Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

ASIEN/747: Urheber des Rabanni-Attentats noch ungeklärt (SB)


Urheber des Rabanni-Attentats noch ungeklärt

Hat Al Kaida die Drecksarbeit für die USA wieder erledigt?


Die Ermordung des ehemaligen afghanischen Präsidenten Burhanuddin Rabbani am 20. September in seiner Wohnung in Kabul stellt einen schweren Schlag für die Bemühungen um eine Beilegung des Konfliktes zwischen NATO-Streitkräften und Gegnern der ausländischen Besatzung Afghanistans dar. Es stellt sich zudem die Frage, wer hinter dem spektakulären Attentat steckt. Die Taliban haben offiziell bestritten, für den Anschlag verantwortlich gewesen zu sein. Sie behaupten, daß es sich bei dem Anrufer, der sich in den ersten Stunden nach dem Anschlag bei der Nachrichtenagentur Reuters meldete, sich als Zabihullah Mudschahid identifizierte und im Namen der Organisation dazu bekannte, um einen Hochstapler handelte.

Politsch hat das Attentat, das von einem Selbstmordattentäter namens Mohammed Masoom verübt worden sein soll, den afghanischen Präsidenten Hamid Karsai, der in letzter Zeit als Kritiker der Aufstandsbekämpfungsstrategie der US-Streitkräfte im Süden Afghanistans hervortut und um eine Versöhnung mit den Taliban und der sie unterstützenden paschtunischen Bevölkerung bemüht, schwer geschadet. Gerade im letzten Herbst hatte Karsai Ex-Präsident Rabbani, einen Tadschiken und ehemaligen Anführer der sogenannten Nordallianz, zum Vorsitzenden eines Hohen Friedensrats (High Peace Council - HPC) ernannt. In dieser Funktion hatte Rabbani in den letzten Monaten Möglichkeiten einer innerafghanischen Versöhnung zwischen Paschtunen auf der einen Seite und Tadschiken, Usbeken und Hasara auf der anderen ausgelotet. Zu diesem Zweck hatte er den Mörder Masoom, der sich als Überbringer einer Botschaft von der Talibanführung um Mullah Mohammed Omar im pakistanischen Quetta ausgab, in der eigenen Wohnung im Kabuler Diplomatenviertel empfangen.

Seitens der Nordallianz und den USA gilt der Friedenskurs Karsais nach der blutigen Ermordung Rabbanis als gescheitert. Schließlich hatte der afghanische Präsident, der selbst Paschtune ist, im Juli auch seinen Bruder Ahmed Wali Karsai, der in der südlichen Provinz Kandahar vorsichtige Kontakte zu den Taliban geknüpft haben soll, bei einem Attentat verloren. Dafür setzt nun die Regierung Barack Obamas auf Eskalation und wirft Pakistan vor, über die Taliban-Verbündeten vom Hakkani-Netzwerk einen "Stellvertreterkrieg" gegen die US-Streitkräfte in Afghanistan zu führen. Die Bereitschaft Washingtons, sich auf einen militärischen Konflikt mit Islamabad einzulassen, geht aus aktuellen Presseberichten, wonach die USA dabei sind, den Nachschub für ihre Truppen in Afghanistan nicht mehr über Pakistan, sondern Usbekistan zu organisieren, deutlich hervor. Darüber sprach nach Angaben der New York Times am 29. September US-Außenministerin Hillary Clinton mit dem usbekischen Präsidenten Islam Karimow.

Insgesamt findet aktuell eine Kräfteverschiebung in Afghanistan zuungunsten Pakistans statt, die vermutlich länger geplant gewesen ist, aber wofür der Rabbani-Attentat offenbar als Vorwand herhalten soll. Ebenfalls am 30. September hieß es in der New York Times, die afghanische Regierung um Präsident Karsai überdenke "die Beziehungen zu Pakistan und die Verhandlungen mit den Taliban", weil die bisherigen Friedensgespräche "so wenig gebracht" hätten. Statt dessen beabsichtige Kabul künftig "mit den Vereinigten Staaten, Europa und Indien bei der Planung der Zukunft" Afghanistans "eng zusammenzuarbeiten".

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklung wirft ein Bericht der Washington Post vom 29. September, "Iran's hosting of Taliban reflects desire for greater role" von Ernesto Londoño, die Frage auf, ob der Anschlag auf Rabbani nicht von den Gegnern Pakistans und der Taliban ausgegangen ist. In dem ausführlichen Artikel berichtet Londoño von der letzten Aktion, die der 71jährige Rabbani vor seinem Tod gestartet hatte. Er war extra nach Teheran gereist, um auf Einladung des höchsten Geistlichen Anführers des Irans, Ajatollah Ali Khamenei, an einer großen islamischen Konferenz teilzunehmen. Bei der zweitägigen Tagung war auch eine offizielle Delegation der Taliban unter der Leitung von Nik Mohammad, dem ehemaligen Wirtschaftsminister Afghanistans, zugegen. Londoño wertete die Konferenz als Versuch des Irans, sich Einfluß in Afghanistan durch das Zusammenbringen von Rabbani mit ranghohen Taliban-Vertretern zu verschaffen. Nur wenige Stunden, nachdem der afghanische Politikveteran von der Konferenz in Teheran nach Hause zurückgekehrt war, fiel er dem mysteriösen Anschlag zum Opfer. Vielleicht war das die Rache dafür, sich mit der Regierung eines Landes eingelassen zu haben, in dem sich die USA seit Jahrzehnten einen "Regimewechsel" wünschen.

1. Oktober 2011