinz Khost neben fünf CIA-Agenten und ein Mitglied des jordanischen Geheimdienstes zwei Xe-Mitarbeiter getötet wurden, und der allgemeine Trend, demzufolge inzwischen 70 Prozent der Geheimdienstausgaben der USA an Privatunternehmen gehen, legen den Schluß nahe, daß in dieser Sache die Version Scahills und Bilours der Wirklichkeit näher kommt als die von Gates, Patterson und Malik.

25. Januar 2010