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ASIEN/725: Nordkorea zieht Konsequenzen aus Libyenkrieg der NATO (SB)


Nordkorea zieht Konsequenzen aus Libyenkrieg der NATO

Pjöngjang sieht sich in seiner harten Haltung bestätigt


Eine Woche nun dauert die Militärintervention der USA und mehrerer ihrer Verbündeten, allen voran Frankreich und Großbritannien, in Libyen. Erklärtes Ziel der Operation "Odyssey Dawn" ist der Schutz der Zivilbevölkerung vor eventuellen Übergriffen durch die Streitkräfte Muammar Gaddhafis unter anderem durch die Errichtung einer Flugverbotszone über Libyen. Dafür haben die an der Intervention beteiligten Nationen ein Mandat des Sicherheitsrats der Vereinten Nationen. Doch inzwischen greifen die Flugzeuge der Anti-Gaddhafi-Koalitionäre immer mehr in die Kämpfe zwischen den Regierungstruppen und den oppositionellen Aufständischen ein. Unter dem Vorwand des Schutzes von Zivilisten versucht die NATO den Bürgerkrieg in Libyen zugunsten der Rebellen zu beeinflussen, offenbar um die Macht Gaddhafis zu schwächen und einen "Regimewechsel" in Tripolis herbeizuführen.

Viele Beobachter stößt die aktuelle Entwicklung vor den Kopf. Nach langen Jahren in der diplomatischen, politischen und wirtschaftlichen Isolation war der angebliche "Terrorismus"-Sponsor Gaddhafi 2003 vom Westen als Partner akzeptiert worden, weil er versprochen und begonnen hatte, sich unter internationaler Aufsicht von seinen Chemiewaffen zu trennen und auf sein Atomwaffenprogramm zu verzichten. Es stiegen diverse Unternehmen aus China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Italien und den USA in die Förderung von libyschem Öl und Gas ein, während Rußland zum bevorzugten Rüstungslieferanten Tripolis' wurde. Doch nun, während die autoritären Regierungen in Bahrain und Jemen mit blutiger Gewalt Proteste niederschlagen und vom Westen lediglich getadelt werden, soll Gaddhafi wegen der Ergreifung ähnlicher Maßnahmen gestürzt werden. Die Ungleichbehandlung ist mehr als offenkundig und hat bei Politikinteressierten auf der Welt Diskussionen und Nachdenken ausgelöst.

In den USA sind Teile der Friedensbewegung in Aufregung. Linke Kritiker und ehemalige Verbündete von Präsident Barack Obama kommen zu dem Schluß, daß man sich, wenn man der derzeitigen demokratischen Regierung in Washington den inoffiziellen Kriegseinsatz in Libyen durchgehen läßt, nicht wundern dürfe, wenn die nächste republikanische Administration - etwa unter der Führung der ehemaligen Gouverneurin von Alaska, Sarah Palin, - unter dem Vorwand des "Schutzes der Zivilbevölkerung" den Iran angreift, was natürlich weitaus verheerendere Folgen als das aktuelle Scharmützel in Nordafrika hätte. Auch in Nordkorea zieht die Regierung Konsequenzen aus dem NATO-Überfall auf Libyen, nämlich daß man auf seine Atomwaffen niemals verzichten soll, weil dies einen für einen Angriff der USA anfällig macht.

Wie die New York Times am 25. März unter der Überschrift "North Korea Suggests Libya Should Have Kept Nuclear Program" berichtete, hat die staatliche nordkoreanische Nachrichtenagentur drei Tage davor die Stellungnahme eines ranghohen Vertreters des Außenministeriums in Pjöngjang veröffentlicht, in der er die Luftangriffe der NATO-Verbündeten auf die libyschen Streitkräfte kritisierte und feststellte, daß Gaddhafi 2003 einen schweren strategischen Fehler gemacht habe, als er sein Atomwaffenprogramm gegen die Aussicht auf verbesserte Beziehungen mit dem Westen eintauschte. Dazu die New York Times:

Indem er die Abmachung des Westens mit Libyen "eine Invasionstaktik zur Entwaffnung des Landes" nannte, erklärte der Beamte, sie käme einem Hütchenspiel gleich. "Die libysche Krise lehrt die internationale Gemeinschaft eine wichtige Lektion" meinte der Beamte in der am Dienstag veröffentlichten Meldung und erklärte, Nordkoreas "Songun"-Ideologie eines mächtigen Militärs sei "auf tausendfache Weise richtig" und stelle den einzigen Garant eines Friedens auf der koreanischen Halbinsel dar.

Die Obama-Regierung bestreitet die Richtigkeit der nordkoreanischen Interpretation der Ereignisse. Im selben NYT-Bericht wird Mark Toner, Sprecher des Außenministeriums Hillary Clintons, wie folgt zur bedrängten Lage von Gaddhafi und seinen Getreuen in Libyen zitiert: "Wo sie sich heute befinden, hat absolut nichts mit ihrem Verzicht auf ihr Atomprogramm oder ihre Kernwaffen zu tun." Nach einer Einigung bei den sogenannten Sechsergesprächen von Vertretern Chinas, Japans, Rußlands, der USA sowie Nord- und Südkoreas in Peking im September 2005 erklärte sich Pjöngjang zur Aufgabe seines Atomwaffenprogramms bereit, nur um zu erleben, wie unmittelbar darauf das Finanzministerium in Washington unter fadenscheinigen Gründen drastische Wirtschaftssanktionen gegen die Banco Delta Asia im chinesischen Makau verhängte, über die damals die Nordkoreaner den Großteil ihres Handels mit dem Ausland betrieb. Als Reaktion auf das fortgesetzte falsche Spiel der USA folgten die beiden nordkoreanischen Atomtests im Oktober 2006 und im Mai 2009. Zweifelsohne dürfte der Libyenkrieg die Aussicht auf eine Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel getrübt haben.

26. März 2011