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ASIEN/774: Inselstreit Japans mit China, Rußland und Südkorea (SB)


Inselstreit Japans mit China, Rußland und Südkorea

Nationen streben nach knapper werdenden Ressourcen



Nach wie vor ungelöste territoriale Fragen um Inseln bzw. Inselketten in verschiedenen Meeresgebieten Asiens bergen ein enormes Konfliktpotential, das durch die massive Verlegung US-amerikanischer Kriegsschiffe vom Atlantik in den Pazifik entfacht werden könnte. Vor kurzem ist der Besitzstreit zwischen Japan und Südkorea um eine unbewohnte Vulkaninsel und mehrere kleine Eilande im Seegebiet zwischen den beiden Staaten erneut hochgekocht und hat den gegenseitigen Abneigungen wieder reichlich Nahrung geliefert.

Südkoreas Präsident Lee Myung Bak hatte unmittelbar vor den Feierlichkeiten zur Befreiung von der japanischen Herrschaft am 15. August erstmals die umstrittenen Inseln besucht und prompt für diplomatische Spannungen mit Tokio gesorgt. Endgültig für Verstimmung sorgte Lee mit seiner Bemerkung, der japanische Kaiser Akihito sei in Südkorea nur willkommen, wenn er wegen der dort während Japans Kolonialherrschaft (1910 bis 1945) verübten Verbrechen um Verzeihung bitte. Als Reaktion auf Lees Inselvisite berief Japan seinen Botschafter aus der südkoreanischen Hauptstadt Seoul ab und strich einen geplanten Besuch des Finanzministers Jun Azumi. Der Vorschlag des japanischen Außenministers Koichira Gemba, die Eigentumsrechte an der Inselgruppe vor dem Internationalen Gerichtshof (IGH) in Den Haag zu klären, wurde am Donnerstag von dem südkoreanischen Außenministerium mit der Begründung abgelehnt, daß Japans Ansprüche auf die Inseln unbegründet seien. Südkorea lehnt die Einschaltung des IGH auch deshalb ab, weil es dort 1907 vergeblich gegen die Annektion der Inseln durch Japan geklagt hatte. Zugleich stellte der Ministeriumssprecher klar, daß jede Provokation durch Japan mit strikten Maßnahmen beantwortet würden. Wie diese aussehen könnten, ließ er offen.

Warum streiten sich zwei Nationen um die in der Mitte zwischen der japanischen Hauptinsel Honshu und der südkoreanischen Küste liegende, von Südkorea Dokdo und von Japan Takeshima genannte Vulkaninsel, die in historischen Texten zwar meist Korea zugeschrieben wird, aber während der Kolonialisierung Koreas 35 Jahre lang unter japanische Kontrolle fiel? Hintergrund ist die Rivalität der Staaten um die in der Region vermuteten Energiequellen. Experten schätzen, daß unter dem Wasser ein riesiges Gashydrat-Reservoir liegt, das Südkoreas Bedarf für 30 Jahre decken würde. Japan verfügt über keine bedeutenden Vorkommen an Bodenschätzen und zeigt von daher ebenfalls starkes Interesse an diesem Gebiet.

Ähnlich dem Takeshima-/Dokdo-Disput ist Japan noch in weitere Territorialkonflikte verwickelt. Darunter der Streit mit der Volksrepublik China um die unbewohnten Senkaku- beziehungsweise Diaoyu-Inseln auf dem Festlandsockel im Ostchinesischen Meer und der Konflikt mit Rußland um die südlichsten Inseln des Kurilen-Archipels, die seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs zu Rußland gehören und ebenfalls von Japan beansprucht werden. Das Meer um den Inselbogen zwischen Kamtschatka und der japanischen Insel Hokkaido gilt als sehr fischreich, und in der Region werden große Öl- und Gasvorkommen vermutet. Auch wenn die beiden Länder wirtschaftliche und politische Beziehungen unterhalten - ein offizieller Friedensvertrag zwischen ihnen besteht wegen dieses Konflikts nach wie vor nicht.

Am 1. November 2010 besuchte Dimitri Medwedew als erster russischer Präsident die Insel Kunashi und löste damit ebenfalls Proteste in Japan aus. Als Reaktion darauf zog Japan einen Tag später seinen Botschafter Masaharu Kono aus Moskau ab. Am 3. Juli 2012 stattete Medwedew, diesmal in seiner Eigenschaft als Ministerpräsident, der Sükdurileninsel einen weiteren offiziellen Besuch ab, der Nachrichtenagentur RIA Novosti von Tokio als unzulässige "Grobheit" bezeichnet wurde. Anders als im Konflikt zwischen Japan und Südkorea, in dem sich die Vereinigten Staaten weitgehend neutral verhalten, zeigen sie im Kurilen-Streit Flagge für Tokio. Die US-Regierung stehe in der Frage der in Japan nördliche Territorien genannten Inselkette hinter Tokio, wurde US-Außenamtssprecher Philip Crowley von japanischen Medien zitiert.

Daß sich die Fronten inzwischen verhärtet haben, zeigt unter anderem die Ankündigung Rußlands, die militärische Kampfkraft seiner auf den Pazifik-Inseln Kurilen stationierten Truppen deutlich zu erhöhen. Wie Generalstabschef Nikolai Makarow am 28. August der Agentur RIA Novosti mitteilte, sollen dort bis 2014 zwei moderne militärische Einheiten gebaut und mit den Küstenschutz-Raketensystemen "Bastion" und "Bal" ausgestattet werden. Zuvor hatten bereits US-Generalstabschef Martin Dempsey und dessen japanischer Amtskollege General Shigeru Iwasaki in Arlington über den Ausbau eines Raketenabwehrsystems im asiatischen Raum beraten. Keine Frage, das von US-Außenministerin Hillary Clinton im November 2011 in der Zeitschrift Foreign Policy angekündigte "Pazifische Jahrhundert der Vereinigten Staaten" hat begonnen und steht ganz im Zeichen der hegemonialen Interessen diverser Akteure.

21. August 2012