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ASIEN/791: Nordkorea insistiert auf seinen Atommachtstatus (SB)


Nordkorea insistiert auf seinen Atommachtstatus

Washington reagiert verärgert auf die Haltung Pjöngjangs



Die Krise auf der koreanischen Halbinsel hat am 3. April einen neuen Höhepunkt erreicht. An diesem Vormittag hat Nordkorea die Grenze zum Süden und damit den Zugang zum Industriepark Kaesong gesperrt. 480 Südkoreaner, darunter viele Lastwagenfahrer, die nach Kaesong unterwegs waren, mußten unverrichteter Dinge umkehren. Wenngleich die Regierung in Pjöngjang versichert hat, die 861 südkoreanischen Manager in Kaesong dürften jederzeit abreisen, droht mit der Sperrung der Grenze das Aus für das seit 2002 existierende innerkoreanische Prestigeprojekt Kaesong. Die Sonderwirtschaftszone, in der mehr als 50.000 Nordkoreaner für rund 200 kleine und mittelgroße Unternehmen aus der Textilindustrie Südkoreas arbeiten, ist für das arme, kommunistische Land eine der wichtigsten Devisenquellen. Der Umsatz von Kaesong wird auf zwei Milliarden Dollar geschätzt.

In der Vergangenheit war es wegen Streitigkeiten zwischen Nord- und Südkorea hin und wieder zu kurzen Unterbrechungen des regelmäßigen Betriebs in Kaesong gekommen. Die bisher längste Schließung der Grenze für den Waren- und Personenverkehr von und nach Kaesong dauerte 2009 drei Tage. Diesmal könnte die Aussperrung viel länger anhalten. Stein des Anstoßes für die Nordkoreaner sind die gemeinsamen Kriegsspiele namens "Foal Eagle" der amerikanischen und südkoreanischen Streitkräfte, die Ende März begonnen haben und noch bis Ende April fortdauern werden. Zu den Szenarien, die bei dem großangelegten Manöver durchgespielt werden, gehören der Einmarsch in Nordkorea und seine Besetzung.

Nachdem bereits B-52-Bomber vom Luftwaffenstützpunkt Andersen auf der südpazifischen Insel Guam beim Manöver eingesetzt wurden, hat Washington am 28. März eine ganz besondere Machtdemonstration durchführen lassen. An diesem Tag sind zwei Tarnkappenbomber vom Typ B2 Spirit von ihrer Heimatbasis Whiteman im US-Bundesstaat Missouri nach Ostasien geflogen, haben dort mehrere Bombenattrappen auf Ziele vor der südkoreanischen Küste abgeworfen und sind anschließend wieder nach Hause zurückgekehrt. Die B2-Maschine ist für den Transport sowohl von Atombomben als auch Lenkwaffen geeignet. Ihr Einsatz ist auch in der Volksrepublik China als offene Drohung empfunden worden. Schließlich waren die Marschflugkörper, die im Frühjahr 1999 - während des Kosovo-Krieges der NATO - "fälschlicherweise" die chinesische Botschaft im jugoslawischen Belgrad zerstörten und drei Mitarbeiter töteten, von einem B2-Bomber aus Missouri ausgesetzt worden.

Als Reaktion auf die erstmalige B2-Flugschau im koreanischen Luftraum hat die Regierung in Pjöngjang den Waffenstillstand, der 1953 den Koreakrieg de facto beendete und längst durch einen Friedensvertrag hätte ersetzt werden sollen, aufgekündigt. Dies wiederum veranlaßte die neue südkoreanische Präsidentin Park Geun-hye, die im Januar eigentlich mit dem Ziel einer Normalisierung der Beziehungen zwischen den verfeindeten Bruderstaaten angetreten war, den eigenen Militärs am 1. April für jede "Provokation" des Nordens im voraus freie Hand zu lassen. Kommt es also zu einem Zwischenfall am 38. Breitengrad, brauchen Südkoreas Generäle nicht erst die politische Führung in Seoul um Erlaubnis zu bitten, sondern können sofort das Feuer eröffnen. In einer Zeit, in der auf beiden Seiten der innerkoreanischen Grenze Militärmanöver abgehalten werden, erhöht Parks Maßnahme die Kriegsgefahr erheblich.

Man bedenke dabei den Cheonan-Vorfall, als die gleichnamige Korvette der südkoreanischen Marine im März 2010 während des alljährlichen Frühjahrsmanövers explodierte und im Ostchinesischen Meer versank. 58 von 104 Besatzungsmitgliedern der Cheonan verloren damals ihr Leben. Später hieß es seitens Südkoreas und der USA, ein nordkoreanischer Torpedo hätte das Schiff versenkt. Die Nordkoreaner haben ihrerseits jede Verwicklung in den tragischen Vorfall bestritten. Unabhängige Experten, zum Beispiel aus Rußland, vermuten dagegen, daß der Untergang der Cheonan auf einem Unglück während der Kriegsspiele basierte, das zuzugeben sich Washington und Seoul aus politischen Gründen nicht imstande sahen. Sollte in den nächsten Tagen und Wochen etwas auch nur halbwegs Ähnliches passieren, könnte dies eine Eskalationsspirale in Gang setzen, die keiner mehr aufhalten kann.

Sich dieser Gefahr offenbar bewußt, hat Nordkorea inzwischen das Säbelrasseln etwas zurückgefahren. Am 1. April ernannte der Volkskongreß in Pjöngjang den Wirtschaftsreformer Pak Pong Ju zum neuen Premierminister. Darüber hinaus wurde am 2. April die nukleare Abschreckungsfähigkeit des Landes auf eine neue gesetzliche Grundlage gestellt. In diesem Zusammenhang hat sich Nordkorea von seinen Drohungen der vergangenen Wochen, notfalls einen nuklearen Präemptivangriff gegen die USA durchzuführen, distanziert und seine Atombomben zu Defensivwaffen erklärt. Damit hat sich Nordkorea ähnlich wie China offiziell gegen eine Erst- und für eine Zweitschlagsdoktrin entschieden. Nordkorea beharrt auf seinen Status als Atommacht und will erst auf den Besitz von Kernwaffen verzichten, wenn dies die USA, Frankreich, Großbritannien, Rußland und China auch tun. Zur Unterstreichung des neuen Standpunkts hat Pjöngjang die Wiederinbetriebnahme der Kerntechnischen Anlage Yongbyon angekündigt.

Yongbyon war 2007 im Rahmen der Sechsergespräche zwischen Nord- und Südkorea, China, Japan, Rußland und den USA im Gegenzug für die Lieferung größerer Mengen Heizöls aus dem Ausland eingemottet worden. Ein Jahr später wurde der Kühlturm vor den laufenden Kameras internationaler Medien gesprengt. Aus dem 5-Megawatt-Forschungsreaktor in Yongbyon sollen die Nordkoreaner zuvor genug Plutonium für sechs bis acht Atombomben gewonnen haben. Von dort soll auch das spaltbare Material stammen, mit dem Nordkorea 2006 und 2009 seine beiden ersten unterirdischen Atomtests durchführte. 2010 haben die Nordkoreaner den Bau einer Urananreicherungsanlage, die Brennstoff für einen geplanten zivilen Leichtwasserreaktor liefern soll, bekanntgegeben. Der Verdacht steht im Raum, daß beim dritten und jüngsten nordkoreanischen Atomtest am 12. Februar eine Uranbombe, hergestellt aus dem Material der Anreicherungsanlage in Yongbyon, gezündet wurde.

Auf die Ankündigung der Wiederinbetriebnahme von Yongbyon hat die Regierung von US-Präsident Barack Obama, die mit der USS John McCain und der USS Fitzgerald zwei Lenkwaffenzerstörer der Aegis-Klasse in internationalen Gewässern vor der koreanischen Halbinsel stationieren ließ, um gegebenenfalls ballistische Raketen aus Nordkorea abzuschießen, negativ reagiert. Außenminister John Kerry nannte nach einem Treffen mit dem südkoreanischen Amtskollegen Yun Byung-se am 2. April in Washington das Verhalten Pjöngjangs "gefährlich" und "leichtsinnig", die geplante Inbetriebnahme Yongbyon sogar "inakzeptabel". Der ehemalige Senator aus Massachusetts erklärte, die USA würden im Notfall sich selbst und ihren Alliierten Südkorea "zu schützen und zu verteidigen" wissen.

Statt markige Sprüche von sich zu geben, wäre Kerry besser beraten, auf die weisen Worte Donald Greggs zu hören. Der Korea-Kenner, der in den USA seinesgleichen sucht, war von 1973 bis 1975 als CIA-Stationschef und von 1989 bis 1993 als US-Botschafter in Seoul tätig. Von 1982 bis 1988 arbeitete er für Vizepräsident George Bush sen. als Nationaler Sicherheitsberater. In einem am 1. April bei der Los Angeles Times erschienenen Gastkommentar sprach sich Gregg für das "Aushandeln eines dauerhaften Friedens" zwischen den USA und Nordkorea aus. Sperrten sich die USA weiterhin gegen eine diplomatische Lösung, würden sie "einen eskalierenden Konflikt", der sich laut Gregg als "schrecklicher Fehler" entpuppen würde, in Kauf nehmen.

3. April 2013